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Turmhaus.
3. Turmhaus (Tafel 41)
Die Terrakotte 467 ist eine Hängelampe mit zwei ganz kleinen Schnauzen, die kaum je in
Gebrauch waren. Ein Turmhaus ist in ihr zur Darstellung gekommen, das auf festem Unterbau
stehen soll. Vom überhöhten Erdgeschoß steigt man im Innern (Leiter, Treppe?) zum Haupt-
stock, einem in der Front zweifenstrigen Zimmer, und von da zur dreifenstrigen Dachstube empor,
deren Seitenwände, wohl aus statischen Rücksichten, risalitartig hinausgeschoben sind, so daß
zwei kleine Fenster das große Mittelfenster flankieren.
Über dem Fundament wird die Hauptmasse des Baues aus Nilsteinen und Holzgebälk be-
stehen; von letzterem ist eine Lage der Köpfe an der Front deutlich sichtbar gemacht. Das Dach
ist sicher aus leichtestem Material, eine, wohl nur mit Schilf oder dünnen Ziegeln gedeckte, flache
Holztonne.
Zu dieser interessanten Terrakotte hat sich m. W. keine vollständige und genaue Parallele
erhalten. Jedoch daraus auf Spielerei des Töpfers oder Vereinzelung des Vorwurfs zu schließen,
ist methodisch unzulässig. Denn zunächst beweist die bei aller Skizzenhaftigkeit große Sorgfalt
in der Ausführung, vor allem die Herstellung aus der Form, daß das Motiv gefiel. Dann aber
kommen ein Kalksteinfragment aus Naukratis1) und ein solches aus Nilschlamm, das in Sakkara
gefunden wurde2), soweit sie erhalten sind, dem unsrigen recht nahe: vom ragenden Turm sieht
man ein Stück der Front mit der Reihe der Balkenköpfe, beim ersten darüber (auch seitlich) ein
Fenster, beim andern darunter den oberen Rand der Tür. Es wäre aber unbillig, zu verlangen,
daß eines dieser Häuser dem andern gliche. Die ganze Mannigfaltigkeit, die das Leben gebiert,
muß auch in den kleinen Nachbildungen geherrscht haben;
das Prinzip allein, ein ragendes Haus zu errichten, ist für
uns wichtig3).
In den Papyri wird öfter bei der Beschreibung der
Immobilien der πύργος erwähnt4), der bisweilen zweistöckig5)
genannt wird, und mit dem Taubenschlag, mit Höfen und
Brunnen zur οικία gehört. Einzelne Häuser haben sogar
zwei πύργοι6). Diese sind in die Häuser eingebaut, andere
stehen isoliert. Ein Beispiel dieser zweiten Klasse ist unsere
Terrakotte.
Abb. 124.
Der Zweck der Bauten ergibt sich von selbst. Während der heißen Zeit, während der Nil-
überschwemmung dienten sie den Landbewohnern als Aufenthaltsort, besonders um sich den
Plagegeistern, den Mücken zu entziehen. Herodot führt dies als Grund an: τους μεν τά άνω τών έλέων
οικέοντας οί πύργοι ώφελέονσι, ές τούς άναβαίνοντες κοιμώνται (II, 95) 7). Mit diesem Zeug-
]) Naukratis I, pl. XVIII, 1.
2) Quibell, Exc. at Sakkarah 1905/06, 29 pl. XXX Nr. 4. Ferner vgl. Petrie, Memphis I pl. XXXIII. Bei beiden
falsch als Hausmodell bezeichnet.
3) Ich zähle darum die bei Löscheke, Bonner Jahrb. 1909, Taf. 36, 7 u. 8, ferner Milne, Hist, of Egypt under Roman
Rule 88, Fig. 76, die als Grabbauten und als „gateway" bezeichnet werden, ruhig hierher.
4) Die Stellen sind jetzt von P. M. Meyer, Pap. Giss. I, 3, 68, S. 52ff. zu Z. 16 gesammelt.
5) πύργος δίστεγος Oxy. II, 243, 15, 17, 28.
6) οικία διπυργία Oxy. III, 247, 23. P. Hamb. I, 14, 9. δίπνργος P. Lond. 348, 12; C. P. R. 28, 10.
7) Vgl. dazu auch P. Giss. I, 3, 68 adn. zu 16.
