Der Deutsche Krieg im Deutschen Gedicht.
Wiegenlied im Krieg zu singen.
Vater ist im Kriege!
Pflückt dir zivei große Siege;
zwei große Siege, rund und rot —
schlaf ein! schlas ein! 's hat keine Not:
Vater ist im Kriege!
Zu daS Plappcrmäulchen!
Der Vater bringt cin Gaulchen,
cin Gäulchen bringt der Vater mit,
läuft immer Trab, geht niemals Schritt:
Iu das Plappermäulchen!
Nun die Augen schließen!
Der Vater, der tut schießen,
der Vater schießt die Feinde tot,
mein Kind schläft sich die Backen rot:
Nun die Augen schließen!-
Saaten sind die Kriege!
Schlaft nur in eurer Wiege,
schlaft, Kinder, euch gesund und groß,
die Früchte falln in euren Schoß:
Saaten sind die Kriege!
Hans Franck.
Denken an den Freund bei Nacht.
Früh kommt in diesem bösen Jahr der Herbst.
Ich geh bei Nacht im Feld, den kalten Wind am Hut,
der Regen klirrt . . . Und du? llnd du, mein Freund?
Du stehst — vielleicht -- und siehst den Sichelmond
im kleinen Bogen über Wälder gehn
und Biwakfeuer rot im schwarzen Tal.
Du liegst — vielleicht — im Feld auf Stroh und schläfst
und über Stirn und Waffenrock fällt kalt dcr Tau.
Kann sein, du bist zu Pferde diese Nacht,
Vorposten, spähend unterwegs, Revolver in der Faust,
flüsternd und kosend mit dem müden Gaul.
Vielleicht — ich denk mirs so — bist du die Nacht
in einem fremden Schloß und Park zu Gast
und schreibst bei Kerzenlicht an einem Brief,
und tippst am Flügel im Vorübergehn
an klingende Tasten —
llnd vielleicht
bist du schon still, schon tot? Und deinen lieben
ernsthaften Augcn scheint der Tag nicht mehr,
und deine liebe braune Hand hängt welk,
und deine wciße Stirne klafft —. O hätt ich,
hätt ich dir einmal noch am letzten Tage
dir etwas noch gezeigt, gesagt "
von meiner Liebe, die zu schücbtern war!
Du kennst mich ja, du weißt.Und lächelnd nickst
du in die Nacht vor deinem fremden Schloß,
und nickst auf deinem Pferd im nassen Wald,
und nickst im Schlaf auf deiner harten Streu,
und denkst an mich, und lächelst.
, Und vielleicht,
vielleicht kommsi du einmal vom Krieg zurück
und eines Abends trittst du bei mir ein.
man spricht von Lüttich, Longwy, Dammerkirch,
und lächelst ernst, und alles ist wie emst,
und keiner sagt ein Wort von semer Angst,
von seiner Liebe. Und mit einem Witz
wirfst du die Angst, dcn Krieg, die bangen Nachte,
das Wetterleuchten scheuer Viannersreundschaft^
ins kühle Nichtgewesensein zurück.
Hermann Hesse.
/^eschlechterkampf*.
Dieser Kricg ist über alle Gegensätze der Rassen
und Nationen hinaus zu etwas viel Schlimmerem ge-
wordcn: zu einer Art von Kanipf zwischen 'zwei ver-
schiedenen Geschlechtern.
Ein Strindberg täte not, dcr mit all der bitteren
Analyse des Wissenden hineinleuchte in die hoffnungs-
lose Tragik dieses Geschlechterkampfs, den unsere Männ-
lichkeit nun auszukänipfen hat niit der um keine phan-
tastische Selbsttauschung verlegenen Hysterie unserer
Feinde.
Wir werden siegen in diesem Kampf; werden siegen
mit den aufs höchste angespannten MuSkeln unserer
geistigen Energien, werden siegen nicht zuletzt auch mit
der Gewalt unserer so glänzend organisierten und
disziplinierten körperlichen Energien, mit jener Körper-
kraft, die man brutal nennen mag, die aber anbetungs-
würdig ist, wenn man es mit einer verzweifelten, un-
berechenbaren Schaden stiftenden Hysterie zu tun hat.
