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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Tamburinschlagende Göttin (Nr. 240).

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des Zwergengottes. Da sie aber unter den Tamburinschlägerinnen nicht zwergenhaft vorkommt,
mag sie eher eine Form der Bubastis oder der Hathor sein.
Eines bleibt noch zu erwähnen: Die Darstellungen der tanzenden, musizierenden Bese9)
sind mythologische Motive und darum wohl immer bewußt geblieben10). Aber auch der Ritus der
Feste, der mit Vorliebe mythologische Bilder den Gläubigen vor Augen führt, muß den Opfer-
tanz um den Altar, den das Paar11) in wildem Taumel ausführt, bewahrt haben. Wenigstens
zeigt ein Herkulaner Wandbild die gleiche Szene in der Isisprozession. Voll gläubiger In-
brunst stehend, in leidenschaftlicher Hingabe auf die Knie gesunken, begrüßen einzelne, um
einen Altar gruppiert12) — also im Tempelhofe — die heilige Prozession, die eben im geschmückten
Portal heimkehrend erscheint13). Ein brauner Mann mit wogendem Kopfschmuck tanzt allen
voran, hinter ihm kommen Frauen und Kinder, eine zur Linken schlägt die Pauke. Der Tan-
zende, die Musikantin entsprechen unserer Gruppe. Maskiert als Bes zog also hier ein Kult-
genosse der Prozession voraus, ihm folgte das heilige Orchester. So stellt unsere Terrakotte auch
die Verbindung zwischen -Riten des Isiskults im Reich und den ägyptischen Vorbildern her14).
240. Göttliche Musikantin. (Tafel 24.)
Berlin 9170. Auf hoher glatter Basis steht eine Frau (?) in Vordersicht mit leicht ge-
spreizten Beinen. Sie stützt die R. in die Hüfte. Der 1. Arm, seitlich gebeugt, umschließt den
unteren Rand der (zu klein geratenen) Pauke, die sie gegen Oberarm und Schulter drückt.
Unter dem langärmeligen, weiten Hemd üppige Körperformen. Auf den Haaren (Stirnlöckchen

9) Ballod 82f. hat den Namen hitj, hjt, üc für den tanzenden Zwerggott erschlossen. Ich bleibe absichtlich bei dem „Bes",
den wir aus Athenaeus 497d als den ορχηστήν Βησαν Αιγύπτιον- δς λίγυν ήχον σαλπίζει kennen: Pauly Wiss. III, 1, 324ff. (Sethe)
s. auch unten S. 158 Anm. 7. (Von einem Παν χορευτής der ägypt. Priester redet schon Pindar, Frg. 99, Christ.), höj scheint
den Griechen nicht bewußt geworden zu sein.

10) Junker, Auszug der Hathor 28, 45/6, 86. Ballod 27, 82f. Sethe, Urkunden V, 3, 24.

]1) Berlin, Äg. Mus. Photo 6979 (jetzt Hildesheim) zeigt auch das Paar. Er trägt eine Schlange; sie m. d.Tympanon
und seinem Fell (?) auf ihn zutanzend.

12) W. Weisbach, Impressionismus in Leben und Kunst I, 29f. hat die starke malerische Leistung dieser Bilder richtig
gewürdigt. Ich hatte das nachdrücklich, Untersuchungen S. 46, verlangt und freue mich über dies kundige Urteil. Wie
tief der Impressionismus mit seiner herrlichen Kraft in der alexandrinischen Malerei, zu der dies Bild und sein Gegenstück
dem ganzen Vorwurfe nach gehören, wurzelt, zeigen Bilder wie das Porträt der Frau Aline, Berlin 11411, oder das aus
Hawara, das Petrie, The Hawara Portfolio. Paintings of the Roman Age 1913, Taf. XI (Carlsberg) eben veröffentlicht. Man
soll doch nur daran denken, daß die Hawarakünstler kein selbstschöpferisches Künstlerdorf waren, sondern aus der Zentrale
ihre Anregungen bezogen.

13) Der Bau scheint ein einfaches Portal mit glattem Horizontalabschluß, an das r. u. 1. Umzäunung und Palmen heran-
treten. Palmzweige sind als Schmuck außen und innen angebracht. Der Braune tanzt vor hellem Hintergrund, — kann die
Lichtquelle im dunkeln Tempel liegen? Zuschauende stehen r. u. 1. an und hinter den Türpfosten, wartend. Von den
lichten Scharen seines Gefolges hebt sich der dunkle Umriß des Tänzers stark ab (ein eminentes Helldunkelmotiv). Zum
Tänzer s. auch oben S. 139, Anm. 8. Der Priester mit dem Sistrum schritt voraus, stieg eben die Treppe herab. Man kehrt
also heim, tritt in den Tempelhof ein, begrüßt von den wenigen Offizianten. (An ein Heraustreten aus dem Tempel ist gar
nicht zu denken, da das Volk, wie das Gegenstück zeigt, gar nicht im Tempel sich aufhält.) Bes als Priester S. 74.

14) Daran schließe ich vermutungsweise eine weitere Bemerkung. Apuleius XI, 8f. schildert die Prozession zu den
πλοιαφέσια (Deubner, Ath. Mitt. 1912, S. 180 f.) im Frühling. Isis, der Erschließerin der Meerespfade („εγώ τά θαλάσσια έργα
εύρα" sagt sie von sich) gilt das Fest. Sie ist wohl erst Herrscherin dieses Elements geworden, als die Diener der Pharia,
die Alexandriner, das Meer sich eroberten. Viele rein alexandrinische Elemente sind in der Prozession von Kenchreae nach-
zuweisen (s. auch Anm. 4). Die Festriten müssen in Alexandrien gestaltet sein. Nun zeigt das Herculaner Bild als Prozessions-
beginn den schwarzen Tänzer, in der Prozession von Kenchreae zieht der Mummenschanz bekannter Typen, oblectationes
ludicrae, am Anfang. Wo hat das seinen Ursprung? Im allgemeinen im Bedürfnis der Propaganda. Aber hinter Umbildungen,
Vergröberungen muß ein rein ägyptisches, mythologisches Bild stehen. Eine Analogie könnte weiterhelfen: Hathor, das
Sonnenauge, die von Nubien heimgeholt wird, ist von musizierenden, tanzenden, jubelnden Besgöttern und Affen begleitet (Lit.
Anm. 10). Denkt man sich dies mythologische Bild im Festritual (analog S. 41 Anm. 54) dargestellt, so ist es eine heim-
kehrende Prozession wie die des Herculaner Bildes und die Maskerade der Bese und h^tj würde dem Mummenschanz bei
Apuleius entsprechen. Der Schiffswagen (s. auch unten S. 256) für Isis, auch die Schiffsreisen der Götter sind bekannt, Isis auf
dem Schiff ist als statuarisches Werk sogar in Städten des Binnenlandes aufgestellt (z. B. Reste in Benevent, Museo della
Prefettura). Bevor sie zum Meer die Beziehung hatte, die sie ihrer pantheistischen Veranlagung verdankte (πλοιαφέσια), war
sie auf dem Nil wie alle ägyptischen Götter gefahren. Ist darum die Zeremonie der πλοιαφέσια aus der äg. Schiffs-
prozession abgeleitet?

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