Die Arnazonenschlacht.
den einen Fuß auf meine Brust gesetzt,
in ihrer Rechten einen Feldstein drohend,
atmenden Leibs, die Augen zornvoll lohend.
Ausholte sie mit tiefster Kraft. Doch jetzt
fiel ihr der Arm herab im Schmerz der Wunde.
Sie stöhnte leis. Da schoß ihr schon das Blut
heraus — dumpf schlug der Stein zum Wiesengrunde.
Jch aber sprang, der Wendung frohgemut,
empor, des festen Willens, sie zu fassen,
und drang aufs neue ein. Auf schrie sie gell
dreimal mit fremdem Laut. Hundegebell
brach los und schon war in den Lagergassen
Bewegung wie von eitel Aauberei:
Waffengeklirre, Lichter, Stimmen, Schatten . . .
Jch riß mich um. Noch dreimal schlug der Schrei
die Flügel um mein Haupt. Wie ein Ermatten
fiel mich die Angst an. Aber schon durchdrang
mein eignes Leben mich mit solcher Sucht,
daß ich wie ein gescheuchter Hirsch entsprang.
Jch lief. Jch lief. Mein ganzes Sein war Flucht.
Jch wußte nicht, was hinter mir geschah.
Jch war nur Nacht und Lauf. Es stürzten Welten
um mich. Dann wußt' ich plötzlich: ich war da —
und brach zusammen vor den ersten Ielten.
Eine Legende aus der Zeit.
Von Karl Röttger.
Die aber am frömmsten waren, schwiegen und war-
teten. —
Denn es waren noch einige fromm. Die dachten:
wenn Gott der Welt am fragwürdigsten wird, wollen
wir am wenigsten an ihm zweifeln.
Viele aber waren ratlos. Sie schrien laut: Gott, wo
bist du? Kannst du dies zulassen? Wo ist deine Macht,
ja All-Macht, daß du diese Greuel zulassest? — Wo ist
dein Sohn, der da sprach: Mein Reich ist nicht von dieser
Welt? — Sollte er nicht unter die Menschen treten und
ihnen sagen: Lasset ab? —
Nun hatte Gott ja gewiß antworten können: Meines
lieben Sohnes Predigt tönt immer noch dem Menschen
vom Berge her; meines Sohnes Reich ist immerdar
nicht von eurer Welt; und den Sinn meiner All-Macht
kann ich euch so langc nicht ganz offenbaren, als euere
Herzen sich nicht höher und weiter erheben, als sie es
tun. — Aber er schwieg. Er slieht vor dem Lauten in
die Stille; und manche Gebete können ihm zudringlich
erscheinen; alsdann versagt er sich . . . .
Andere meinten, dieser Weltbrand widerlcge Christus;
wenn er sich beweisen wollte, müsse er diesmal schon mit
Gewalt hervorbrechen und die lohen Branden mit seinen
und seiner Heerscharen Füßen austreten. Die aber ver-
gaßen, daß er schon damals, als Petrus ihn bat, es ab-
lehnte, Gewalt in seine Hand zu nehmen. Und er stellte
sich vor die Widersacher und sprach: Mein Reich ist nicht
von dieser Welt. — Die Frommen aber fühlten: Wenn
die Erde brennt, soll man nicht den Himmel anschuldigen.
Aber auch sie bebten. Denn des Grausens war zu viel
in der Welt und der Greuel ein Ubermaß. —
Wie aber konnte Christus erscheinen? Nicht anders
denn gering, arm, in menschlicher Gestalt; in einer Ge-
stalt, die nur offenbar werden konnte den guten, frommen,
demütigen Herzen. Genau wie damals ....
Andere aber hatten ein Gefühl, als sei er unwider-
bringlich dahin. Als sei nun nichts klarer, als daß das
Wort von ihm ein Phantom sei. . . . Andere wieder
hatten ein Gefühl, als könne er ja, selbst wenn er
irgendwo da sei, nicht herzukommen; wie sollte er
durch rauchenden Weltbrand gehn? durch Schlachten
und Höllenfeuer? über die minenbelegten Meere?
