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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0195

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Teil III: Die aries dz'ciaadz als Spiegel des Diskurses

er das Werk von Bernhard erhalten habe.'' So könne sich Guido mit fremden, das heißt,
mit seines Lehrers Federn schmücken und dessen feine Stilistik vortragen. Vor allem
würden die Schüler annehmen, dass Guido selbst viele nützliche Fertigkeiten der ars
dzciamznzs erfunden und anschließend gelehrt habe. Wenn in dieser Form, so Magister
Bernhard, von dem Nutzen und von dem Innovationsgrad der Lehre Guidos berichtet
würde, würden sich die Schüler umso enger an Guido binden und alle weiteren po-
tentiellen Lehrer aus gutem Grund entlassen. Guido selbst könnte dann unmittelbaren
Nutzen aus den Rafzones dzcfamzüMm seines Lehrers ziehen.^
Dieser Briefteil ist bemerkenswert und, soweit ich sehe, ohne Beispiel. Neben der
bekannten Selbstdarstellung als genialer Verfasser einer ars dzcfamznzs zeugt er von dem
Konkurrenzdruck auf dem Feld des Rhetorikunterrichts, von großen Schüler- und Leh-
rerzahlen und damit von der gesellschaftlich offensichtlich weithin anerkannten Be-
deutung der ars dzciamznzs insgesamt. Der Konkurrenzdruck auf dem freien Markt der
käuflichen Lehre zwang die Magister offenbar zu Innovation und zu Originalität.^ Es
lohnte sich auf beiden Seiten, denn die Lehrer konnten sich dort einen erträglichen Le-
bensunterhalt verdienen, und die Schüler beziehungsweise ihre Eltern wussten um den
gesellschaftlichen Nutzen, der aus der Kenntnis der ars dzcfamznzs resultierte.
Hugo von Bologna beschreibt sich - wenn auch in den fiktiven Worten seiner
Schüler - als besten aller Magister/'* Dieser Umstand gewinnt an Brisanz, wenn man
bedenkt, dass Hugo sich gleich zu Beginn seiner Rafzones dzcfandz von den vermeint-
lich unzureichenden Arbeiten seiner Konkurrenten in Bologna, von Aginulf und vor
allem Adalbertus Samaritanus, abgrenzte. ' Solche Konkurrenz war gerade unter den
Lehrern der ars dzciamznzs verbreitet/' Schon die heftigen Angriffe Hugos von Bologna
auf seinen Zeitgenossen Adalbertus Samaritanus zeugten davon. In den Worten sei-
ner - fiktiven - Schüler bestätigt Hugo seine eigene Überlegenheit.
Die Autoren der arfes dzcfandz waren allerdings in der Regel nicht nur gute Leh-
rer mit exzellentem Ruf, ^ den sie zu verteidigen und zu verbreiten wussten. Oft waren
sie auch praktisch im Dienste einer einflussreichen Persönlichkeit oder Institution tä-
tig.^ Über ihre Nähe zu mächtigen Höfen und Personen berichten die dzcfafores zumeist

Dass Lehrbücher in der Regel bei den Lehrenden verblieben und nicht in die Hände der Schü-
ler gerieten vermutet auch LANHAM, Writing Instruction, S. 8ß: »Probably only the teacher had
access to the textbooks, and lectured or dictated to pupils from them. This pattem continued at
least until the rise of universities in the thirteenth Century«.
Bernhardus Bononiensis: Maiü'phccs epz'sioie, Nr. 6, S. 16 f.: LR zgz'iar ex parle iaa aiz'tyaz'd aiz'iz'iaiz's
dz'cfawHMzhMS addz'iaa: Hdeafar, dz'screiz'oaea: izzaa: pohzazas esse sodz'cz'iaa:, tyaaü'nas das Raiz'oaes dz'cia-
azz'azza: aadz Hdeado coacedas, ai sie t?ae rzera ei oraaia proiaierz's, soca iaz caa: se za scrz'piz's aadaieaas
z'aaeaz'sse cogaoperz'ai, piarz'aza z'a /zac aiz'iz'a scz'eaiz'a ie z'aaeaz'sse deaaaiz'eai, ei aosiro iz'dz coasz'iz'o ad/zer-
eaies, oazaes t?az eaadea: docirz'aaa: posse docere Hdeaiar, aoa z'asz'pz'eaier dz'azz'üaai.
Ähnlich, aber ohne weitere Beachtung der gesellschaftlichen Implikationen, schon MuRPHY,
Rhetoric, S. 2iß.
Hugo von Bologna: Raiz'oaes dz'ciaadz, S. 69.
Hugo von Bologna: Raiz'oaes dz'ciaadz, S. ßß.
Vgl. MuRPHY, Rhetoric, S. 212. Dass diese Rivalitäten die Geschichte der ars dz'ciaazz'az's von den
Anfängen bis zum iß. Jahrhundert durchziehen, betont KANTOROwicz, An >Autobiography< of
Guido Faba.
Vgl. etwa das Urteil WoRSTBRoexs, Die Anfänge der mittelalterlichen Ars dz'ciaadz, S. ß, über
Adalbertus Samaritanus und Hugo von Bologna: »Beide waren, wenn ihre rasche und über Ge-
nerationen anhaltende Wirkung dafür ein Zeugnis ist, Leute von Ruf«.
Vgl. die Belege oben am Beginn dieses Kapitels.

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