Turmhaus.
3. Turmhaus (Tafel 41)
Die Terrakotte 467 ist eine Hängelampe mit zwei ganz kleinen Schnauzen, die kaum je in
Gebrauch waren. Ein Turmhaus ist in ihr zur Darstellung gekommen, das auf festem Unterbau
stehen soll. Vom überhöhten Erdgeschoß steigt man im Innern (Leiter, Treppe?) zum Haupt-
stock, einem in der Front zweifenstrigen Zimmer, und von da zur dreifenstrigen Dachstube empor,
deren Seitenwände, wohl aus statischen Rücksichten, risalitartig hinausgeschoben sind, so daß
zwei kleine Fenster das große Mittelfenster flankieren.
Über dem Fundament wird die Hauptmasse des Baues aus Nilsteinen und Holzgebälk be-
stehen; von letzterem ist eine Lage der Köpfe an der Front deutlich sichtbar gemacht. Das Dach
ist sicher aus leichtestem Material, eine, wohl nur mit Schilf oder dünnen Ziegeln gedeckte, flache
Holztonne.
Zu dieser interessanten Terrakotte hat sich m. W. keine vollständige und genaue Parallele
erhalten. Jedoch daraus auf Spielerei des Töpfers oder Vereinzelung des Vorwurfs zu schließen,
ist methodisch unzulässig. Denn zunächst beweist die bei aller Skizzenhaftigkeit große Sorgfalt
in der Ausführung, vor allem die Herstellung aus der Form, daß das Motiv gefiel. Dann aber
kommen ein Kalksteinfragment aus Naukratis1) und ein solches aus Nilschlamm, das in Sakkara
gefunden wurde2), soweit sie erhalten sind, dem unsrigen recht nahe: vom ragenden Turm sieht
man ein Stück der Front mit der Reihe der Balkenköpfe, beim ersten darüber (auch seitlich) ein
Fenster, beim andern darunter den oberen Rand der Tür. Es wäre aber unbillig, zu verlangen,
daß eines dieser Häuser dem andern gliche. Die ganze Mannigfaltigkeit, die das Leben gebiert,
muß auch in den kleinen Nachbildungen geherrscht haben;
das Prinzip allein, ein ragendes Haus zu errichten, ist für
uns wichtig3).
In den Papyri wird öfter bei der Beschreibung der
Immobilien der πύργος erwähnt4), der bisweilen zweistöckig5)
genannt wird, und mit dem Taubenschlag, mit Höfen und
Brunnen zur οικία gehört. Einzelne Häuser haben sogar
zwei πύργοι6). Diese sind in die Häuser eingebaut, andere
stehen isoliert. Ein Beispiel dieser zweiten Klasse ist unsere
Terrakotte.
Abb. 124.
Der Zweck der Bauten ergibt sich von selbst. Während der heißen Zeit, während der Nil-
überschwemmung dienten sie den Landbewohnern als Aufenthaltsort, besonders um sich den
Plagegeistern, den Mücken zu entziehen. Herodot führt dies als Grund an: τους μεν τά άνω τών έλέων
οικέοντας οί πύργοι ώφελέονσι, ές τούς άναβαίνοντες κοιμώνται (II, 95) 7). Mit diesem Zeug-
]) Naukratis I, pl. XVIII, 1.
2) Quibell, Exc. at Sakkarah 1905/06, 29 pl. XXX Nr. 4. Ferner vgl. Petrie, Memphis I pl. XXXIII. Bei beiden
falsch als Hausmodell bezeichnet.
3) Ich zähle darum die bei Löscheke, Bonner Jahrb. 1909, Taf. 36, 7 u. 8, ferner Milne, Hist, of Egypt under Roman
Rule 88, Fig. 76, die als Grabbauten und als „gateway" bezeichnet werden, ruhig hierher.
4) Die Stellen sind jetzt von P. M. Meyer, Pap. Giss. I, 3, 68, S. 52ff. zu Z. 16 gesammelt.
5) πύργος δίστεγος Oxy. II, 243, 15, 17, 28.
6) οικία διπυργία Oxy. III, 247, 23. P. Hamb. I, 14, 9. δίπνργος P. Lond. 348, 12; C. P. R. 28, 10.
7) Vgl. dazu auch P. Giss. I, 3, 68 adn. zu 16.