(^n den Lilften.
H Von Bernd Jsemann.
Episches Gedlcht.
Jm dunklen Talgrund regt sichs hell,
über die Wiesen schwankt ein weißeS Geftell.
Iehn Männer schleppen das weitgeflügelte Ding,
Ameisen einen toten Schmetterling.
Ierbrechlich wankt der Schwinge Rand,
ftarr schwankt der schmale Leib in rechten Stand,
und alsbald, so fteht der gewaltige Drachen
verlassen im Tau, als könnt er nimmer erwachen.
Geschäftig klettert der Iwerge Haft
über ihn hin, als gälte es sast
das Ungetüm mit Gewalt zu reizen.
Iwei schwarze Kreuze tragen die Flügelspreizen.
Und lange nicht, so zieht eine Wolke Dampf
empor, den Leib durchschauert ein harter Krampf,
und knatternd wiehert mit Gebraus
das Sturmroß hinaus.
Die Männer zwingen es mit den Händen,
doch ungeduldig ftampfen die Lenden,
es blitzt von Glut, und ehern schnaubt
der Drang, der sich im Äther rauschen glaubt.
Geduld, der Schrei ift gleich verstummt,
doch immerfort im Dämmern brummt
die einmal aufgeweckte Kraft gleich dumpfem Groll
von Rad und Stoß, nun überstürzt und toll,
nun in sich selbft verhalten, leicht, bewußt,
ein Flimmerkranz spielt lockend vor der Bruft.
Und plötzlich, jäh zu höchstem Ton entfacht,
hat sich der Drache zischend losgemacht.
So wie der Schwan, vom Brutwerk aufgestört,
mit weiten Schwingen watschelnd durch die Binsen fährt,
plump, und doch viel zu rasch für die erschreckte Flucht
des unvorsichtigen Wandrers, so geschah mit Wucht
der erfte Stoß hinrollend über grünen Plan, -
doch sieh, zu rascher Flucht setzt nur die Schwinge an.
Wie wenn der Storch auf flacher Wiese Grund
mit vollem Krops aufhüpft und flattert und
dem Wind entgegen dann mit offnen Flügeln läust,
daß er die Lust unter die Schwingen häuft,
bis daß er endlich, streifend nach der Blüten Spur,
mit weiten Schlägen aufwärts gleitet längs der Flur,
so hob sich leise erft inS Lüftemeer
der Menschenvogel, und kein Schwanken war nicht mehr.
Schon badet er sich frei, schon bog der schlanke Flug
hinschwebend aufwärts, der zwei Menschen trug.
Und immer ihm voran der helle Flimmerkranz,
trotz Nebeldampf ein harter Lichterglanz,
und wie er schwenkt und das Gestänge hebt,
sprüht noch der Räder Schwung, vom Bodenlauf belebt.
Ein Rauschen, stärker als wenn Sturm und Eis
den Kieselstrand in hartem Siebe rütteln,
durchwühlt der Lüfte nebliges Geleis,
als sausten Rosse, die die Mähne schütteln.
So sicher aber fühlt sich weich im Wagen
auf kühnlichem Erfinderftahl der Mensch getragen.
Wohlan, mein Flügelroß! — Papier und Leim
war einst mein Drache, den ich kühn daheim
auf Stäbchen zog, an langer Schnur zu steigen.
Wer will mir heute diese Gunst bezeigen?
Wer hält das Fädchen, dran mein Leben steigt,
wer fängt uns auf, wenn sich die Schwinge neigt?
Gar mancher meiner Drachen schoß geborsten
aus Höhen, wo die Adler horsten,
wir aber klimmen zehnfach bodenlos
ins uferlose Blau, inS aufgeworfne Los.
Du harter Schlag, du brausendes Gebrüll,
du Herz der Schwinge, schlag, steh nimmer ftill,
solang du jauchzest, ift es gut,
mir klingt dein Takt wie PulS im eignen Blut.
O, wiege so nach oben deinen Herrn,
sprüh Blitz und Donner, unser Iiel ist fern.
