Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0303

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
292

Teil IV: Fiktive Briefmuster als historische Quelle

auch für die Werke des Magisters Guido annehmen können. Otto von Freising deutete
an, wie sehr das politisch-soziale Leben in Norditalien von der An- und Abwesenheit
des Kaisers geprägt war. »Ohne performative Akte, ohne persönliche Präsenz des
Herrschers und ohne direktes Zusammentreffen mit der politischen Führungsschicht
schien die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens also gar nicht möglich; das Schwert
des Kaisers musste sichtbar sein, um eine erfolgreiche Regierung zu ermöglichen«.^
Was für des Kaisers Abwesenheit gilt, lässt sich mufafis mufandis auf seine Präsenz in
Norditalien übertragen. Plötzlich wurden in Gewohnheit gekommene Traditionen ge-
stört, wurden politische Selbstbestimmung und eingespielte Sinn stiftende Rituale dem
Geltungsbedürfnis, der Stellung, Macht und Ehre des Kaisers angepasst. »Außerdem
hatten viele Kommunen und Feudalherren im Patrimonium den Gegensatz zwischen
Papst und Kaiser genutzt, um sich der Herrschaft des benachbarten Papstes zu entzie-
hen und jener des fernen Kaisers anzunähern «. '
Zur theoretischen Herrschaftsrechtfertigung des Kaisers in Italien bietet Guido
eine Reihe nachahmenswerter Exordien, auf die seine Schüler gegebenenfalls zurück-
greifen konnten.
Quoniam oos dioma comifanfc cfomonfm Ccsans angnsfi pofcnfiam pffssfmf fusff-
niani sollorfiam d pofcnfissimi rcgfs Caroü andaffam supcrarc cognosco, fmpcrafor
sancfissimc, fdco ocsfrf pofcnfafus digna proconia rc/crrc non presnnro cum mdfms
cordis ingonmm d scnhcnfis o^fcfnm ac aEcnzns ons cfopumm ad doc enarrandnw
SM^i'ccrcf.^
Qnonzaw^ dnas prfticfpafcs [dignitates]^" in doc mundo dfoma cdi oofnff dimere cfc-
mcnffa, nna/n epfscopafcm adcram regalem, nf pnod nna nepnd oerho altera corrigaf
^erro, cxpcdd ideo oolns pnem Dens sno sando cdnsmafc consecrari nolnd, [..
Qnoniam Dens, in cnins mann snnf omnes pofcsfafcs d nninersa inra regnornm,
nos ad celsifndinis Romani imperii cnlmen oolnif promooeri cf sno sando cdrismafe
in fam safnhornmnm principem consecrari, nf omninm cdrisfianornm ef preserfim
clericornm ef panpernm Cdrisfi pofens profecfor ac denignns fnfor oxisfahs, idcirco
imperaforie maiesfafis ciemenfiam prece, pna possnmns, dnmilifer deprecamnr, pna-
finns ..."
In der unklaren und in jeder Hinsicht offenen Situation der Jahre 1158/1159 galt es für
jede Kommune, den richtigen Ton gegenüber dem Kaiser zu treffen, auf dem schma-
len Grat zwischen deutlicher Darstellung der eigenen Forderungen und Positionen auf
der einen und zurückhaltend höflicher und unterwürfiger Bitte anderseits zu halten.^

85 LAUDAGE, Friedrich Barbarossa, S. 185.
88 GÖRtCH, Konflikt und Kompromiss, S. 95.
85 Magister Guido: Briefe, Savignano sul Rubicone, Biblioteca dell'Accademia dei Filopatridi,
Ms. 45, f. lßgr.
88 In der Handschrift fehlt das Initial-Q.
88 Fehlt in der Hs.
88 Magister Guido: Briefe, Savignano sul Rubicone, Biblioteca dell'Accademia dei Filopatridi,
Ms. 45, f. 141V.
8' Magister Guido: Briefe, Savignano sul Rubicone, Biblioteca dell'Accademia dei Filopatridi,
Ms. 45, f. 145U
85 Vgl. zum praktischen Nutzen dieser Kommunikationsregeln oben Kap. III, 6.
 
Annotationen