Händler (Nr. 325).
193
6. Händler (Tafel 30 und 31).
Ein selten schönes Stück (325). Wie über die krumme, kolossale Nase hinweg, aus dem Rahmen
der prognathen Backenknochen die geschwollenen Lider, die irren Äuglein stieren! Wie der
kahle Schädel verhöckert ist, der Riesenkopf in der Fettbrust drinsitzt! Wie die O-Beine
trippeln und der ganze Kerl die kleine Last keuchend schleppt. Der eingesetzte Riesenphallos
diente wohl als Lampe und erhielt das Figürchen aufrecht. Das ist ein Stück Karikatur, die
zum höhnisch lachenden Witz spielende Fertigkeit fügt; vor Kuriosa ist diese realistische
Kunst der Großstadtwitzbolde nicht bange gewesen1). Nicht minder frech, wenn auch viel
matter in der Ausführung ist der kurzbeinige alte Breitschädel mit dem unter dem Kittel
vorhängenden, schlaffen Phallos, der zwei bauchige, gefüllte Töpfe unter den Armen zum
Markt trägt2) (326).
325. Markthändler. (Tafel 30.)
Berlin 10 329. Fratzenhafter Alter, auf der 1. Schulter einen Fisch, in der r. Hand zwei
Hühner tragend und breit ausschreitend. In knochigen Schultern sitzt ein großer Kopf mit
hochgewölbtem, kahlen Schädel und hagerem, grotesken Gesicht; die niedrige Stirn stark ein-
gezogen an den Schläfen und über den wulstig vorspringenden plumpen Augenbögen, hinter
denen, tief beschattet, die kleinen Augen liegen. Eine klobige Nase mit (nach r.) verdrückter
Kuppe und dicken Flügeln zwischen markierten Backenknochen, unter denen die Wangen ein-
fallen. Vorspringendes, kurzes Untergesicht mit vorgeschobener Unterlippe und scharfem Kinn.
Große Ohren. Der Alte, den Kopf etwas nach r. geneigt, trägt auf der 1. Schulter auf mulden-
förmiger Schüssel, die er vorne stützt, einen großen Fisch, mit der seitlich leicht er-
hobenen R. faßt er zwei Hühner. Das r. kurze Bein ist zum Schritt gebeugt, der Fuß stark
auswärts gedreht. Ein grober, hemdartiger, bis zu den Knien reichender Kittel, von der r.
Schulter etwas herabgerutscht, liegt faltig auf der 1. und war wohl unter dem Hängebauch
gegürtet.
Rückseite (nicht ausgearbeitet). Ein Loch zum Einsetzen eines mächtigen Phallos. Kein
Brennloch. Im Nacken Öse zum Aufhängen.
Maß: H. 14,3 cm. — Herkunft: Angeblich aus dem Faijum. — Material: Lederbrauner Ton. —
Erhaltung und Arbeit: Vielfach gesprungen. Vorderschale vom r. Fuß schräg nach der r. Hüfte
abgebrochen. Rückschale tiefer erhalten. Gut mit der Hand nachmodelliert; vorzügliche Arbeit. —
Literatur: Ausführl. Verzeichnis2, S. 371. Schubart, 1000 Jahre am Nil, S. 89. — Erwähnt: 6, 1O;
6, 12; 10, 12; 16; 109, 1; 193.
1) Das ist eine Hauptforce der hellenistischen Alexandriner gewesen — gab's denn irgendwo soviele abnorme Fälle als
in dieser Großstadt? Wobei man nicht vergessen soll, daß die Fülle der Mißbildungen und krassen Abnormitäten in der
frühen Kaiserzeit auch in den kleinasiatischen Großstädten reichen Boden und Absatz fand. — Herodot II, 35, der erzählt,
daß die ägyptischen Männer die Lasten auf den Köpfen tragen, die Frauen auf den Schultern, läßt sich freilich mit
unserem Stück nicht vereinigen. — Der Markthändler, Korbträger ist auch sonst beliebt, Winter, Typ.-Kat. II, 451,8,
Furtwängler, Gemmen II, 140; vgl. auch die folgende Tafel 31, 326.
2) Dazu ist ein kleines Stück der Slg. Arndt heranzuholen, wo der gleiche Typ mit dem geflochtenen spitzen Hut,
Korb und Amphora am Tragbrett über der Schulter trägt. Vgl. auch S. 75, Anm. 188. Er trägt nur das περίζωμα und dünnen,
riesigen Phallos. Dazu zahlreiche Köpfchen, wohl zumeist solchen Volkstypen zugehörig, die jenen bekannten „Smyrnaer"
Karikaturen parallel stehen; eine schöne kleine Sammlung bei Arndt. Wichtig sind sie besonders zur Erklärung der Typen auf
den Nilbildern, der vielen Fischer, Händler usw. auf Gemmen, die wohl alle letztlich auf Alexandrien zurückzuführen sind.