Gesährlich ift des Atems Element,
verräterisch wie falsches Wort, das Liebe nennt,
doch die Gefahr umlacht uns leichten Sinns.
Trag uns nach West, mein Vogel, und gewinn's.
Denn heute fliegst du nicht zum Fliegen,
wir kämpfen, Drache, und wir müssen siegen!
Schon rollt zu unsern Füßen grünes Land
gleich einem Teppich, den geübte Hand
auslaufen läßt, den Käufer zu betören,
und immer weiter, ohne aufzuhören.
Ein Rot, ein Weiß, ein dunkler Streifen Wald,
ein Fluß, ein Dach, unkenntliche Geftalt,
das ftiebt davon unter dem Himmelsdom,
die fefte Erde selber ist ein Strom,
und nur der tolle Lärm hoch über ihnen
scheint dieses Wahnsinns Kurbel zu bedienen.
Nun aber klar das Auge, fteil die Fahrt,
die blanke Straße ist uns offenbart.
Gewimmel zieht, der Unsern Heer,
das Aug erblickt kein Ende mehr,
daS schiebt sich schwärzlich durch den Raum,
still, wolkenglei'ch verändert kaum.
Vorbei. Der Turm ift wohlbekannt,
der Vogel wendet linker Hand.
Der Führer nickt, weist aufs Papier,
so taub wie stumm, wir treiben hier.
Wohlan, hoch sind wir mückenklein,
wir müssen schon beim Feinde sein.
Was ist? - Die Welt scheint fortgeweht,
die Schraube weiße Schwaden mäht,
der Sturm fegt naß, — da zischt der Pfeil
ins sonnenhelle Gegenteil-
Willkommen, blankes HimmelSlicht,
das uns den Kranz voll Blitzen flicht!
Solang die Täuschung dieses Reifs
voran uns schwebt, als rief es: Greifs,
erring den Dämon, der dir flieht,
solang auch er uns nach sich zieht.
Der Sturmeökälte scharfer Druck umhüllt
mit Einsamkeit das Ohr; das eigne Wort,
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H Von Bernd Jsemann.
Episches Gedlcht.
Jm dunklen Talgrund regt sichs hell,
über die Wiesen schwankt ein weißeS Geftell.
Iehn Männer schleppen das weitgeflügelte Ding,
Ameisen einen toten Schmetterling.
Ierbrechlich wankt der Schwinge Rand,
ftarr schwankt der schmale Leib in rechten Stand,
und alsbald, so fteht der gewaltige Drachen
verlassen im Tau, als könnt er nimmer erwachen.
Geschäftig klettert der Iwerge Haft
über ihn hin, als gälte es sast
das Ungetüm mit Gewalt zu reizen.
Iwei schwarze Kreuze tragen die Flügelspreizen.
Und lange nicht, so zieht eine Wolke Dampf
empor, den Leib durchschauert ein harter Krampf,
und knatternd wiehert mit Gebraus
das Sturmroß hinaus.
Die Männer zwingen es mit den Händen,
doch ungeduldig ftampfen die Lenden,
es blitzt von Glut, und ehern schnaubt
der Drang, der sich im Äther rauschen glaubt.
Geduld, der Schrei ift gleich verstummt,
doch immerfort im Dämmern brummt
die einmal aufgeweckte Kraft gleich dumpfem Groll
von Rad und Stoß, nun überstürzt und toll,
nun in sich selbft verhalten, leicht, bewußt,
ein Flimmerkranz spielt lockend vor der Bruft.
Und plötzlich, jäh zu höchstem Ton entfacht,
hat sich der Drache zischend losgemacht.
So wie der Schwan, vom Brutwerk aufgestört,
mit weiten Schwingen watschelnd durch die Binsen fährt,
plump, und doch viel zu rasch für die erschreckte Flucht
des unvorsichtigen Wandrers, so geschah mit Wucht
der erfte Stoß hinrollend über grünen Plan, -
doch sieh, zu rascher Flucht setzt nur die Schwinge an.
