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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Isis.

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Abb. 10.


als Grundzug die madonnenhaft grazile, doch üppige Schlankheit wieder. Das Stehmotiv ist
nicht originell, die Züge des Gesichts sind aus den individuellen Kopien nicht zu erschließen.
Immerhin passen die Gesamtformen ganz gut zu Frauen der Zeit nach Alexander und sind
gebildet aus den Ergebnissen der Plastik des 4. Jahrhunderts14), so daß der Künstler überhaupt
nur die Tracht aus der Mode des Neuen Reichs übernommen hätte. Be-
trachten wir aber den strengen Typus, so muß es bedenklich erscheinen, daß er
aus dem griechischen Werk zurückgewonnen sein soll. Sein Hauptvertreter ist die
vatikanische Statue (Abb. 10), die durch starre Häßlichkeit und übertriebene Ge-
spanntheit der Glieder abstößt und doch imponiert durch ihre krampfhafte Ge-
schlossenheit15). Wie weit dies herbe Gesicht von griechischem
Einfluß entfernt ist, lehrt ein Blick auf das Köpfchen (Abb. 11),
an dem die fremden Formen durch feines künstlerisches Gefühl
lebendig geworden sind (Anm. 9). Wie der Vergleich mit allen
anderen zeigt, muß unsere Statue in frühptolemäische Zeit
gesetzt werden16). Zieht man ab, was durch die harten,
rippenartig schematischen Mantelfalten, den breit fallenden
Zipfel verdorben wird, so bleibt sicher der Eindruck, daß sie
sich gut an jenes schlanke Frauenideal anschließt, das aus
saitischer und frühptolemäischer Zeit bekannt ist17), daß sie
weiter als die anderen vom schönen Körper griechischen Stils

entfernt ist, indem sie der Knappheit des ganzen die ausgeglichene Rundung opfert, soweit,
daß durch die straffanliegenden Kleider besonders auffällig einzelne Formen hervortreten.
Fügt aber diese ihrem inneren Bau nach saitischer Kunst, der Tracht nach einer noch
älteren18) sich ein, dann dünkt es gewagt, sie von der freien griechischen Schöpfung abhängig
zu machen; wahrscheinlicher ist demnach, daß der Prototyp in Alexanders Zeit als ägyptische
Göttin verehrt wärd. Wie das Mantelmotiv zu erklären ist, kann man bei alledem immer

14) Wichtig ist zunächst, daß die Griechen Isis nicht schon wie Amon etwa zu Herodots Zeiten in ihre Kunst über-

tragen haben. Unser frühestes Zeugnis der Tracht, damit das älteste für das allgemeine Aussehen, ist die Euthenia der

Tazza Farnese (Anm. 8), die in frühptolemäischer Zeit (unten S. 36, 37) schon von Isis das Gewand übernommen hat. Da

ihre auffallende Schlankheit zu den sonst bekannten Kopien (etwa der kapitolinischen) stimmt, gar sich wiederholt bei

Priesterinnenstatuen (z. Β. Athen, Nat. Mus. Alinari, Phot. Grece 24416), so muß das Original diese betont haben. Das ent-

spricht wohl dem Geschmack der Zeit nach Alexander, wie vielleicht die Tanagräerinnen am besten zeigen. Aber auch dies

ist zu berücksichtigen, daß es vom ägyptischen Original herkommen kann (s. unten Anm. 24).

15) Ihre Haltung, Tracht, Attribute kehren wieder bei der kleinen Statue aus Naukratis, Edgar Greek sculpt. pl. IX
27471; v. Bissing-Bruckmann, Text zu Taf. 112; darum schloß auch ich 1908, unabhängig von Bissing, auf ein alexandri-
nisches Kultbild. Wichtig ist, daß das Gewand in gleicher Weise geordnet ist, daß fast ebenso die Falten zur Seite ziehen,
auffallend, wie sie an dem bei beiden gleich stark kugelförmig gewölbten Leib enden, charakteristisch die übertriebene Ein-
schnürung des Brustkörpers; das Kairiner Ex. hat starke Kugelbrüste, flachere, überquellende, weil von unten aufgeschnürte,
das Vatikanische; nur die Haartracht ist verschieden, wie die Formen des Gesichts verändert; der Aufsatz mit den Uräen,
der wohl noch die Krone hielt, fehlt bei dem Vatikanischen Ex. Nun ist ganz auffallend, wie die viel freieren Kleinbronzen
(unten S. 41, Anm. 54) die allgemeinen Formen dieser Gruppe kopieren und der Tracht nach auch der Kopf der Isis aus der
III. Region (Anm. 9) (Abb. 11) hierher gehört.

16) Daß die Darstellung des Frauenleibes auf Reliefs Ptolemaios' IX aus Edfu (v. Bissing-Bruckmann, Text zu Taf. 117)
wiederkehrt, beweist nichts dagegen, denn die geringere, spätere Naukratisstatue (Anm. 14) zeigt ihn ebenso, und, wenn auch
etwas schwächer, stärker verteilt und gegliedert, die Arsinoe Philadelphi des Vatikan, Marucchi Vat. Egiz. Ν. 14.

17) Ich denke an Beispiele wie Capart, Recueil de Mon. Eg. pl. XCIII, pl. XLVII (= Maspero, Gesch. d. Kunst,
Abb. 481, 482), die Arsinoe des Vatikans (vorige Anm.), an Statuen wie die der Ameniritis, v. Bissing-Bruckmann Taf. 64
saitischer Zeit, die alle nur das leichte Gewand tragen, so daß ihre Brüste tiefer herabhängen, mehr kugelartig geformt sind.
Störte nicht die Schematisierung des Mantels, so wären Brust und Unterkörper nicht anders als Capart, Taf. XLVII, nur mit
stärker betontem Leib.

18) Ist dabei nicht zu betonen, daß wie in der Kunst des n. R., die beiden Gewänder so prall sitzen, daß die Körper-
formen — so stark wie bei den Griechen — sichtbar sind?

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