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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 12
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Habicht, Victor Curt: Mittelrheinische Kunst in Norddeutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0425

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Abb. 1. Gesamtansicht des geöffneten Altares der ehem. Antoniter-Präzeptorei Tempzin (jeht Museum Schwerin).

Mittelrheinische Kunst in Nordwestdeutschland.

i.

n SteUe des schemenhaften Begriffes: Aeitstil, mit
dem man eine Aeitlang die Übereinstimmungen
örtlich weit auseinanderliegender Kunstwerke zu
erklaren suchte, ist in jüngerer Aeit die Erkenntnis ge-
treten, daß inr Mittelalter ein lebendiger Austausch, ein
fortwahrendes Geben und Nehmen über ganz Deutsch-
land hin stattgefunden haben muß. Allerdings erst, als
man die Eigenarten der Einzelschulen näher zu erfassen
in der Lage war, konnte man dazu übergehen, An-
klange, direkte Übernahme künstlerischer Errungenschaften
oder gar Werkstattgemeinschaften selbst an weit ausein-
anderliegenden Orten festzustellen.

Nur eine höchst oberflachliche Betrachtungsweise der
Werke der bildenden Kunst kann zu dem Urteil gelangen,
daß das „Kunstwerk an sich sprechen müsse und daß es
doch ziemlich gleichgültig sei, aus welchen Elementen sich
dic tatsachliche Wirkung zusammensetzt". Mit Verlaub,
man kommt damit aber dem Wesen der Kunst nicht im
geringsten nahe. Denn nur ein aus falscher Sentimen-
talitat und auö sewilem Autoritatsglauben vor dem Ge-
nius gemischter Wahn kann zu der Vorstellung gelangen,
daß der wahre Künstler aus sich selber schafft. Das ist
barer Unsinn — und weil es ganz gewiß ist, daß selbst
der größte Künstler nur das Ergebnis der ihm voraus-
gegangenen Bestrebungen zu neuer und höchster Ge-
staltung umbilden kann, bleibt es dem Drange nach Er-
kenntnis bei Untersuchungen und Betrachtungen der

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bildenden Kunst erste Pflicht, das Werden zu begreifen.
Die Kunst der van Eyck ist uns kein Rätsel mehr, seitdem
wir wissen, daß Hubert und Jan nur folgerichtige Aus-
läufer einer lange vorausgegangenen Kunst sind, und
ihre Werke sind uns darum nicht minder großartige Er-
scheinungen. Jm Gegenteil! Jetzt erst sind sie uns faß-
bare Gebilde.

Hinsichtlich der deutschen Kunst hat uns lange, zu lange
der Aberglaube, als ob hier alles aus zweiter Hand ge-
kommen sein müsse, von ciner gerechte» Beurteilung
abgehalten. Wer hätte auch geglaubt, daß ein Ghiberti
vieles, nein das Wesentliche der deutschen Kunst zu
danken habe. Und doch ist es so! Jn dieser Aeitschrift
hat SwarzenskiH auf die Beziehungen Ghibertis zur
deutschen Plastik hingewiesen und ein Werk der mittel-
rheinischen KunstH veröffentlicht, das wie ein Wun-
der vor uns steht. Die außerordentliche Bedeutung der
mittelrheinischen Kunst hat man schon seit einiger Aeit
erkannt. Aber daß auf diesem Boden eine Leistung wie
der Frankfurter Alabasteraltar entstehen konnte, hat wohl
niemand zu ahnen oder zu hoffen gewagt. Man kann
sagen, daß wir nun auf weitere Uberraschungen vorberei-
tet sind und daß es nicht mehr so sehr erstaunen wird,
wenn noch ganz andere Ausammenhänge aufgedeckt wer-
den sollten. Wir guten Deutschen haben, wenn von

H G. Swarzenski: Eine deuksch-italieniscke Künstlergeschicbte.
Deutsche Monatshefte. 14. Iahrgang der Rheinlande. 1914,
12. Heft, S. 385 ff.

2) Derselbe: 8alvs orux Iau<1g.1>il!s! Ebenda S. 379 ff.

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