Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0293

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
282

Teil IV: Fiktive Briefmuster als historische Quelle

1.1 Die Briefsammlungen Magister Guidos

Um den Wert dieser Briefsammlungen genauer zu bestimmen, ist zunächst eine ex-
aktere Einordnung der Briefe notwendig. Die Sammlungen des Magisters Guido aus
der Handschrift in Savignano sul Rubicone sind in der Forschung bislang nahezu un-
bekannt. Sie zeigen eine intime Kenntnis der politischen Ereignisse von 1158. Dass sie
dennoch fiktiv sind, zeigt sich schon bei einem flüchtigen Blick. Denn sie sind, auch
wenn die Absender und Empfänger der Briefe stetig wechseln, immer im gleichen Stil
verfasst. Der Briefaufbau wird darin streng nach den von Guidos Lehrer Bernhard ent-
worfenen Regeln gegliedert. Man wird also einen einzigen Verfasser für die gesamte
Sammlung annehmen müssen. Das mindert zwar einerseits ihren historischen Wert
fundamental, andererseits aber erlauben die wenigen darin geschilderten Ereignisse,
deren Wahrheitsgehalt sich anhand von Parallelüberlieferungen nachprüfen lässt,
anzunehmen, dass der Verfasser sich grundsätzlich an den tatsächlichen Ereignissen
orientierte.
In der Handschrift sind zwei Briefsammlungen getrennt überliefert. Zwischen ih-
nen ist ein sehr kurzer Auszug aus den Pntecepfa dzchimznMTW des Adalbertus Samarita-
nus eingefügt. Entgegen der Darstellung MoNiKA KtAEs' ist auch die erste Sammlung
auf den Blättern nyr-iß2r einem Guido zuzuschreiben, der sicher mit Magister Guido
zu identifizieren ist.'" Angesichts der stilistischen und inhaltlichen Übereinstimmun-
gen beider Sammlungen ist deswegen eine Trennung der Briefe in zwei separate Samm-
lungen kaum gerechtfertigt. Auf Grundlage des stilkritischen Befundes, dass ein einzi-
ger Verfasser alle Briefe verfasst hat, lässt sich die gesamte Sammlung zudem auf einen
Zeitraum von wenigen Wochen datieren, gerade so viel Zeit, wie ein geübter dzcfafor
benötigte, um 90 Briefe zu fingieren. Denn die Anhaltspunkte in den Briefen erlauben
eine recht präzise zeitliche Eingrenzung.
So werden einerseits tatsächlich anderweitig belegte Ereignisse geschildert, wie
zum Beispiel Friedrich Barbarossas Erscheinen in Italien oder die Eroberung Trezzos
durch die Mailänder im April 115QA Andererseits werden künftige Ereignisse in Aus-
sicht gestellt, wie etwa Friedrich Barbarossas Zug gegen Wilhelm II. von Sizilien nach
Apulien. Dieser Zug war zwar tatsächlich angekündigt, galt sogar als Hauptanliegen
von Friedrichs zweitem Italienzug, wurde aber kurzfristig wegen der unerwarteten
Probleme in Oberitalien abgesagt.^ Im Frühjahr 1159 ging auch Friedrich Barbarossa
noch davon aus, weiter nach Süditalien zu ziehen.^ Spätestens mit dem Ausbruch des
Schismas und den damit schnell beginnenden neuen Wirren dürfte er von diesem An-
sinnen, zumindest für diesen Italienzug, Abstand genommen haben. Die Sammlung
müsste demnach in der Zeit zwischen dem letzten vergangenen und dem ersten künf-
tigen Ereignis verfasst worden sei nSo erscheint beispielsweise Rolandus Bandinelli
durchweg als Kanzler, niemals ist er als Papst Alexander III. belegt.

KLAES, Magister Bernhard, S. 36; zur Zuschreibung an Magister Guido TuRCAN-VERKERK, Reper-
toire, S. 206; vgl. zuletzt auch ausführlich STELLA/BARTon, Nuovi testi di ars dictandi.
Laut RI F I, Nr. 698, erhielt Barbarossa Kenntnis von Trezzos Fall in Modena am 14. April 1139;
zum Itinerar Barbarossas, das die Angaben der Briefsammlung bestätigt, OpLL, Itinerar, S. 26.
Vgl. dazu OpLL, Friedrich Barbarossa, S. 62 f. und vor allem S. 67; GÖRtCH, Friedrich Barbarossa.
S. 313.
Vgl. Robert de Monte: Cuwz'ca, ad annum 1138, S. 307.
Vgl. so auch die Herleitung der Datierung der Lombardischen Briefsammlung bei BEYER, Der
Papst kommt, S. 32.
 
Annotationen