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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0106

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2 Die Rezeption der ars däTamhus in Norditalien

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Ähnliches ist für die Anfänge der ars dzcfamznzs mit Alberich von Montecassino an
der römischen Kurie denkbar. Da der Anlass der Auseinandersetzung, die Alberich zu
seinem Werk veranlasst hatte, unter Papst Paschalis II. immer noch bestand, kann eine
weitere Instrumentalisierung der Rhetorik von Seiten der Päpste auch im beginnenden
12. Jahrhundert nicht ausgeschlossen werden.
Für die Anfänge der ars dzcfamznzs in den Kommunen wird man deswegen mög-
licherweise reformkirchliche Kreise oder die Kurie selbst verantwortlich machen kön-
nen. Die aus Rom und Montecassino stammende ars dzcfamznzs wurde dann allerdings
in den Kommunen aufgenommen, weiter entwickelt und vor allem den kommunalen
Bedürfnissen angepasst. Dabei ging es freilich im kommunalen Umfeld schließlich um
die Bemühung, ein Lehrwerk zur Unterweisung in der Briefrhetorik zu schaffen, das
angehenden Notaren in den Kommunen nützliche Grundkenntnisse angemessen ver-
mittelte. In den Kommunen war der Unterricht in Rhetorik und insbesondere in der ars
dzcfamznzs verbunden »mit der Unterweisung in der - gewiss noch primitiven - Rechts-
kunde«."'' Nachdem die ars dzcfamznzs also erst einmal angekommen war, wurde sie in
Bologna ihrem ursprünglichen Kontext entfremdet und den neuen Anforderungen an-
gepasst.
Da die Autoren in Bologna Zeitgenossen der Etablierung kommunaler Herr-
schaftsformen waren, mussten diese politischen Entwicklungen auch in der Briefrheto-
rik - wenn auch unter Umständen unbewusst - Spuren hinterlassen. Daher wird diese
Facette auch in weiteren Kapiteln ausführlich analysiert. Doch ehe im Folgenden diesen
tatsächlich quasi omnipräsenten kommunalen Deutungsmustern in den arfes dzcfandz
die Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist noch auf einen anderen wichtigen Aspekt der
ersten kommunalen ars dzcfandz hinzuweisen, der bislang in der Forschung völlig über-
sehen wurde.

2.4 Stilistische Anpassung an die Kommune

Der Einfluss der Auseinandersetzung zwischen Heinrich V. und den reformorientierten
Päpsten auf die frühen arfes dzcfandz ist jedenfalls deutlich herauszustellen. Es ist durch-
aus anzunehmen, dass es nicht unbedingt die kommunalen Rahmenbedingungen al-
lein waren, die die Rezeption von Alberichs Breviarium in den Kommunen veranlasst
haben. Päpstliche Steuerung, reformkirchliche Ausrichtungen und die prekäre politi-
sche Situation Paschalis' II. dürften dabei maßgeblichen Einfluss gehabt haben.
Gleichwohl waren es die kommunale Welt, die neuen Bedürfnisse der kommu-
nalen Stadtverfassung und die rasche Zunahme pragmatischer Schriftlichkeit in den
Kommunen, die für die gegenüber Alberich neuartige Form und Ausrichtung der kom-
munalen arics dzcfandz verantwortlich waren. So wie sich in den Kommunen das Auf-
kommen »neuer Bildformeln und -formulierungen« nach weisen lässt/' setzten sich
dort auch neue Formen sprachlicher Formulierungen durch/' Die kommunale Welt
schuf ganz andere Kommunikationsanforderungen, auf die durch ein gewandeltes Re-
ScHALLER, Dichtungslehren, S. 263.
HuELSEN-EscH, Romanische Skulptur in Oberitalien, S. 234.
171 Vgl. StTZMANN, The dictaminal theories, S. 117: »[The ars dictaminis] demonstrates the versabil-
ity of rhetoric when it comes to fullfilling the communication needs of society«.
 
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