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Weber, Wilhelm; Königliche Museen zu Berlin / Ägyptische Abteilung
Mitteilungen aus der Ägyptischen Sammlung: Text — Berlin, 2.1914

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Hermes.

175


Abb. 100.

Dieses Durcheinander von einfachen und erweiterten Formen, an die der Glaube der
Individuen sich nicht binden ließ (Anm. 2), nötigt auch zur Vorsicht in der Beurteilung der
Zeugnisse, die für die Verbreitung des Hermeskults in Ägypten in Betracht kommen10): wir
wissen nicht immer, ob der Kult mehr griechisch oder mehr ägyptisch sich vollzog.
2. Die Figuren 294, 295 ergänzen sich gegenseitig: Es ist das Bild des jugend-
lichen Widderträgers, ein sehr alter griechischer Typus, der bekanntlich in die
frühchristliche Plastik als der ,gute Hirte' übergegangen ist 11). Einmal scheint er
die nubische Haartracht, Drehlocken, zu tragen (294); er trägt die Tracht des
gemeinen Mannes, den Leibrock 12) (darin trifft mit ihnen die Gruppe der sicher
christlichen Bilder zusammen); aber die Hirtentasche fehlt 13), so daß nicht sofort
die Auffassung als Hirte geboten ist. Dem Stil nach ist 294 wenigstens un-
bedingt zu Stücken der besseren Zeit zu stellen; eher an die Wende des 2. zum
3., als des 3. zum 4. Jahrh. Da die Tracht wie das Motiv keine ganz einwand-
freie Antwort erteilen, ob die Figuren heidnischen Ursprungs, somit genrehaft
oder religiösen Inhalts, oder ob sie christliche und zwar dann die ältesten

rundplastischen Darstellungen des Gleichnisses vom Seelenhirten sind, müssen allgemeine
Erwägungen dazutreten 14).
Gibt man zu, daß die Christen das Gleichnis vom Seelenhirten, so einfach es ursprüng-
lich ist, jüdischer Formulierung entnommen haben, so bleibt doch einwandfrei bestehen,
daß die künstlerische Ausgestaltung unseres Typs griechisches Gut ist: in dieser Kunst sind
zunächst einfache Inhalte im Bilde verwirklicht; erst später ist in solche Bilder das Gleichnis
hineingeheimnist, das auch dem Ägypter nicht unbekannt ist 15). In griechischen Kreisen
Ägyptens, auf die es hier ankommt, ist das Motiv beliebt und sogar variiert worden.
Wir kennen noch das Figürchen eines Hermes Kriophoros 16), der allerdings wieder nackt ist, lesen
die Beschreibung eines Hirtengottes mit Stab und Tasche 17), finden Variationen des Motivs
wie den Herakles, der die Hirschkuh auf den Schultern trägt 18), einen Gott (Hermes?), auf
dessen Schultern ein Kalb ruht 19).
Wenn all dieses dürftig zeigt, daß verschiedene Ausgestaltungen des Tierträgers noch im

1°) Έρμαια z. Β. in Arsinoe (P. Fior. I, 44, 6), Soknopaiu Nesos (Wilcken, Archiv III, 238), Kerkeosiris (P. Teb. I,

88, 53), Oxyrhynchos (P. Oxy. II, 242, 12; 243, 14), Hermopolis (P. Straßb. I, 33; P. Fior. I, 50, 97, Münzen), σφραγ'ις

Έρμου, P. Oxy. III, 489, 24; 492, 22, 33. Eine Lampe, Hexalychnos (Berlin 12 684; L. 22,8, Br. 7,6, H. 3,5 cm; ziegelroter

Ton) hat als Aufschrift Τρισμέγιστος Θεός, und als Griff eine, jetzt fehlende, Sitzstatue, wohl zu ergänzen nach Petrie, Ehnäs

XLVI, 16. Έρμης ανίκητος, Wilcken, Chrest., Nr. 15.

1!) Beispiele bei Reinach, Rep. II, 2, 551—53; Löwy, Österr. Jahresh. XIV, 7 u. sonst. Lit. bei Strzygowski, Röm.

Quartalsschrift 4, 96ff.; Krebs, Logos, 1910, 139, 2.

12) Der Typ gewöhnlich unbekleidet; aber vgl. Löwy, Fig. 15; Reinach 551, 4; 552, 4, 5, die so wenig christlich er-

scheinen wie andere, 553, 3—6, s. weiter unten.

13) Das ist freilich nicht ganz sicher, da sie aufgemalt gewesen sein kann.

14) Vgl. die Bemerkungen bei Krebs, a. a. 0. 139.

15) Vgl. die Nachweise bei Reitzenstein, Poimandres 31, 4. Dazu auch Griffith, Demotic mag. pap. at Leyden 25:
„0 beautiful oxherd, my compeller", m. d. Anm. S. 24, wo er an den Χριστός "Ανονβις des Zauberpapyrus erinnert, Leyd.
pap. gr. V, VI, 17. Letzterer muß als falsch gelesen gestrichen werden, wie mir Κ. Preisendanz schreibt.

16) Terr. in Karlsruhe H. 767; vgl. auch Schmidt, Graesk-Aeg. Terr. XXXV, Fig. 87.

17) Reitzenstein a. a. 0. 30f.

18) S. unten zu Ν. 303.

19) Petrie, Roman Ehnäs pl. XLV, 11. „Hermes Μοσχοφόρος, from a Hellenistic work of Hadrians age (?) imitating
archaic style". So Petrie. Abweichend vom alten Μοσχοφόρος (Löwy, Fig. 4) ist die Haltung der Vorderbeine (en face), die ich
so nicht kenne. Die altertümlichen Löckchenreihen über der Stirn und zu Seiten der runden Backen kehren bei dem fast neger-
haften Gott mit Schild und Doppelaxt, Chiton und Mantel wieder, der aus Ehnäs XLVI, 9 und L 110, 111, 112 rekonstruiert
werden kann. Es scheint mir für die Frage des Fortlebens der Großplastik von einigem Wert, gerade auf diesen Μοσχοφόρος
hinzuweisen.
 
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