Aber wie wird uns dieser Sieg trotz aller jubelnden
Genugtuung schmerzen, wie wird unser Lachen am Aiel
entstcllt sein durch die Schatten eines unterirdischen
Grams, durch die aufzuckende Erkenntnis, daß solche
Hysterie nur unschädlich gemacht, nicht aber eigentlich
besiegt werden kann. Wir werden dasitzen, wie dic
Strindbergschen Männer dasitzen, wenn die Schlacht
geschlagen und sie äußerlich daS Feld behaupten, werden
dasitzen mit einem durch heimlichen Ekel verzerrten
Lachen und niit einem allen Sicgestriuniph langsani
aufsaugcnden Ohnmachtsgefühl. Denn das letzte Wort
wird doch die Frau niit ihrer Hysterie behalten und, was
schlimmer ist, auch den letzten Äpplaus.
Wo ist je der Kampf gewesen zwischen männlichem
Rechtsgefühl und weiblicher Hystcrie, wo die Frau nicht
die applaudierenden llnbeteiligten auf ihrer Seite gehabt
und alles gedankenlose Publikumsmitleid mobil gemacht
hätte gegen den brutalen Vergewaltiger ihrer armen
lügenhaften Seele! Was wollen männliches Rechts-
bewußtsein und männliche Logik ausrichten gegen
hemmungslose weibliche Gefühlösophistik, die mit der
katzenhaften Geschmeidigkeit der Sclbstvertcidigung jeden
Sieg dcr männlichen Logik und mälinlichen Kraft so
umzudeuten weiß, daß er am Ende zu ciner moralischen
Niederlage für den Mann wird! Wer kennt nicht das
alte traurige Spiel, das den Geschlechterkampf so ver-
giftet?
pe r-Lwo, e,n acriegstageduch dcr Künstler", das
unter der Schnftleitung von Fr. M. Huebncr im Graplnk-Verlaa
Muncben, erscheint. Siehe Bespreckung Seite 39
Wiegenlied im Krieg zu singen.
Vater ist im Kriege!
Pflückt dir zivei große Siege;
zwei große Siege, rund und rot —
schlaf ein! schlas ein! 's hat keine Not:
Vater ist im Kriege!
Zu daS Plappcrmäulchen!
Der Vater bringt cin Gaulchen,
cin Gäulchen bringt der Vater mit,
läuft immer Trab, geht niemals Schritt:
Iu das Plappermäulchen!
Nun die Augen schließen!
Der Vater, der tut schießen,
der Vater schießt die Feinde tot,
mein Kind schläft sich die Backen rot:
Nun die Augen schließen!-
Saaten sind die Kriege!
Schlaft nur in eurer Wiege,
schlaft, Kinder, euch gesund und groß,
die Früchte falln in euren Schoß:
Saaten sind die Kriege!
Hans Franck.
Denken an den Freund bei Nacht.
Früh kommt in diesem bösen Jahr der Herbst.
Ich geh bei Nacht im Feld, den kalten Wind am Hut,
der Regen klirrt . . . Und du? llnd du, mein Freund?
Du stehst — vielleicht -- und siehst den Sichelmond
im kleinen Bogen über Wälder gehn
und Biwakfeuer rot im schwarzen Tal.
Du liegst — vielleicht — im Feld auf Stroh und schläfst
und über Stirn und Waffenrock fällt kalt dcr Tau.
Kann sein, du bist zu Pferde diese Nacht,
Vorposten, spähend unterwegs, Revolver in der Faust,
flüsternd und kosend mit dem müden Gaul.
Vielleicht — ich denk mirs so — bist du die Nacht
in einem fremden Schloß und Park zu Gast
und schreibst bei Kerzenlicht an einem Brief,
und tippst am Flügel im Vorübergehn
an klingende Tasten —
llnd vielleicht
bist du schon still, schon tot? Und deinen lieben
ernsthaften Augcn scheint der Tag nicht mehr,
und deine liebe braune Hand hängt welk,
und deine wciße Stirne klafft —. O hätt ich,
hätt ich dir einmal noch am letzten Tage
dir etwas noch gezeigt, gesagt "
von meiner Liebe, die zu schücbtern war!
