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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0049

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riegsbilderbogen. Von Joachim Benn.

Auch die bildende Kunst hat herausgefunden, wie sie an den
großen Creignissen der Ieit tätigen Teil haben kann: Die durch
die Beweglichkeit und Einfachheit ihrer Mittel dem Leben von
jeher am unmittelbarsten auf den Fersen bleibt, durch die strenge
Abstraktion der Form, zu der sie dabei gezwungen ist, aber auch
am ehesten zu den Ereignissen beurteilend, beistimmend oder revol-
tierend, rhetorisch-dialektisch Stellung nehmen kann, die Graphik
übernimmt es, dcn Gang dieser Monate in Bildern nachzuzeichnein
Der Bilderbogen ist eine so selbstverständliche und natürliche
Außerung gesteigerter Volksstimmung wie die Kriegszeitung,
Eptrablatt und Flugblatt auch, denn es sind ja nicht nur Worte,
Sähe, Begriffe, in die sich die Vorgänge draußen den Harrenden
im Lande umsehen, es sind, was sie waren und wieder werden
müssen, wenn sie ihre Wirkung tun sollen, Bilder. So wird die
bildende Kunst auch in ihren markanten Vertretern wieder eine
aktuelle Kunst: Die beiden Kunstrichtungen, auf denen die Kunst
heute steht, Impressionismus und Expressionismus, widmen sich
der gleichen Aufgabe, die einen vertreten durch die Berliner, die
anderen durch die jungen Münchener. Die Blätter der Berliner
sind große gelbe Bogen mit einfarbigen Lithographien*, einmal
gefaltet und auf der entstehenden Titelseite wirklich jedesmal so
etwas wie ein bildliches Kriegstelegramm; sie kosten nur 15 Psg.
Die der Münchener sind preziäsere, farbig getönte Blätter**,
nicht so sehr Kriegstelegramme als Tagebuchblätter, in denen sich
die visionenverfolgte Phantasie des Künstlers für seine eigene
Person mit den Geschehnissen auseinanderseht; das Blatt kostet
einzeln 1,50 in der Serie von zehn 1 ,K.

Der doch so etwas wie ein ungekrönter König in Berlin bleibt,
Liebermann, hat gleich den ersten beiden Nummern den Titel ge-
geben: Auf dem einen die Front des Schlosses zu Berlin, der Balkon
mit der kaiserlichen Familie und davor die Menge des versammel-
ten Volks, Jllustration dies zu den Worten: „Jch kenne keine Par-
teien mehr"; schwarze Flecken, einmal größer, einmal kleiner, ein-
mal enger zusammengefaßt, einmal lockerer, zahllos verstreut über
die hellen Flecke. Daraus ergibt sich das Bild der flutenden, an allen
Ufern aufbrandenden Menge als ein Momentbild des historischen
Vorgangs; denn diese Methode will ja kein Sinnbild, sondern
den Vorgang selbst geben, aufgefaßt mit sensibelsten Nerven bis
in die fluktuierenden Einzelheiten, indem sie dem Beschauer die
Aufgabe läßt, selber weiter denkend das Sinnbild zu erkennen.
Das Pferd des zweiten Blattes, nicht viel mehr freilich als eine
Studie, in etwas äußere Verbindung mit Soldaten gebracht, hat
die schlanke Grazie, die Liebermanns stählerner Energie immer
beigemischt ist. Aus einem anderen Blatt sieht der Kopf von Steins,
deutschen Meisters der Kriegsstilistik, dessen fast nervöse Kultur
bei aller Bestimmtheit Feigl sehr schlicht getroffen hat; weiter sieht
Baluschek altberlinisches Behagen selbst in die Szene einer öffent-
lichen Kriegsdepeschenverlesung; Oppenheimer gibt die fast
kulissenhafte Unwirklichkeit vom Straßengetriebe unter Bäumen
im Gaslicht wieder. Dem gesellen sich Szenen von Hettner, der
in manchmal einigermaßen derber Monumentalität das Bild des
Augenblicks ins Allgemeine, Heroische, Symbolische wcndet, auch
Ieichnungen von Gaul, in denen fast rührend der große Tier-
plastiker seine Skizzen zu kleincn symbolischen Tierscherzbildern
verarbeitet. §u manchem Bilde ist ein Spruch geseht:

„Von Stein, Jnfant'riegeneral,

Schrieb Feldbriefe, stark wie aus Stahl,

Stählern, da die Front ihn begehrt,

Schreibe jeht sein Schwert;"

zu manchem ein Gedicht von Kleist, ein Wort von Heine, eine Stelle
aus einem Aufsatz von Meyer-Gräfe: Diese Sammlung, die wöchent-
lich fortgesetzt wird, hat populäre Cnergien, die ihr, wozu sie be-
stimmt ist, eine erfteuliche Wirkung ins Breite geben könnten,
weiter hinaus, als solche Kunst sonst wirkt.

Die Berliner alle, besonders die der älteren Generation,
haben eine gewisse männliche Sichcrheit und rhctorische Kraft,
die, abgesehen vom künstlerischen Wert der Cinzelarbeit, eine
vilkische Masse rein ihrem Ethos nach in ihren kräftigen Jnstinkten
zusammenbinden könnten: Die jungen Münchener sind demgegen-
über fast Lyriker, und fast alles von ihnen hat eine gewisse schlanke,
jünglingshafte Anmut; aber während es bei den Berlinern mehr
das Erleben der Zurückgebliebenen, das Harren der Städte ist,

* Kriegszeit, Künstlerflugblätter, bei Paul Cassirer, Berlin.

