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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 5
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Oswald, Josef: Zur Poesie Heidelbergs
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Becker, Franz Karl: Kaiser Karls Gesellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0189

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Zur Poesie Heidelbergs.

Dafür gewann der Humor das Feld; — bot doch die
urkundlich ernnttelte Wirklichkeit ihm einen ebenso
angemessenen Spielraum dar als die vom Licht der
Sonne beschienene. An diesem Punkte der Literatur-
entwicklung ragt Scheffel hervor. Gleichfalls in einem
intimen Verhaltnis zu Alt-Heidelberg stehend, ist er
sein neuzeitlicher Sänger geworden.

Während seiner Universitätszeit mochte hier der
Maler in ihm Träume genährt haben, die nachher sich
nicht erfüllen wollten, sodaß er fast verzweifelt seinen
wahren Beruf ergriff. Auf Capri den „Trompeter"
dichtend, schwarmten die Gedanken aus Schwarzwald-
dunkel zum Neckarstrand, und wenn auch dabei sogleich
sein Humor hervortrat — feuchtfröhlich mit dem großen
Faß liebaugelnd — zunachst ließ er dem Rückblick die
holde Weise entblühen, die jeder, der Heidelberg liebt,
ins Herz geschlossen hat, weil nichts Lebendigeres daran
erinnert. Dreierlei wird mit kurzem, melodischem An-
schlag betont. Mit dem „Alt-Heidelberg . . . an Ehren
reich . . . an Weisheit schwer und Wein . . ." das grün-
umrankte, dem Gespensternebel entrückte Altertum,
dem der studentische Geist sich kameradschaftlich gesellt.
Auf stolze Assoziationen weist sodann der Akkord: „Am
Neckar und am Rheine . . ." Denn haben rechts und
links die Nebenflüsse wohl sämtlich ihre Sänger gefunden
— auch berühmte: Jch erinnere nur an den alten
Ausonius der Mosella — so kommt in dieser Beziehung
doch keiner dem „Strom vergangener Aeiten und unver-
gänglicher Begeisterung, dem königlichen Rhein" (nach
Eichendorffs Benennung) näher als der leichtfüßige
Wanderer durch das poesiegesegnete Schwabenland.
Selbst einem Hölderlin weicht, trotz feurigem Drang nach
dem Land der Griechen, aus treuem Sinn der „Neckar
nicht mit seinen lieblichen Wiesen und Uferweiden".
Endlich wird mit den Versen: „Blauäuglein blitzen
drein . . ." und dann ins Bildliche gewendet: „Es
klingt wie junges Lieben . . ." hervorgehoben, was
nicht fehlen darf, wo so schmucke Jugend waltet. So
begegnen einander der jüngste Meisterpoet der Musen-
stadt und der älteste uns bekannte, der „letzte Minne-
sänger", Oswald von Wolkenstein. Heidelberg rühmend
(1424), spricht er von den Herrlichen mit den „Münd-
lein rot", von ihrer Zucht und Ehr', von ihrer Tugend
und andrer Iier, um treuherzig zu schließen:

Das lob ich got den milden,
was ich kan.
das er also kan pilden
schön kindichin wolgetan.

Josef Oswald.

aiser Karls Gesellen.

Von Franz Karl Becker.

Jm Traum war es, Kaiser Karl vernahm den viel-
verschlungenen Chor silberheller Knabenstimmen. Wie
Nebelwölklein, spielend und rieselnd, schwebten die
Melodien.

Als er nun so dalag, war es ihm doch, als senke sich
eine Leiter an der Wand seiner Kammer herab, und als
stiegen ihrer zwölf nieder darauf, Männer, wohlgestaltete.

Jn hellen Stahl gehüllt, hatten goldgriffige Schwerter
um und funkelnde Helme auf den Lockenhäuptern. Sie
setzten sich im Kreise und warteten, treu und verschwiegen.

„Jhr da, reisige Edelinge, was denn begehrt ihr?
Was sitzt ihr da, treu und verschwiegen?"

Sie saßen ruhig.

Der Kaiser stand auf vom Lager und ging auf den
ersten zu, der ihm zunächst saß. „Wie heißest du?"
fragte er.

„Johannes," antwortete scheu der Held.

„Und du, und du, und du?" fragte er weiterhin. Alle
gaben sogleich Rede zur Antwort und sagten Johannes.

„Bei Gott," fuhr der Kaiser auf, „dies ist absonderlich.
Jhr heißet Johannes allzumal. Gleich seid ihr geschient
und gerüstet, gleich an Antlitz und Alter, an Gestalt und
Gebaren, eure Locken sind blond, hell habt ihr die Haut,
blau die Augen. Kleine Silberhelme tragt ihr und gold-
griffige Schwerter. Von wannen denn kommt ihr?"

Sie hoben die schönen Häupter, die runden, die sieg-
geschmückten. Sie sprachen still wie heimnisvoller Gesang.

„Wir kommen aus deinem Herzen."

Der Kaiser erschrak, besah sie, besann sich.

„Und was denn wollt ihr?"

„Wir wollen dir treu sein."

So sagten sie, sprachen es flüsternd, einmütig, wie
aus einem Mund und zu einer Zeit.

„Wartet denn," gab er Antwort, „und gehabt euch
geduldig. Der Morgen schimmert schon auf. Jch will
mich bekleiden und mit euch ins Land ausfahren."

Er nahm seine Kleider, bekleidete sich und tat sein
Schwert um. Da er fertig war, standen sie auf und gingen
mit Zucht hinaus. Er folgte ihnen sogleich, von starkem
Drange gelockt. Sie schritten durch die Gänge seiner
Königspfalz an dem schlafenden Jngesinde vorüber, die
Stiegen nieder, stolz und frei, und dem Marstall zu. Da
standen die Hengste, geschirrt und gesattelt. Drauf
schwangen sie sich schweigend. Kaiser Karl tat wie sie,
sie ritten davon, es stoben Sand und Staub, die Brücke
dröhnte. Jn den erwachenden Morgen ritten sie fort,
fern schlugen die Amseln an, das Licht blaßte auf über
den östlichen Hügeln.

Einer der Awölf setzte an seinen Mund ein Hörnlein,
es war eine silberne Tube, er blies und blies. Wohllaut
umgab den Kaiser, seine Augen ließ er schweifen über
die Awölf.

Dies ist Edelblut, dachte er, beste Art und in der
Aucht wohlgeraten! Bräuchlich!

Schöpfender Drang nach Tat und Kraft erhob sich
in ihm. Die Tube klang.

Sie ritten weiter im Morgenlicht und kamen auf die
Kuppel eines Hügels. Sahen eine weite Ebene vor sich,
gegen ein Flüßlein hin, voller Bäume und Büsche, doch
sumpfig und ungerodet.

„Du da," sagte Kaiser Karl zu dem von den Jüng-
lingen, der ihm am nächsten war, „leg ab Rüstung,
Schwert und Helm und entsattle dein Pferd."

Der Jüngling folgte sofort, stieg ab, entsattelte den
Walch, zog aus Rüstung und Wehr, er stand da in dürf-
tiger Hülle als ein Armer.

„Dies Feld," gebot sogleich der Kaiser, „ist dein von
nun an. Geh, rode es und leite den Sumpf ab. Bau dir
 
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