Du kennst mich ja, du weißt.Und lächelnd nickst
du in die Nacht vor deinem fremden Schloß,
und nickst auf deinem Pferd im nassen Wald,
und nickst im Schlaf auf deiner harten Streu,
und denkst an mich, und lächelst.
, Und vielleicht,
vielleicht kommsi du einmal vom Krieg zurück
und eines Abends trittst du bei mir ein.
man spricht von Lüttich, Longwy, Dammerkirch,
und lächelst ernst, und alles ist wie emst,
und keiner sagt ein Wort von semer Angst,
von seiner Liebe. Und mit einem Witz
wirfst du die Angst, dcn Krieg, die bangen Nachte,
das Wetterleuchten scheuer Viannersreundschaft^
ins kühle Nichtgewesensein zurück.
Hermann Hesse.
/^eschlechterkampf*.
Dieser Kricg ist über alle Gegensätze der Rassen
und Nationen hinaus zu etwas viel Schlimmerem ge-
wordcn: zu einer Art von Kanipf zwischen 'zwei ver-
schiedenen Geschlechtern.
Ein Strindberg täte not, dcr mit all der bitteren
Analyse des Wissenden hineinleuchte in die hoffnungs-
lose Tragik dieses Geschlechterkampfs, den unsere Männ-
lichkeit nun auszukänipfen hat niit der um keine phan-
tastische Selbsttauschung verlegenen Hysterie unserer
Feinde.
Wir werden siegen in diesem Kampf; werden siegen
mit den aufs höchste angespannten MuSkeln unserer
geistigen Energien, werden siegen nicht zuletzt auch mit
der Gewalt unserer so glänzend organisierten und
disziplinierten körperlichen Energien, mit jener Körper-
kraft, die man brutal nennen mag, die aber anbetungs-
würdig ist, wenn man es mit einer verzweifelten, un-
berechenbaren Schaden stiftenden Hysterie zu tun hat.
Aber wie wird uns dieser Sieg trotz aller jubelnden
Genugtuung schmerzen, wie wird unser Lachen am Aiel
entstcllt sein durch die Schatten eines unterirdischen
Grams, durch die aufzuckende Erkenntnis, daß solche
Hysterie nur unschädlich gemacht, nicht aber eigentlich
besiegt werden kann. Wir werden dasitzen, wie dic
Strindbergschen Männer dasitzen, wenn die Schlacht
geschlagen und sie äußerlich daS Feld behaupten, werden
dasitzen mit einem durch heimlichen Ekel verzerrten
Lachen und niit einem allen Sicgestriuniph langsani
aufsaugcnden Ohnmachtsgefühl. Denn das letzte Wort
wird doch die Frau niit ihrer Hysterie behalten und, was
schlimmer ist, auch den letzten Äpplaus.
Wo ist je der Kampf gewesen zwischen männlichem
Rechtsgefühl und weiblicher Hystcrie, wo die Frau nicht
die applaudierenden llnbeteiligten auf ihrer Seite gehabt
und alles gedankenlose Publikumsmitleid mobil gemacht
hätte gegen den brutalen Vergewaltiger ihrer armen
lügenhaften Seele! Was wollen männliches Rechts-
bewußtsein und männliche Logik ausrichten gegen
hemmungslose weibliche Gefühlösophistik, die mit der
katzenhaften Geschmeidigkeit der Sclbstvertcidigung jeden
Sieg dcr männlichen Logik und mälinlichen Kraft so
umzudeuten weiß, daß er am Ende zu ciner moralischen
Niederlage für den Mann wird! Wer kennt nicht das
alte traurige Spiel, das den Geschlechterkampf so ver-
giftet?
pe r-Lwo, e,n acriegstageduch dcr Künstler", das
unter der Schnftleitung von Fr. M. Huebncr im Graplnk-Verlaa
Muncben, erscheint. Siehe Bespreckung Seite 39