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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0058

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4 Aufbau der Arbeit

47

Inhalts, welche künftigen Entwicklungen in einer gegebenen Situation als möglich und
erwartbar erschienen. Sie geben gewissermaßen Einblick in die Art und Weise, wie
Zeitgenossen in brisanten und noch offen erscheinenden politischen Konstellationen
die nähere Zukunft einschätzten. An einer noch nahezu unbekannten und unedierten
Briefsammlung aus dem Jahr 1159,^ die in einem Anhang in Form von Kurzregesten
vorgestellt wird, soll dieses Vorgehen exemplifiziert werden. Diese Sammlung emp-
fiehlt sich deswegen in besonderer Weise, weil sie in die Zeit des zweiten Italienzuges
Friedrich Barbarossas fällt, dessen Ereignisse Inhalt zahlreicher Briefe aus der Region
um Bologna oder Imola sind.
Die arfes dzchtndz bieten einen kaum hoch genug einzuschätzenden Fundus an politi-
schen Leitideen, gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen, bürgerlichen Identitäts-
konstruktionen und pseudoethnographischen Fremdheitswahrnehmungen, um nur
einige der zu behandelnden Themenfelder zu benennen. Zudem war die ars dzchtmznzs
die sprachliche und ideelle Schulung auch jener Bewohner der Kommunen, die seit dem
12. Jahrhundert die historiographischen Werke für die italienischen Stadtkommunen in
der ihnen eigenen Sprache und Stilistik verfassten.^
In den Lehrgegenständen der kommunalen Elite spiegeln sich Weltbilder und Mo-
ralvorstellungen, die direkt im kommunalen Leben verortet sind. Die altertumswissen-
schaftlichen Erkenntnisse zum antiken Rhetorikunterricht gelten ebenso für die italie-
nischen Kommunen: »[MJoral and political virtues are absorbed through the contents
of the texts and orations studied there«A Angesichts dieser Erkenntnis gewinnen die
arfes dzchtndz einen Quellenwert, der ihnen bislang nicht zugestanden wurde.
Die vorliegende Studie will die Erkenntnischancen, die die arfes dzchtndz bieten,
ausloten, die einzelnen Werke vorstellen und damit sowohl einen Beitrag zur Ideenge-
schichte der oberitalienischen Kommunen leisten als auch die Erforschung der mittelal-
terlichen ars dzchtmznzs insgesamt befördern.

Überliefert in Savignano sul Rubicone, Biblioteca dell'Accademia dei Filopatridi, MS 45, f.
liyr-ißßv; Hinweise auf die Sammlung bei KLAES, Magister Bernhard, S. 36; jüngst auch STELLA/
BARTOn, Nuovi testi di ars dictandi.
Vgl. zum Verhältnis von ars dz'cfazzzz'zzz's und kommunaler Historiographie vgl. F.AiNi, Lettere po-
litiche; verstärkt mit Blick auf die Oratorik GÖRtCH, Sprechen vor dem Kaiser; insbesondere im
13. Jahrhundert zeigt die Historiographie enge stilistische Anklänge an die ars dz'cfazzzz'zzz's; vgl.
zur Beschreibung der kommunalen Werke SoMMERLECHNER, Shzpor zzzaadz, allerdings mit nur
geringem Augenmerk auf die Stilistik und nahezu ohne Hinweis auf die ars dzcfazzzzzzzs.
MuRPHY, Habit in Roman Writing Instruction, S. 36: zur moralisch-politischen Prägung des an-
tiken Rhetorikunterrrichts vgl. auch CoNNOLY, The State of Speech.
 
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