bau unserer nächsten Umgebung ist dem Menschen ver-
loren gegangen mit der Entgötterung des All. Das
heißt ohne moralisieren zu wollen — wir hatten so lange
tüchtige Handwerker und Architekten, bauten so lange
zweckmäßige Häuser und legten entsprechende Gärten an,
wie wir herrliche Kirchen bauten, also wie die Religion
noch nicht zum Surrogat herabgesunken war, das die
Masse gedankenlos hinnimmt, auf das die Gebildeten
verzichten. Man sieht, die Wiedergeburt ist nicht so ein-
fach und kann kaum vom Lehrstuhl der Asthetik aus
dirigiert werden. Noch weniger freilich durch die Ein-
führung des heutigen obligaten Religionsunterrichtes auf
den Gewerbeschulen. Das aber ist Tatsache: seitdem die
Menschen die „innere Harmonie" verloren haben, will
sagen die, die ihren Angelpunkt im Transzendenten hat,
haben sie auch die Fähigkeit für eine organische Gestal-
tung des Außeren verloren. Nur an den Organismus
kristallisiert sich das Lebendige, nicht an den Mechanismus.
So wurde Haus und Garten als ein Abbild der
Seelenverfassung eines Volkes, einer Ieit von jeher zu-
gleich; der raffinierteste Lurusgarten, der Lenötre's, ist
seinem Wesen nach nur eine Steigerung der ursprüng-
lichen und geheimsten Gesetze des Naturgartens, der für
uns allein bestimmend sein kann, weil nur er den Men-
schen in selbsttätigen Konner zur Natur setzt, darin Wesen
und Wirkung des Gartens beruht. Mit der Garten-
kultur steigt und fällt der seelisch-produktive Gehalt eines
Volkes. Sie ist also nicht Sache der Fachleute, sondern
jedes einzelnen. Nach dieser Richtung aber sieht es
heute schlimmer aus denn je. Hier ist es an jedem,
Kenntnisse zu erwerben, nicht in bezug aufs Jndividuelle
Forderungen zu stellen. Welche Kenntnisse hatte insofern
noch in der vorigen Generation jeder intelligente Haus-
besitzer, wieviel verstand er von der Herstellung und Ver-
wendung aller Geräte in Haus und Hof; heute überläßt
man das „Wertheim". Sollte nun aber gar „Wertheim"
die Jnstandhaltung des neuen Gartens übertragen wer-
den, so fürchte ich, daß er trotz seiner geometrischen Kon-
struktion nie zu eigenem Leben erwacht. —
Wer je in seiner Jugend am Abend bei sinkender
Sonne mit einer schwergefüllten Gießkanne die Garten-
wege abgeschritten ist, die Beete zu wässern, wird sich
erinnern, wie er in solchen Momenten oft unverhofft
innehielt, die Stille, die von allcn Seiten mit den Schatten
aus den Sträuchern auf ihn eindrang, die Schleusen
seiner Seele öffnete und sein Blick süß beunruhigt und
ahnungsvoll zugleich am fernen Blinken des ersten
Sternes hing oder in Angst und Sehnsucht der scharfen
im grünen Ather segelnden SicheldesMondeSnachschaute.
So wiederfinden wir im Garten die Sammlung
unseres Lebens, rufen in der Erinnerung an in Gärten
verbrachte Stunden den süßesten Jnhalt unserer Jugend
zurück: Jn der Erinnerung an alte Klostergärten, in
denen am Morgen die Vögel den Tau aus den Kelchen
der Lilien trinken, noch ehe die Hand zur Arbeit sich regt,
die wilden Bienen geschäftig in den Beeten der Heil-
kräuter sich ergehen, am ruhenden heißen Mittag auf
den hohen schwanken Wipfeln alter Kastanien der Kuckuck
ruft und am alle Regungen entspannenden Abend in
den Büschen am Wege die Nachtigall trauert.
Rudolf Klein-Diepold.
in Plan zu einem Blücherdenkmal
auf der Rheinpfalz bei Caub vor
1OO Jahren.
Den Denkmälern der Großen unserer glorreichen
Vorzeit soll sich das rheinische Bismarckdenkmal an-
reihen. Da unter den Plänen auch die Jdee einer
Kolossalstatue vertreten wurde, dürfte als eine Er-
gänzung dazu der schon Ende 1814 aufgetauchte Gedanke
einer Kolossalstatue Blüchers, den gerade auch das
Rheinland in Ehren hält, von Jnteresse sein.
Der Berliner Architekt Ludwig Friedrich Catel
(1776—1812) — der ältere Bruder des berühmten Land-
schafts- und Historienmalers Franz Catel(1778—1856) —
der sich seit 1812 viel mit Kriegsbaukunst beschäftigte*)
und dem — wie G. K. Nagler in seinem Neuen
allgemeinen Künstlerlerikon (München 1835, Bd. 2,
S. 434—435) bemerkt —- auch wegen seines „Patriotis-
mus eine dankbare Erwähnung gebührt", war der Mann,
der diesen Entwurf skizzenartig in einer im Dezember
1814 im Berliner Kunstverein gehaltenen Vorlesung
behandelte, angeregt durch die „Aufforderung der Be-
wohner des Niederrheins zu einem Denkmal Blüchers,
des Befreiers des Stromes vom fremden Joche".**)
Catel, unter dessen Stichen, die bei Astaria in München
und Wien erschienen, auch die Rheingegend bei Caub
vorliegt, wie er selbst angibt, hält die Pfalz selbst für den
geeignetsten Punkt für das Denkmal.