** Künstlerbilder Münchener Künstler, München bei Hans Golh.

das sie malen und ausdcnken, ist die Phantasie der Münchener bei
Schlacht, Mord, Blut selbst. ^Wie bei den Berlinern Hettner als
Stilist, Großmann in seiner Straßenkampfszene zu dieser anderen
Gruppe herüberleiten, so leitet hier mancher zurück: Da hat Feld-
bauer eine Reiterskizze dazugegeben; man sieht Pferdenüstern,
Menschenstirnen darüber, sehr breit und pastos dies hingeseht,
aber ganz impressionistisch. Mag auch in Nowaks Darstellung von
Roter Kreuz-Tätigkeit im Kampffeld noch manches Jmpressionistische
sein, so ist in der Art, wie der Ausschnitt der Landschaft gewählt
ist, wie auf dem Boden um dies elend zerschossene Dorf, dessen
Flanken selber in Fieberschauern zu beben scheinen, Flecken vom
Rot der Binde, das Blut der Brände über die Fläche verteilt sind,
doch die Aufspürung eines inneren Kompositionsgesetzes fühlbar.
Und in den meisten anderen ist noch direkter versucht, das Erlebnis
„Krieg" mit symbolischer Zusammenfassung im Cinzelnen und im
Ganzen zu geben: Teutsch's stürmende Bayern sind in ihrer Hal-
tung gesteigert und typisch geordnet, ähnlich Figuren Hodlers,
aber minder abstrakt festgelegt in der llmrißlinie, so hat auch die
Gruppe Schlafender in einer Straße Lüttichs unter einem Baum
mit Gehängten — in der Zeichnung von O. Stein — die Strenge
Hodlerscher Gruppen, wenn auch der schleierige Farbenteppich,
der darüber gezogen ist, anderen Empfindungsbezirken entstammt.
In Seewaldts „Ulanenangriff" ist aus den Körpern der Kämpfen-
den, ihrer Lanzen, steigcnder, fallender Pferde in schnellen Bunt-
stiftstrichen eine fasi zu bizarre Arabeske gemacht. Das Blatt,
das Cdwin Scharff seinem gefallenen Bruder gewidmet, wie in
den leeren, gelben Dünungen des Todes die schüttere Leiche neben
dem kleinen roten Blutfleck liegt, während vor dem roten Horizont
eben eine neue Gruppe in den Tod zieht, dies in manchem nach-
lässige Blatt, das doch sein eigenes geistiges Pathos hat; die des
Chepaars Caspar, ein Verwundeter und eine Abteilung Soldaten,
unter Rauchwolken in einen Ort ziehend wie in einen Tunnel;
das schöne Blatt von Renö Bech, einen Franzosen darstellend:
das Erlebnis des Einzelnen wird an manchem dieser Blätter
mehr finden können als an den anderen.

eit-Echo,

ein Kriegstagebuch der Künstler, nennt der Graphik-Vcrlag,
München, eine Sammlung, die halbmonatlich zum Preise von 50 Pf.
erscheint (Herausgeber Fr. M. Huebner). Wer in dieser lauten Zeit
leise Dinge hören mag, dem sei die Sammlung empfohlen; sie
erscheint gewissermaßen neben der Offentlichkeit und will mehr
die Wirkung des Krieges auf die Künstlerseele geben, als ihren
Anteil daran. Was die bildenden Künstler beisteuern, ist freilich
kaum mehr als Schmuck: Das Wort haben zumeist die Dichter,
aber nicht eigentlich mit Kriegsgedichten, mehr mit Bekenntnissen.
Daß diese nicht ohne weiteres der Kriegsbegeisterung dienen, ist
selbsiverständlich; der Geist mag sich tapfer für die Notwendigkeit
cntschciden, dcn aufgezwungenen Kampf durchzuführcn, für die
Seele bleibt er ein schweres Ereignis. So wird niemand den
Beitrag des bekannten Dichters Werfel ohne Erschütterung lesen
können; er reißt das schmerzende Loch der Menschlichkeit auf,
das wir uns wohl oder übel — mit völkischen Tröstungen zu ver-
binden gezwungen sind. Wir werden tapfer bleiben trotzdem, oder
deshalb; tapfer wie es das Wort von Wilhelm Worringer, dem
feincn Kunstgelehrten ist, das wir in diesem Heft als Probe abdrucken.

riegsdokumente,

der Weltkrieg 1914 in der Darstellung der zeitgenössischen
Presse. Von Eberhard Buchner, Verlag Albert Langen.

Ein guter Cinfall wird hier mit kluger Hand verwirklicht, aus
den fallenden Zeitungsblättern werden die Mitteilungen des Tages
über den Krieg für die Zukunft festgehalten. Eine reine Sammel-
arbeit also, wie sie jeder selber leisten könnte, der täglich die Ieitungen
mit der Schere nach den entscheidenden und interessanten Mit-
teilungen durchsuchte; da cs dem Einzelnen aber meist wohl an der
Ieit wie an der Geduld fehlen wird, vor allem aber an den Zeitun-
gen, wird Buchner viele dankbaren Freunde für seine Arbeit finden,
um so mehr, als er sie mit zweifellosem Geschick macht und aus der
Fülle die bezeichnendenDinge herauszufinden weiß. Der ersieBand
beginnt mit der Hoffnung der Nordd. Allgem. Ieitung vom 19. Juli
1914, daß der Osterreichisch-Ungarische Konflikt mit Serbien lokali-
siert bleiben möge, und schließt mit der Meldung des WTB. vom
21. August über den Sieg in der großen Vogesenschlacht. Er braucht
 
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