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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0174

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1 Hochschätzung schriftlicher und mündlicher Rhetorik in den Kommunen

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1.1 Befund: Eloquenz in den italienischen Kommunen

Schon zu Beginn der kommunalen Phase finden sich Hinweise darauf, dass der sprach-
lich-stilistischen Ausdruckfähigkeit eine große Bedeutung beigemessen wurde. Der
Befund kann zunächst nicht sonderlich überraschen; denn nachdem schon im Frühmit-
telalter Volksversammlungen in Oberitalien üblich waren, hatte sich im n. Jahrhundert
in diesen Versammlungen ein » Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht aller Stände in
den gemeinsamen Angelegenheiten« ausgeprägt.^ Im Rahmen dieser Versammlungen
wurde dem gesprochenen Wort ein besonderer Stellenwert zugeschrieben." Innerhalb
der Kommunen unterstrichen die Gelehrten in diversen azdes cozzdz'ozzazzdz oder arfes
dzchmdz sowie in der Geschichtsschreibung die Bedeutung von Eloquenz im öffent-
lichen Leben der Stadt, verwiesen regelmäßig auf die vermeintliche Beredsamkeit der
Entscheidungsträger und präsentierten deren idealtypische Reden in angeblich wört-
licher Entsprechung." Die zahlreichen Lehrbücher, die in den Kommunen für Episto-
lographie, für die öffentliche Rede, für das notarielle Schriftgut und nicht zuletzt für
die Predigt entstanden, bezeugen darüber hinaus die Bedeutung, die man im 12. und
13. Jahrhundert rhetorischen Fähigkeiten in all seinen Ausformungen beimaß.
Angefangen bei Landulf zogen sich die Hinweise auf die Hochschätzung der Rhe-
torik" wie ein roter Faden durch die Geschichte der italienischen Kommunen. Rahewin
nannte die Mailänder Legaten schlicht ptzosdaaz zzzzzRc pzizdeaz dozpzctzdz'c, parue sapicnh'c"
und wusste, dass es Brauch jedes einzelnen »Italieners« gewesen sei, Mt szzazw zu dz'cczzdo
penfzam, pzza ylorzarz soRtR, dedararef." Laut Burchard von Ursberg waren die Mailän-
der Gesandten bei Friedrich Barbarossa dodzsszzwz d ^aczzzidz." Boncompagno da Signa
bemerkte 1233 in seiner RJzdonca nopzsszaM; ConsMehfdo cozdzoziazidz uzyd zn czpzhüz&MS
d oppzdzs Rade propfer cxz'zzzz'azzz dhczdaiczzz."' Salimbene de Adam berichtete, Friedrich II.
habe seinen Hof erheitert, indem er Reden hielt wie die Cremoneser Gesandten: Diese
hätten zunächst jeden gelobt, dann hervorgehoben, wie nobel, weise, reich und mächtig
er sei, um schließlich, ganz am Ende, zum eigentlichen Thema zu kommen." Brunetto
Latini formulierte in seinem Lz'wc dzz hcsoz; das wichtigste Wissen in Bezug auf die Re-

KELLER, Die soziale und politische Verfassung, S. 33.
Zum »nouvel elan de la voix, de la voix dans sa fonction de persuasion politique, d'argumentation
ou d'aggression« im 12. Jahrhundert vgl. auch CAMMAROSANO, L'eloquence laique, S. 323 f.
Beispiele rhetorisch ausgefeilter Reden in der kommunalen Geschichtsschreibung finden sich
in besonderem Maße bei dem Bologneser Professor für Rhetorik Boncompagno da Signa: Lz'Fcr
& oFsz'dz'oac Aacoae; den unzureichenden Forschungsstand zu dieser Form der säkularen Rede
konstatiert JoHNSTON, Parliamentary Oratory in Medieval Aragon, S. 103.
Vgl. dazu auch die Beiträge in dem Tagungsband von HARTMANN, Funktionen der Beredsam-
keit; zur Definition des in den Kommunen gepflegten Rhetorikbegriffes vgl. darin HARTMANN,
Funktionen der Beredsamkeit, S. 13 f.
Rahewin: Gesfa Freden'cz z'azperaforz's, IV. 27, S. 271; entlehnt aus Sallust, Coa/'araho Cafdz'aae, 3, dort
heißt es über Catilina: safz's dcqaeah'ae, sapz'eah'ae paraaz.
Rahewin: Ges Za Frz'den'cz, IV 3, S. 237, berichtet über das Verhalten der Vertreter aus dem Regaaa:
haiz'ae während des Hoftages in Roncaglia 1138: SargeaUstpze aaas post aaaa:, sz'caf das geafz's a:os
esf, sea af prz'acz'pz saaa: tpzz'stpze azaazfcsfarcf zpjcdaa: cf propeasz'orea: cz'rca caa: dczzdz'oacaz, sca af
saaa: z'a dz'ccado pcrzYz'aa:, z^aa gion'arz sdcaf, dedarard, prz'azo cpz'scopz, ddade proccrcs ferre, post coa-
saies d an'ssz sz'agaiaraa: czüzYafaa: fdaa: dz'ca: z'daa:/acaadz'ssz'a:z's scrazoaz'Fas z'a aodea: asz^ac proda-
xeraaf.
Burchard von Ursberg: C/zroaz'coa, S. 32.
Boncompagno da Signa: Rddon'ca aouz'ssz'aza, S. 296.
Salimbene de Adam: Croaz'ca, S. 331.
 
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