Wenn dies gedacht werden konnte, so war anderes
wohl nicht minder lächerlich: etwa, daß ihn die Eng-
lander festnehmen würden oder die Franzosen, wenn
er herbeieile, woher auch immer, um zur Schlacht zu
kommen, zur Front? Aber man muß milde sein über
solche Gedanken und nicht lacheln.-
Dennoch: der Aweifel war in die Welt geworfen,
auch wie ein Brand und schwelendes Feuer; und die
wenigen wußten: hier helfen alle Worte nicht mehr,
damit man Gottes Größe und Wunder umschreibt, hier
helfen alle Worte nicht mehr, damit man versucht hat,
die Einzigartigkeit des Herzens Jesu zu sagen — hier
hilft allein das große Fühlen, hier hilft allein: daß das
Herz sich weitet, und daß es wieder wartet wie in früheren
Aeiten auf Offenbarung, und darauf, daß Gott zeige,
daß an ihm und seinem Wesen, wie an seines Sohnes
überirdischem Wort nichts geändert sei dadurch, daß
Menschen in Unzahl mordeten Unzählige; vorläufig war
dies noch nicht klar; aber die Herzen fühlten: es mußte
klar werden. —
Mord und Awietracht waren auch vor diesem Kriege
in der Welt gewesen und die Menschen hatten dem nicht
so groß nachgedacht; nun blendete ihnen das Welt- und
himmelhohe Feuer die Augen. —
Waren die Menschen jetzt auf einmal ganz von Gott
abgeschnitten? War die Kluft zwischen ihm und ihnen
nun da, ohne Brücke? Nur wenn sie sich selbst nun auf
einmal ganz vor ihm zumachten. Des Schicksals wird
der Mensch nur Herr, wenn er ihm untertan ist und ihm
steht! So wie Christus einst ihm gestanden hatte — er
allein einer Welt .... Völker kämpften um ihr Bestes,
um das Leben .... Und das Leben ist Gottes Geschenk
an den Menschen .... Wie sollte der Mensch nicht
kämpfen?
Christus aber führte nie ein Schwert. So war er
diesen Kämpfen ferne? Nicht ferne. Aber er kämpfte
nicht mit. Und war doch da! Nur daß er ungesehn
dahinging .... Nur daß er das Feuer der Fronten noch
weniger fürchtete als jeder andere. — Christus ist gütig.
Er sah die Menschen ihr Leben dahingeben um etwas,
das größer war als sie selbst: für eine Jdee und ein
großes Gefühl. Da konnte er ihnen nicht zürnen. Er
mußte, wie ehe, mit ihnen gehn, helfen, heilen, mit
milder Hand streicheln, die Hände auslegen .... Er
erwartete nicht einmal, daß sie ihn sähen . . . .
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den einen Fuß auf meine Brust gesetzt,
in ihrer Rechten einen Feldstein drohend,
atmenden Leibs, die Augen zornvoll lohend.
Ausholte sie mit tiefster Kraft. Doch jetzt
fiel ihr der Arm herab im Schmerz der Wunde.
Sie stöhnte leis. Da schoß ihr schon das Blut
heraus — dumpf schlug der Stein zum Wiesengrunde.
Jch aber sprang, der Wendung frohgemut,
empor, des festen Willens, sie zu fassen,
und drang aufs neue ein. Auf schrie sie gell
dreimal mit fremdem Laut. Hundegebell
brach los und schon war in den Lagergassen
Bewegung wie von eitel Aauberei:
Waffengeklirre, Lichter, Stimmen, Schatten . . .
Jch riß mich um. Noch dreimal schlug der Schrei
die Flügel um mein Haupt. Wie ein Ermatten
fiel mich die Angst an. Aber schon durchdrang
mein eignes Leben mich mit solcher Sucht,
daß ich wie ein gescheuchter Hirsch entsprang.
Jch lief. Jch lief. Mein ganzes Sein war Flucht.
Jch wußte nicht, was hinter mir geschah.
Jch war nur Nacht und Lauf. Es stürzten Welten
um mich. Dann wußt' ich plötzlich: ich war da —
und brach zusammen vor den ersten Ielten.
Eine Legende aus der Zeit.
Von Karl Röttger.
Die aber am frömmsten waren, schwiegen und war-
teten. —
Denn es waren noch einige fromm. Die dachten:
wenn Gott der Welt am fragwürdigsten wird, wollen
wir am wenigsten an ihm zweifeln.
Viele aber waren ratlos. Sie schrien laut: Gott, wo
bist du? Kannst du dies zulassen? Wo ist deine Macht,
ja All-Macht, daß du diese Greuel zulassest? — Wo ist
dein Sohn, der da sprach: Mein Reich ist nicht von dieser
Welt? — Sollte er nicht unter die Menschen treten und
ihnen sagen: Lasset ab? —
Nun hatte Gott ja gewiß antworten können: Meines
lieben Sohnes Predigt tönt immer noch dem Menschen
vom Berge her; meines Sohnes Reich ist immerdar
nicht von eurer Welt; und den Sinn meiner All-Macht
kann ich euch so langc nicht ganz offenbaren, als euere
Herzen sich nicht höher und weiter erheben, als sie es
tun. — Aber er schwieg. Er slieht vor dem Lauten in
die Stille; und manche Gebete können ihm zudringlich
erscheinen; alsdann versagt er sich . . . .
