Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0251

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
240

Teil III: Die arfcs dzHamh' als Spiegel des Diskurses

Vos zgzfMö NouarzeMses czues ef coMSMles, Ml ms czuzle exz^zf, zzi Mlzlzlzzle pzzüze pre-
eMMdo coMcordzfer uz^zlzzle; popM^MS MMzzzizzMzfer SMhsepMzzfMö Ml fzoMor ueslre czuzlzzlzs
oMzziezzlMr e! SMMzzMzs zzssldMeprozMouezzlMr.^
Diese Idee delegierter und bedingter Herrschaftsgewalt in den Kommunen war aller-
dings in der Frühzeit der Kommune, als diese zzrles dzclzzzidz verfasst wurden, keines-
falls fest verwurzelt; auch sie bedurfte in den ersten Jahren der Kommune, als tradi-
tionelle Formen der städtischen Herrschaft gerade erst abgelöst worden waren, noch
intensiverer Rechtfertigung. Wenn nun »die Entscheidungsgewalt nicht mehr bei der
Gesamtvielheit der Bürger in der allgemeinen Volksversammlung lag, sondern bei jähr-
lich wechselnden Beamten«,^" dann bedurfte diese neue Befugnis der Konsuln nicht
nur besonderer Legitimation, sondern auch Kontrolle. Aus diesem Kontrollbedürfnis
erklärt sich die eidliche Verpflichtung der Konsuln auf das Wohl der Kommune, die in
den zzrfes dzcfzzzidz kaum zufällig genau in dieser Zeit aufgegriffen wurde. Konsuln wur-
den in der Regel nicht erst in der Volksversammlung gewählt, sondern nach vorheriger
Designation durch die Versammlung lediglich bestätigt.' ' Die Amtsgewalt der Kon-
suln musste deswegen wohl ideell in besonderer und neuer Art und Weise legitimiert
werden.'^ Vielleicht erklärt sich aus diesem anfänglichen Legitimationszwang'" der
Kommunen der Befund, dass die soeben zitierten Aussagen vornehmlich den frühesten
kommunalen zzrfes dzcfzzzidz entnommen werden können.'^ So wird hier immer wieder
eine identitätsstiftende gemeinsame Vorstellung von der gerechten städtischen Herr-
schaft formuliert. Im Anschluss an die Soziologie PuTNAMs wäre daran zu denken, die
Etablierung verbindender Werte und die Verpflichtung auf die Durchsetzung eines kol-
lektiven Zieles als Voraussetzungen für eine funktionierende Gesellschaft zu verstehen.
Die Delegation des individuellen Willens an einen auf Zeit gewählten Vertreter
ist nur dann denkbar, wenn sie im Vertrauen auf die Reziprozität, auf den Nutzen für
das Kollektiv erfolgt. Der Verlust unmittelbarer Teilhabe des einzelnen in der Volks-
versammlung bedurfte einer gewissen Absicherung. Zunächst wurde der Auftrag zur
Repräsentation des Volkes »von Fall zu Fall durch die allgemeine Zustimmung erst
geschaffen. Dieses Grundprinzip der frühkommunalen Verfassung tritt mit dem Auf-
tauchen der Konsuln keinesfalls sofort außer Kraft«.' " Die frühen kommunalen zzzdcs
dzcfzzzidz belegen sehr anschaulich und in dieser Frühphase auch singulär, wie sehr die
Autorität der Konsuln beschränkt wurde durch ihre Bindung an Werte, die die Volks-
versammlung vorgab und die im kommunalen Diskurs omnipräsent waren.

149 Aurea Gemma Oxom'czzsz's, S. 74*; vgl. ebd. auch die beiden Redaktionen der Aurea Gemma Beroiz-
zzeusz's und der Aurea Gemma Wz'He/zeimz.
DiLCHER, Entstehung, S. 168.
151 Vgl. HARTMANN, Ubi multa consilia, S. 2gf; vgl. auch DARTMANN, Zwischen demonstrativem
Konsens und kanalisiertem Konflikt, S. ßß f.
152 Vgl. zum Misstrauen, das mit der Delegation der Entscheidungsgewalt an kommunale Reprä-
sentanten verbunden war, die bemerkenswerten Überlegungen von KELLER, Mehrheitsentschei-
dung und Majorisierungsproblem, S. ß2; vgl. DERS., Die soziale und politische Verfassung, S. ßß.
153 Vgl ähnlich schon WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, der von »illegitimer Herrschaft«
spricht; OEXLE, Gilde und Kommune, S. 88, unter Verweis auf ein Legitimationsdefizit; BosL, Ge-
sellschaftsgeschichte, S. 108, spricht im Kontext der Übernahme von Herrschaftsrechten durch
die Kommune von einer »evolutionären wie revolutionären Emanzipation«.
154 Vgl. analog VON DER HÖH, Erinnerungskultur und frühe Kommune, S. 114, mit der kontrastiven
Sicht MAiRE ViGUEURS, Cavalieri e cittadini, S. 460-469.
1^5 KELLER, Entstehung, S. 206; vgl. auch MAiRE ViGUEUR, Cavalieri e cittadini, S. 4ßß.
 
Annotationen