Weber, Terrakotten. 25
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6. Händler (Tafel 30 und 31).
Ein selten schönes Stück (325). Wie über die krumme, kolossale Nase hinweg, aus dem Rahmen
der prognathen Backenknochen die geschwollenen Lider, die irren Äuglein stieren! Wie der
kahle Schädel verhöckert ist, der Riesenkopf in der Fettbrust drinsitzt! Wie die O-Beine
trippeln und der ganze Kerl die kleine Last keuchend schleppt. Der eingesetzte Riesenphallos
diente wohl als Lampe und erhielt das Figürchen aufrecht. Das ist ein Stück Karikatur, die
zum höhnisch lachenden Witz spielende Fertigkeit fügt; vor Kuriosa ist diese realistische
Kunst der Großstadtwitzbolde nicht bange gewesen1). Nicht minder frech, wenn auch viel
matter in der Ausführung ist der kurzbeinige alte Breitschädel mit dem unter dem Kittel
vorhängenden, schlaffen Phallos, der zwei bauchige, gefüllte Töpfe unter den Armen zum
Markt trägt2) (326).
325. Markthändler. (Tafel 30.)
Berlin 10 329. Fratzenhafter Alter, auf der 1. Schulter einen Fisch, in der r. Hand zwei
Hühner tragend und breit ausschreitend. In knochigen Schultern sitzt ein großer Kopf mit
hochgewölbtem, kahlen Schädel und hagerem, grotesken Gesicht; die niedrige Stirn stark ein-
gezogen an den Schläfen und über den wulstig vorspringenden plumpen Augenbögen, hinter
denen, tief beschattet, die kleinen Augen liegen. Eine klobige Nase mit (nach r.) verdrückter
Kuppe und dicken Flügeln zwischen markierten Backenknochen, unter denen die Wangen ein-
fallen. Vorspringendes, kurzes Untergesicht mit vorgeschobener Unterlippe und scharfem Kinn.
Große Ohren. Der Alte, den Kopf etwas nach r. geneigt, trägt auf der 1. Schulter auf mulden-
förmiger Schüssel, die er vorne stützt, einen großen Fisch, mit der seitlich leicht er-
hobenen R. faßt er zwei Hühner. Das r. kurze Bein ist zum Schritt gebeugt, der Fuß stark
auswärts gedreht. Ein grober, hemdartiger, bis zu den Knien reichender Kittel, von der r.
Schulter etwas herabgerutscht, liegt faltig auf der 1. und war wohl unter dem Hängebauch
gegürtet.
Rückseite (nicht ausgearbeitet). Ein Loch zum Einsetzen eines mächtigen Phallos. Kein
Brennloch. Im Nacken Öse zum Aufhängen.
Maß: H. 14,3 cm. — Herkunft: Angeblich aus dem Faijum. — Material: Lederbrauner Ton. —
Erhaltung und Arbeit: Vielfach gesprungen. Vorderschale vom r. Fuß schräg nach der r. Hüfte
abgebrochen. Rückschale tiefer erhalten. Gut mit der Hand nachmodelliert; vorzügliche Arbeit. —
Literatur: Ausführl. Verzeichnis2, S. 371. Schubart, 1000 Jahre am Nil, S. 89. — Erwähnt: 6, 1O;
6, 12; 10, 12; 16; 109, 1; 193.
1) Das ist eine Hauptforce der hellenistischen Alexandriner gewesen — gab's denn irgendwo soviele abnorme Fälle als
in dieser Großstadt? Wobei man nicht vergessen soll, daß die Fülle der Mißbildungen und krassen Abnormitäten in der
frühen Kaiserzeit auch in den kleinasiatischen Großstädten reichen Boden und Absatz fand. — Herodot II, 35, der erzählt,
daß die ägyptischen Männer die Lasten auf den Köpfen tragen, die Frauen auf den Schultern, läßt sich freilich mit
unserem Stück nicht vereinigen. — Der Markthändler, Korbträger ist auch sonst beliebt, Winter, Typ.-Kat. II, 451,8,
Furtwängler, Gemmen II, 140; vgl. auch die folgende Tafel 31, 326.
2) Dazu ist ein kleines Stück der Slg. Arndt heranzuholen, wo der gleiche Typ mit dem geflochtenen spitzen Hut,
Korb und Amphora am Tragbrett über der Schulter trägt. Vgl. auch S. 75, Anm. 188. Er trägt nur das περίζωμα und dünnen,
riesigen Phallos. Dazu zahlreiche Köpfchen, wohl zumeist solchen Volkstypen zugehörig, die jenen bekannten „Smyrnaer"
Karikaturen parallel stehen; eine schöne kleine Sammlung bei Arndt. Wichtig sind sie besonders zur Erklärung der Typen auf
den Nilbildern, der vielen Fischer, Händler usw. auf Gemmen, die wohl alle letztlich auf Alexandrien zurückzuführen sind.
Weber, Terrakotten. 25