Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0230

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5 Kommunale Wertevorstellungen
in den

5.1 Vorüberlegungen zur Stabilität und Legitimität
der frühen Kommune

5.1.1 Sozialkapital und geteilte Werte
Der amerikanische Soziologe ROBERT D. PuTNAM hat in einer Reihe wirkmächtiger Pu-
blikationen die Bedeutung geteilter Werte und Normen für die Stabilität einer - in sei-
nen Arbeiten überwiegend demokratischen - Gesellschaft analysiert! PuTNAM nennt
die Grundlagen einer Gesellschaft »features of social Organization, such as trust, norms,
and networks that can improve the efficiency by facilitating coordinated actions«! Die-
ses zusammenfassend als »Sozialkapital« definierte Bündel an sozialen Grundlagen
deutet PuTNAM gewissermaßen als sozialen Kitt einer Gesellschaft, der das Funktio-
nieren gesellschaftlicher Institutionen gewährleiste! Die freiwillige Vereinigung der
Bürger und die Partizipation an einem kollektiven Wert- und Normsystem fördere die
Fähigkeit, Konflikte rational auszutragen, Bedrückungen zu erdulden und Probleme
zu lösen. Kollektive Ziele ließen sich in einer Gesellschaft dann leichter verwirklichen,
wenn jeder einzelne nicht rational auf die Maximierung seiner eigenen, individuellen
Vorteile achte, sondern die Gesellschaft als Ganzes ihre Ziele im Kollektiv vertrete.
Wenn eine Gemeinschaft sich auf eine einheitliche Grundordnung verständige, könn-
ten auch Konflikte innerhalb der Gemeinschaft der Stabilität grundsätzlich nicht scha-
den. Im Gegenteil: Unter der Voraussetzung, dass die Gemeinschaft grundsätzlich auf
dem einmütigen Willen ihrer Mitglieder basiere, wirkten Konflikte und Pluralität sogar
stabilisierend!
Als empirischer Ausgangspunkt für die Konzeptualisierung des Sozialkapitals
diente PuTNAM das Beispiel Italien in den 1980er Jahren. In über 20 Jahren Forschungs-
arbeit analysierte er, wie sich die mangelnde Effizienz politischen Handelns im zeitge-

Grundlegend PuTNAM, Making Democracy; zur Kritik vgl. u. a. BECKERS Rezension, S. 306-308;
BRÜCKER, Civic Traditions; dagegen aber die grundsätzlich positive Bewertung bei Mum, The
Sources of Civil Society; JuRDjEvic, Trust in Renaissance Electoral Politics.
PuTNAM, Making Democracy, S. 167.
Zu vorangehenden Arbeiten über das Sozialkapital (etwa Pierre Bourdieu oder James S. Cole-
man), die allerdings weniger rezipiert wurden, vgl. die Zusammenfassung bei HAUG, Soziales
Kapital; zum Ursprung des Begriffs HELMBRECHT, Erosion des >Sozialkapitals<, S. 16 f.
Die Überlegungen basieren auf älteren Thesen des französischen Sozialforschers ALExis DE
TocQUEviLLE, der schon 1833 bürgergesellschaftlichem Engagement einen politischen Sozialisa-
tionseffekt zugeschrieben hatte ToQUEviLLE, Über die Demokratie. Nach ToQUEviLLE, S. 237 ver-
langte die bürgerliche Gesellschaft einen »aufgeklärten Egoismus, der Solidarität stifte«.
BARBER, Strong Democracy, S. 117.
 
Annotationen