„Jch bin der Meinung, daß dieses Denkmal am
schicklichsten in einer auf dem Turm der Burg zu er-
richtenden Statue des Helden zu Pferde bestehen würde.
Demgemäß habe ich folgenden Plan zu diesem Denkmal
entworfen: Die Gemäuer der vorhandenen Burg könn-
ten zu diesem Awecke so umgestaltet werden: die alte
Grundlage soll vollkommen erhalten bleiben. Jn seinem
Jnneren werden kasemattierte Kasernen für eine Kom-
pagnie Jnvaliden angelegt. Eine in das Gemäuer ein-
zubrechende Fensterreihe wird den Aimmern das ge-
hörige Licht gewähren. Sie sind, in der Art der ältesten
deutschen Baukunst zu Karls des Großen Aeit, mit
Kreisbogen überwölbt. Jn einem ähnlichen Stil sind
vier Galerien erbaut, welche die vier Seiten des Ge-
bäudes umgeben. Diese Galerien bestehen aus Bogen-
gängen von Granitsäulen, an deren Kapitäle, dem Geist
jener Aeit gemäß, Embleme der kriegführenden Mächte
als Wappentiere zur Verzierung angebracht sind. An
den vier Ecken befinden sich vier heraustretende runde
Türme und Schießscharten für Kanonen, um bei feier-
lichen Gelegenheiten Signale zu geben. Auf den Spitzen
der Türme unterstützen vier vergoldete Adler die Flaggen
der vier verbündeten Mächte: Preußen, Rußland,
*) Catel legte in Berlin eine Stuckmosaiken-Fabrik an, deren
reger Tätigkeit das Weimarer Schloß z. T. seine Schönheit ver-
dankt. 1809 leitete Catel die innere Cinrichtung des Schlosses zu
Braunschweig.
**) Mitgeteilt ist diese Vorlesung im Aachener „Journal für
den Nieder- und Mittelrhein", Januar- und Febrriar-Nuinmern
1815. — Dem Koblenzer Besiher dieser Zeitung, Herrn Oberst-
leutnant z. D. Amlinger, sage ich auch an dieser Stelle meinen
besten Dank für die freundliche llberlassung.
loren gegangen mit der Entgötterung des All. Das
heißt ohne moralisieren zu wollen — wir hatten so lange
tüchtige Handwerker und Architekten, bauten so lange
zweckmäßige Häuser und legten entsprechende Gärten an,
wie wir herrliche Kirchen bauten, also wie die Religion
noch nicht zum Surrogat herabgesunken war, das die
Masse gedankenlos hinnimmt, auf das die Gebildeten
verzichten. Man sieht, die Wiedergeburt ist nicht so ein-
fach und kann kaum vom Lehrstuhl der Asthetik aus
dirigiert werden. Noch weniger freilich durch die Ein-
führung des heutigen obligaten Religionsunterrichtes auf
den Gewerbeschulen. Das aber ist Tatsache: seitdem die
Menschen die „innere Harmonie" verloren haben, will
sagen die, die ihren Angelpunkt im Transzendenten hat,
haben sie auch die Fähigkeit für eine organische Gestal-
tung des Außeren verloren. Nur an den Organismus
kristallisiert sich das Lebendige, nicht an den Mechanismus.
So wurde Haus und Garten als ein Abbild der
Seelenverfassung eines Volkes, einer Ieit von jeher zu-
gleich; der raffinierteste Lurusgarten, der Lenötre's, ist
seinem Wesen nach nur eine Steigerung der ursprüng-
lichen und geheimsten Gesetze des Naturgartens, der für
uns allein bestimmend sein kann, weil nur er den Men-
schen in selbsttätigen Konner zur Natur setzt, darin Wesen
und Wirkung des Gartens beruht. Mit der Garten-
kultur steigt und fällt der seelisch-produktive Gehalt eines
Volkes. Sie ist also nicht Sache der Fachleute, sondern
jedes einzelnen. Nach dieser Richtung aber sieht es
heute schlimmer aus denn je. Hier ist es an jedem,
Kenntnisse zu erwerben, nicht in bezug aufs Jndividuelle
Forderungen zu stellen. Welche Kenntnisse hatte insofern
noch in der vorigen Generation jeder intelligente Haus-
besitzer, wieviel verstand er von der Herstellung und Ver-
wendung aller Geräte in Haus und Hof; heute überläßt
man das „Wertheim". Sollte nun aber gar „Wertheim"
die Jnstandhaltung des neuen Gartens übertragen wer-
den, so fürchte ich, daß er trotz seiner geometrischen Kon-
struktion nie zu eigenem Leben erwacht. —
Wer je in seiner Jugend am Abend bei sinkender
Sonne mit einer schwergefüllten Gießkanne die Garten-
wege abgeschritten ist, die Beete zu wässern, wird sich
erinnern, wie er in solchen Momenten oft unverhofft
innehielt, die Stille, die von allcn Seiten mit den Schatten
aus den Sträuchern auf ihn eindrang, die Schleusen
seiner Seele öffnete und sein Blick süß beunruhigt und
ahnungsvoll zugleich am fernen Blinken des ersten
Sternes hing oder in Angst und Sehnsucht der scharfen
im grünen Ather segelnden SicheldesMondeSnachschaute.