Andere meinten, dieser Weltbrand widerlcge Christus;
wenn er sich beweisen wollte, müsse er diesmal schon mit
Gewalt hervorbrechen und die lohen Branden mit seinen
und seiner Heerscharen Füßen austreten. Die aber ver-
gaßen, daß er schon damals, als Petrus ihn bat, es ab-
lehnte, Gewalt in seine Hand zu nehmen. Und er stellte
sich vor die Widersacher und sprach: Mein Reich ist nicht
von dieser Welt. — Die Frommen aber fühlten: Wenn
die Erde brennt, soll man nicht den Himmel anschuldigen.
Aber auch sie bebten. Denn des Grausens war zu viel
in der Welt und der Greuel ein Ubermaß. —
Wie aber konnte Christus erscheinen? Nicht anders
denn gering, arm, in menschlicher Gestalt; in einer Ge-
stalt, die nur offenbar werden konnte den guten, frommen,
demütigen Herzen. Genau wie damals ....
Andere aber hatten ein Gefühl, als sei er unwider-
bringlich dahin. Als sei nun nichts klarer, als daß das
Wort von ihm ein Phantom sei. . . . Andere wieder
hatten ein Gefühl, als könne er ja, selbst wenn er
irgendwo da sei, nicht herzukommen; wie sollte er
durch rauchenden Weltbrand gehn? durch Schlachten
und Höllenfeuer? über die minenbelegten Meere?
Wenn dies gedacht werden konnte, so war anderes
wohl nicht minder lächerlich: etwa, daß ihn die Eng-
lander festnehmen würden oder die Franzosen, wenn
er herbeieile, woher auch immer, um zur Schlacht zu
kommen, zur Front? Aber man muß milde sein über
solche Gedanken und nicht lacheln.-
Dennoch: der Aweifel war in die Welt geworfen,
auch wie ein Brand und schwelendes Feuer; und die
wenigen wußten: hier helfen alle Worte nicht mehr,
damit man Gottes Größe und Wunder umschreibt, hier
helfen alle Worte nicht mehr, damit man versucht hat,
die Einzigartigkeit des Herzens Jesu zu sagen — hier
hilft allein das große Fühlen, hier hilft allein: daß das
Herz sich weitet, und daß es wieder wartet wie in früheren
Aeiten auf Offenbarung, und darauf, daß Gott zeige,
daß an ihm und seinem Wesen, wie an seines Sohnes
überirdischem Wort nichts geändert sei dadurch, daß
Menschen in Unzahl mordeten Unzählige; vorläufig war
dies noch nicht klar; aber die Herzen fühlten: es mußte
klar werden. —
Mord und Awietracht waren auch vor diesem Kriege
in der Welt gewesen und die Menschen hatten dem nicht
so groß nachgedacht; nun blendete ihnen das Welt- und
himmelhohe Feuer die Augen. —
Waren die Menschen jetzt auf einmal ganz von Gott
abgeschnitten? War die Kluft zwischen ihm und ihnen
nun da, ohne Brücke? Nur wenn sie sich selbst nun auf
einmal ganz vor ihm zumachten. Des Schicksals wird
der Mensch nur Herr, wenn er ihm untertan ist und ihm
steht! So wie Christus einst ihm gestanden hatte — er
allein einer Welt .... Völker kämpften um ihr Bestes,
um das Leben .... Und das Leben ist Gottes Geschenk
an den Menschen .... Wie sollte der Mensch nicht
kämpfen?
Christus aber führte nie ein Schwert. So war er
diesen Kämpfen ferne? Nicht ferne. Aber er kämpfte
nicht mit. Und war doch da! Nur daß er ungesehn
dahinging .... Nur daß er das Feuer der Fronten noch
weniger fürchtete als jeder andere. — Christus ist gütig.
Er sah die Menschen ihr Leben dahingeben um etwas,
das größer war als sie selbst: für eine Jdee und ein
großes Gefühl. Da konnte er ihnen nicht zürnen. Er
mußte, wie ehe, mit ihnen gehn, helfen, heilen, mit
milder Hand streicheln, die Hände auslegen .... Er
erwartete nicht einmal, daß sie ihn sähen . . . .
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