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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0172

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1 Hochschätzung schriftlicher
und mündlicher Rhetorik
in den Kommunen

Mit Adalbertus Samaritanus erreichte die ars dzcfazwzzizs die oberitalienischen Stadtkom-
munen. Im Rahmen ihrer raschen Ausbreitung in der kommunalen Welt wurde sie den
gegebenen Bedürfnissen, Wertvorstellungen und Kommunikationsregeln angepasst.
Zwar war das neue Umfeld in den Kommunen, das sich radikal von jenem Alberichs
von Montecassino unterschied, wohl nicht Ursache oder Anlass dieses Rezeptionsvor-
gangs, aber es hat die Art und Weise der Rezeption und den späteren Erfolg der ars dzc-
famznzs erheblich gefördert. Ein hinsichtlich der Briefrhetorik bedeutsamer Unterschied
zwischen den Kommunen und der Kurie liegt in der für erstere mehrfach bezeugten all-
gemeinen Hochschätzung schriftlicher und mündlicher Rhetorik, während im Umfeld
des Reformpapsttums kritische Stimmen gegen den Einsatz von Rhetorik überwogen.'
Denn obwohl sich in der Auseinandersetzung zwischen regHMm und sacerdoÜMW
beide Seiten rhetorischer Mittel bedienten, wurden selbige gleichzeitig - analog etwa zu
den traditionellen Vorwürfen, die schon von Sokrates gegen die Sophisten und schließ-
lich auch vom Apostel Paulus^ vorgebracht wurden^ - als wahrheitsfremd verworfen.^
Der Gregorianer Manegold von Lautenbach, selbst ein brillanter Stilist, der rhetorisch
alle Stilmittel zu nutzen verstand, beklagte die sprachlichen Winkelzüge seines Geg-
ners, den er daher als bloßen Grammatiklehrer diffamierte:
ÜU uero ad exprohazidMW deo uzuetifz, de PddzsfeorMW eUcfzzs, ^azz-
dens SMScepd openzm more scolarzzzw ütHorzzm, zjzzz zu szzscepfo dzewafe non aden-

Zur Bewertung der Rhetorik an der Kurie, insbesondere im 11. Jahrhundert vgl. an jüngeren
Darstellungen JoHRENDT, Rusticano stilo; STRACK, Diversität der Rhetorik im Zeitalter der Kir-
chenreform; zur durchaus ambivalenten Bewertung der Rhetorik im Kontext des so genann-
ten Investiturstreits vgl. SucHAN, Königsherrschaft; DiES., Publizistik im Zeitalter Heinrichs IV.;
MÜNSCH, Fortschritt durch Propaganda; MELVE, Inventing the public sphere; für die kaiserliche
Seite immer noch mit Gewinn zu lesen ERDMANN, Anfänge der staatlichen Propaganda.
1. Kor. 1, 20.
Für einen Überblick über die antike Debatte zur moralischen Ambiguität der Rhetorik seit ihren
Anfängen vgl. NATAn, Ars ed actus; vgl. auch CAMERON, Christianity and the Rhetoric of Empire,
S. 33-43.
Vgl. FERRARI, Die Wende zum Körper. Dialektik und Eucharistie im 11. Jahrhundert, S. 271,
Angriffe auf »die Sophisten« waren zur generellen Diskreditierung des Gegners »auch dort,
wo Dialektik und Rhetorik hoch im Kurs standen«, möglich; vgl. auch das Urteils JoHRENDTS,
Rusticano stilo, S. 164, über die Bewertung rhetorischer Fähigkeiten im Umfeld des Reform-
papsttums: »Gute Sprache, gute Rhetorik und die >gute Sache< sind nicht identisch, elaborierte
Schliche können sie vielmehr gefährden«.
 
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