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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0288

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1 Fiktionen in der Realität:
Fingierte Briefmuster als Ausdruck
denkbarer Realitäten

Die erkennbar fiktiven Briefmuster im Anhang der arfes dzchtndz haben kaum das Inter-
esse der historischen Forschung wecken können. Man hat bislang nicht einmal wahr-
genommen, dass mit der Lombardischen Briefsammlung, der Sammlung aus der Bar-
berini-Kollektion und den immer noch unedierten Briefmustern des Magisters Guido
die wichtigsten kommunalen Briefmuster aus der Frühzeit der ars dzcfawmzs stets zeit-
lich und räumlich mit dem Auftreten von Kaisern in Italien - und mit all den damit ver-
bundenen Konsequenzen - zusammenfallen.' Die Lombardische Briefsammlung be-
schreibt die aktuellen Ereignisse um den Italienzug Lothars III. und die Rückkehr Papst
Innozenz' II. nach Italien/ Die Briefe der Barberini-Kollektion entstanden ebenso wie
jene des Magisters Guido im Jahr 1159. Sie entstanden mithin in einer Periode, in der die
Auseinandersetzung zwischen Friedrich Barbarossas und den italienischen Kommu-
nen ihre eigentliche Brisanz erst gewann/ Deswegen war gerade in diesen Jahren Fried-
rich Barbarossa in besonderer Weise in exakt jener Region eingebunden, in der diese
Sammlungen entstanden sind. So fiktiv die Briefmuster also im Einzelnen sein mögen,
Anlass, sich in fiktiven Briefen mit der politischen Situation zu befassen, waren doch
durchaus reale, für die Zeitgenossen oft markante Ereignisse. Die Anspielungen und
Allegorien, die uns heute kaum erkennbar sein mögen, waren ihren Lesern leichter ver-
ständlich; die Briefe mussten an das Plausibilitätsreservoir ihrer Leser anknüpfen, woll-
ten sie interessant und vorbildhaft sein/ Daraus erklärt sich, dass die Beschreibungen
dieser Ereignisse in den erfundenen Briefen erstaunlich häufig den Kern der Ereignisse
trafen; sie deckten sich bisweilen mit den historiographischen Angaben sogar direkt/
Dass man diese Koinzidenz zwischen den Inhalten fingierter Briefe und dem tat-
sächlichen Geschehen übersehen hat, hat wohl mehrere Gründe. Zum einen sind die
Briefe Magister Guidos immer noch nicht ediert und deswegen fast völlig unbekannt;
zum anderen wurden die anonymen Briefe aus der Barberini-Kollektion von HELENE
WiERuszowsKi fälschlicherweise auf das Jahr 1154 datiert/ Nach eingehender Prüfung
scheint die Datierung letzterer auf 1159 allerdings wesentlich plausibler. WiERuszowsKi
stützt diese Datierung auf die Erwähnung eines Hoftages in Roncaglia, an dem ein Graf

Vgl. Lombardische Briefsammlung, ed. BEYER; WiERuszowsKi, A Twelfth-Century > Ars dictami-
nis<; Magister Guido: Briefe, Savigrtarto sul Rubicorte, Biblioteca delLAccademia dei Filopatridi,
Ms. 45, f. t tyr- t^ßv.
Zur Beschreibung vgl. vor allem BEYER, Der Papst kommt.
Vgl. LAUDAGE, Friedrich Barbarossa, S. 138 f.
Vgl. etwa GÖRtCH, Fragen zum Kontext der roncaglischen Gesetze, S. 319.
Vor einer allzu kritischen Beurteilung des Wahrheitsgehaltes dieser fiktiven Briefe warnte
schon ScHALLER, Dichtungslehren, S. 262.
WiERuszowsKi, A Twelfth-Century > Ars dictaminis, S. 384.
 
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