So wiederfinden wir im Garten die Sammlung
unseres Lebens, rufen in der Erinnerung an in Gärten
verbrachte Stunden den süßesten Jnhalt unserer Jugend
zurück: Jn der Erinnerung an alte Klostergärten, in
denen am Morgen die Vögel den Tau aus den Kelchen
der Lilien trinken, noch ehe die Hand zur Arbeit sich regt,
die wilden Bienen geschäftig in den Beeten der Heil-
kräuter sich ergehen, am ruhenden heißen Mittag auf
den hohen schwanken Wipfeln alter Kastanien der Kuckuck
ruft und am alle Regungen entspannenden Abend in
den Büschen am Wege die Nachtigall trauert.
Rudolf Klein-Diepold.
in Plan zu einem Blücherdenkmal
auf der Rheinpfalz bei Caub vor
1OO Jahren.
Den Denkmälern der Großen unserer glorreichen
Vorzeit soll sich das rheinische Bismarckdenkmal an-
reihen. Da unter den Plänen auch die Jdee einer
Kolossalstatue vertreten wurde, dürfte als eine Er-
gänzung dazu der schon Ende 1814 aufgetauchte Gedanke
einer Kolossalstatue Blüchers, den gerade auch das
Rheinland in Ehren hält, von Jnteresse sein.
Der Berliner Architekt Ludwig Friedrich Catel
(1776—1812) — der ältere Bruder des berühmten Land-
schafts- und Historienmalers Franz Catel(1778—1856) —
der sich seit 1812 viel mit Kriegsbaukunst beschäftigte*)
und dem — wie G. K. Nagler in seinem Neuen
allgemeinen Künstlerlerikon (München 1835, Bd. 2,
S. 434—435) bemerkt —- auch wegen seines „Patriotis-
mus eine dankbare Erwähnung gebührt", war der Mann,
der diesen Entwurf skizzenartig in einer im Dezember
1814 im Berliner Kunstverein gehaltenen Vorlesung
behandelte, angeregt durch die „Aufforderung der Be-
wohner des Niederrheins zu einem Denkmal Blüchers,
des Befreiers des Stromes vom fremden Joche".**)
Catel, unter dessen Stichen, die bei Astaria in München
und Wien erschienen, auch die Rheingegend bei Caub
vorliegt, wie er selbst angibt, hält die Pfalz selbst für den
geeignetsten Punkt für das Denkmal.
„Jch bin der Meinung, daß dieses Denkmal am
schicklichsten in einer auf dem Turm der Burg zu er-
richtenden Statue des Helden zu Pferde bestehen würde.
Demgemäß habe ich folgenden Plan zu diesem Denkmal
entworfen: Die Gemäuer der vorhandenen Burg könn-
ten zu diesem Awecke so umgestaltet werden: die alte
Grundlage soll vollkommen erhalten bleiben. Jn seinem
Jnneren werden kasemattierte Kasernen für eine Kom-
pagnie Jnvaliden angelegt. Eine in das Gemäuer ein-
zubrechende Fensterreihe wird den Aimmern das ge-
hörige Licht gewähren. Sie sind, in der Art der ältesten
deutschen Baukunst zu Karls des Großen Aeit, mit
Kreisbogen überwölbt. Jn einem ähnlichen Stil sind
vier Galerien erbaut, welche die vier Seiten des Ge-
bäudes umgeben. Diese Galerien bestehen aus Bogen-
gängen von Granitsäulen, an deren Kapitäle, dem Geist
jener Aeit gemäß, Embleme der kriegführenden Mächte
als Wappentiere zur Verzierung angebracht sind. An
den vier Ecken befinden sich vier heraustretende runde
Türme und Schießscharten für Kanonen, um bei feier-
lichen Gelegenheiten Signale zu geben. Auf den Spitzen
der Türme unterstützen vier vergoldete Adler die Flaggen
der vier verbündeten Mächte: Preußen, Rußland,
*) Catel legte in Berlin eine Stuckmosaiken-Fabrik an, deren
reger Tätigkeit das Weimarer Schloß z. T. seine Schönheit ver-
dankt. 1809 leitete Catel die innere Cinrichtung des Schlosses zu
Braunschweig.
**) Mitgeteilt ist diese Vorlesung im Aachener „Journal für
den Nieder- und Mittelrhein", Januar- und Febrriar-Nuinmern
1815. — Dem Koblenzer Besiher dieser Zeitung, Herrn Oberst-
leutnant z. D. Amlinger, sage ich auch an dieser Stelle meinen
besten Dank für die freundliche llberlassung.