Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/mitt_aegslg1914_text/0229

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Frisuren.

215

21. Frisuren (Tafel 34—35).
Sollte es einen Haarkünstler von heute nicht reizen, diese kecken, komplizierten Gebilde
(373-391) nachzuahmen, an ihnen seine Fertigkeit zu erproben? Sicher müßte er mit Brenn-
scheren, Lockenwicklern, Gestellen und Unterlagen, mit Ketten und Pfeilen, Kränzen und Bän-
dern, vor allem mit künstlichem Haar zu Felde ziehen, um gegen die älteren Fachgenossen zu be-
stehen. Wie kamen die Friseure zu diesen seltsamen Einfällen? Oder sollten es nur Spielereien
der Töpfer sein? Indem wir die Berliner Stücke, vermehrt um zahlreiche Parallelen in anderen
Museen1), kritisch durchmustern, entdecken wir zunächst, daß trotz aller Mannigfaltigkeit meh-
rere Gruppen sich feststellen lassen; und so zeigt sich vielleicht ein Weg zur Lösung der Frage.
Gruppen: I. 380-383; II. 384-387; III. 388, 390, 391; IV. 389; V. a. 374-377, 379; b. 373,
378. Tief über die Ohren gelegt sind bei allen die Haare, so daß nur die Gehänge2) sichtbar werden.
Gruppe I-IV hat die Hauptmasse der Haare auf der Kopfhöhe, V im Nacken aufgesteckt. Die
Frisuren bei I und II laufen nach oben spitz zu, so daß die größte Breite etwa in Augenhöhe ist,
das Gesicht also voll erscheint. III schließt oben breit ab und erzielt das Gegenteil: ein zierlich-
schmales Antlitz; bei V legt sich um das dicke Gesicht reifenartig die Frisur und steigert den
Eindruck des Massigen, während IV zwischen den Gruppen zu vermitteln strebt. Demnach sind
verschiedene Umrisse zu konstatieren, die man schematisierend geometrischen Figuren gleichen
könnte: Dreieck (z. B. 385), auf die Spitze gestelltes Dreieck (388), Rechteck (390), Raute (389),
Kreis (z. B. 375). Als Besonderheiten begegnen die unnatürlich hochgestellten Scheitel (Gruppe
I—III) und die flachen Hinterköpfe (388, 390), in erster Linie wohl Trachteigenheiten, wenn auch
die Töpfer aus technischen Gründen hier etwas übertrieben haben werden.
Einzelne Typen innerhalb der Gruppen: I. 380/813) Melonenfrisur (Beschreibung s.
380), 382/834) natürlich gewelltes Haar, das, gescheitelt, breit absteht. Der Zopf ist im Nacken steil
hochgenommen und über dem Wirbel zum Knoten gelegt (künstliches Haar?). Haarpfeile5). Plat-
tenschmuck.
II. Über der Stirn (4-6) schaufelförmige Wellen, seitlich das Haar weit abstehend. Sichel-
förmiges Diadem6) oder Plattenschmuck. Rückseite: Ähnlich wie I. Schiffchenförmiger Knoten
bei 386/87 (künstliches Haar?).
III. Die Vorderfrisur ist (wohl auf Gestell) steil in die Höhe gebaut, die Rückseite flach
muldenartig (viel künstliches Haar). Das feinste Stückchen 3887) trägt Scheitel, Zöpfchen um
den Kopf und eine große Haarschleife. 3908) eine Ringlöckchenfassade, darüber quer gelegter,

1) Die bedeutendste Sammlung von denen, die ich sah, besitzt das Musee Guimet.

2) Gruppe V hat meist ausmodellierte Ohrbommeln, bei den übrigen Stücken war vorher Schmuck aus Metall oder
bunten Steinen in die nur eingebohrten oder ganz durchgehenden Löcher gesetzt. Vgl. für Ohrbommeln, -ringe, -gehänge,
die Publikationen der Mumienporträts, zuletzt Petrie, Hawara, Portfolio 1913; auch die „Goldschmiedearbeiten" S. 87.

3) 380: vgl. Petrie Roman Ehnäs, L, 98 u. 100, Hildesheim, 500, 514, 499 und andere; 381 s. Gayet, Annales 30,
pl. 4, 3 u.1.

4) 382: Schmuck und Knoten, aber „Melonenfrisur", vgl. Schmidt, Graesk-Aeg. Terr. pl. XLIII, Fig. 118; auch
Gayet a. a. 0. pl. 4, 4, 3.

5) Haarpfeile (s. auch unten Nr. 373 u. 378) aus Metall waren wohl in die vorhandenen Löcher gesteckt; vgl. die Haar-
pfeile in den Frisuren auf Mumienbildern, sehr schön Petrie, Hawara Portfolio 1913, Taf. XVII u. XVIII; vgl. auch über Haar-
pfeile aus Holz oder Bein, Forrer, Gräber- u. Textilfunde v. Akhmim, S. 12 u. Fig. 9, Taf. I.

6) 385: Genaue Parallele Schmidt, Graesk-Aeg. Terr. pl. XLIII, Fig. 117; vgl. auch Gayet, a. a. 0. pl. 4, 3, ohne Diadem.

7). Vgl. Schmidt, Graesk-Aeg. Terr. pl. XL1V, Fig. 121, Dattari 1251, Taf. II.

8) Ähnlich Gayet a. a. 0. pl. 4, 1, 2; für die Form des Aufbaues vgl. ein Stück aus Sig. Arndt, auch Hildesheim 697 u. 707.
 
Annotationen