Wie wenn der Storch auf flacher Wiese Grund
mit vollem Krops aufhüpft und flattert und
dem Wind entgegen dann mit offnen Flügeln läust,
daß er die Lust unter die Schwingen häuft,
bis daß er endlich, streifend nach der Blüten Spur,
mit weiten Schlägen aufwärts gleitet längs der Flur,
so hob sich leise erft inS Lüftemeer
der Menschenvogel, und kein Schwanken war nicht mehr.
Schon badet er sich frei, schon bog der schlanke Flug
hinschwebend aufwärts, der zwei Menschen trug.
Und immer ihm voran der helle Flimmerkranz,
trotz Nebeldampf ein harter Lichterglanz,
und wie er schwenkt und das Gestänge hebt,
sprüht noch der Räder Schwung, vom Bodenlauf belebt.
Ein Rauschen, stärker als wenn Sturm und Eis
den Kieselstrand in hartem Siebe rütteln,
durchwühlt der Lüfte nebliges Geleis,
als sausten Rosse, die die Mähne schütteln.
So sicher aber fühlt sich weich im Wagen
auf kühnlichem Erfinderftahl der Mensch getragen.
Wohlan, mein Flügelroß! — Papier und Leim
war einst mein Drache, den ich kühn daheim
auf Stäbchen zog, an langer Schnur zu steigen.
Wer will mir heute diese Gunst bezeigen?
Wer hält das Fädchen, dran mein Leben steigt,
wer fängt uns auf, wenn sich die Schwinge neigt?
Gar mancher meiner Drachen schoß geborsten
aus Höhen, wo die Adler horsten,
wir aber klimmen zehnfach bodenlos
ins uferlose Blau, inS aufgeworfne Los.
Du harter Schlag, du brausendes Gebrüll,
du Herz der Schwinge, schlag, steh nimmer ftill,
solang du jauchzest, ift es gut,
mir klingt dein Takt wie PulS im eignen Blut.
O, wiege so nach oben deinen Herrn,
sprüh Blitz und Donner, unser Iiel ist fern.
Gesährlich ift des Atems Element,
verräterisch wie falsches Wort, das Liebe nennt,
doch die Gefahr umlacht uns leichten Sinns.
Trag uns nach West, mein Vogel, und gewinn's.
Denn heute fliegst du nicht zum Fliegen,
wir kämpfen, Drache, und wir müssen siegen!
Schon rollt zu unsern Füßen grünes Land
gleich einem Teppich, den geübte Hand
auslaufen läßt, den Käufer zu betören,
und immer weiter, ohne aufzuhören.
Ein Rot, ein Weiß, ein dunkler Streifen Wald,
ein Fluß, ein Dach, unkenntliche Geftalt,
das ftiebt davon unter dem Himmelsdom,
die fefte Erde selber ist ein Strom,
und nur der tolle Lärm hoch über ihnen
scheint dieses Wahnsinns Kurbel zu bedienen.
Nun aber klar das Auge, fteil die Fahrt,
die blanke Straße ist uns offenbart.
Gewimmel zieht, der Unsern Heer,
das Aug erblickt kein Ende mehr,
daS schiebt sich schwärzlich durch den Raum,
still, wolkenglei'ch verändert kaum.
Vorbei. Der Turm ift wohlbekannt,
der Vogel wendet linker Hand.
Der Führer nickt, weist aufs Papier,
so taub wie stumm, wir treiben hier.
Wohlan, hoch sind wir mückenklein,
wir müssen schon beim Feinde sein.
Was ist? - Die Welt scheint fortgeweht,
die Schraube weiße Schwaden mäht,
der Sturm fegt naß, — da zischt der Pfeil
ins sonnenhelle Gegenteil-
Willkommen, blankes HimmelSlicht,
das uns den Kranz voll Blitzen flicht!
Solang die Täuschung dieses Reifs
voran uns schwebt, als rief es: Greifs,
erring den Dämon, der dir flieht,
solang auch er uns nach sich zieht.
Der Sturmeökälte scharfer Druck umhüllt
mit Einsamkeit das Ohr; das eigne Wort,
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