Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 25.1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0095
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Heft 3
DOI Artikel:Back, Friedrich: Richard Hoelscher
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Richard Hoelscher. Smgende Knaben.
Rickard Hoelscher.
Krieg hat umwertend in alle Verhältnisse deS LebenS hineingeleuchtet. Zu den Dingen,
^ ^ die den großen Maßstab dieser Zeit schwer vertragen, gehört die Kunftschreiberei. Ihr Daseinö-
recht war schon im Frieden nicht unbeftritten: Die Künstler, sagte man, lesen so etwas gar
nicht, und die Laien lesen zu viel. Der Krieg aber hat mit einem gewaltigen Ruck die Geister von
der Kunft weggeriffen und den Kunstschreiber ganz in die Ecke gedrückt. Vielleicht ist es gut so.
Soll trotzdem hier ctwas geschrieben werden, so können stch Schreiber und Leser freuen, wenn eS
um Kunstwerke geht, die stch vor dem ernften Sinn der Gegenwart behaupten.
Der Maler Rickard Hoelscher ift am 5. Februar 1867 zu Alsfeld in Oberheffen gcboren. Dieses Land,
am Abhang des Vogelsbergeö und an der Schwalm, liegt weitab von dem weltbürgerlich verflachenden
Dunftkreis der Großftädte. Der kernige Stamm, dcr dort hauft, hat viel von alter Eigenart be-
hauptet in Tracht und Hausbau, in Brauch und Spruch. Die Landschaft ist schlicht, ohne ftarke Gegen-
sätze, aber von plastischem Reiz: hügeliges Wiesen- und Ackerland mit zerftreutem Gebüsch und Wald.
Ein Hauch von Romantik webt um dic Giebel und Türme der alten Städtchen, zu deren schönften
Alsfeld gehört; die Menschen stnd davon bei allem altväterischen Sinn nur wenig berührt. Aber mit
der Sicherheit des Ackerbauers und HandwerkerS, um die mancher Rittcr des GeifteS sie in diesen
Kriegslä'uften beneiden mag, ftchen sie mitten im Wirklichen. Scharf und bedächtig blicken die Augen
solcher Menschen in die Umwelt. Die Dinge sind ihnen nicht Gegenstand reiner Betrachtung, sondern
greifcn irgendwie in ihre Arbeit, in ihr Leben ein, als willkommene oder bedrohliche Kräfte.
Die unbewußten Einflüsse, die einer in den bildsamsten Iahren des LebenS auS der menschlichen und land-
schaftlichen Umgebung aufnimmt, bestimmen die Persönlichkeit nachhaltiger als alle späterc, bewußte Bildung.
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Rickard Hoelscher.
Krieg hat umwertend in alle Verhältnisse deS LebenS hineingeleuchtet. Zu den Dingen,
^ ^ die den großen Maßstab dieser Zeit schwer vertragen, gehört die Kunftschreiberei. Ihr Daseinö-
recht war schon im Frieden nicht unbeftritten: Die Künstler, sagte man, lesen so etwas gar
nicht, und die Laien lesen zu viel. Der Krieg aber hat mit einem gewaltigen Ruck die Geister von
der Kunft weggeriffen und den Kunstschreiber ganz in die Ecke gedrückt. Vielleicht ist es gut so.
Soll trotzdem hier ctwas geschrieben werden, so können stch Schreiber und Leser freuen, wenn eS
um Kunstwerke geht, die stch vor dem ernften Sinn der Gegenwart behaupten.
Der Maler Rickard Hoelscher ift am 5. Februar 1867 zu Alsfeld in Oberheffen gcboren. Dieses Land,
am Abhang des Vogelsbergeö und an der Schwalm, liegt weitab von dem weltbürgerlich verflachenden
Dunftkreis der Großftädte. Der kernige Stamm, dcr dort hauft, hat viel von alter Eigenart be-
hauptet in Tracht und Hausbau, in Brauch und Spruch. Die Landschaft ist schlicht, ohne ftarke Gegen-
sätze, aber von plastischem Reiz: hügeliges Wiesen- und Ackerland mit zerftreutem Gebüsch und Wald.
Ein Hauch von Romantik webt um dic Giebel und Türme der alten Städtchen, zu deren schönften
Alsfeld gehört; die Menschen stnd davon bei allem altväterischen Sinn nur wenig berührt. Aber mit
der Sicherheit des Ackerbauers und HandwerkerS, um die mancher Rittcr des GeifteS sie in diesen
Kriegslä'uften beneiden mag, ftchen sie mitten im Wirklichen. Scharf und bedächtig blicken die Augen
solcher Menschen in die Umwelt. Die Dinge sind ihnen nicht Gegenstand reiner Betrachtung, sondern
greifcn irgendwie in ihre Arbeit, in ihr Leben ein, als willkommene oder bedrohliche Kräfte.
Die unbewußten Einflüsse, die einer in den bildsamsten Iahren des LebenS auS der menschlichen und land-
schaftlichen Umgebung aufnimmt, bestimmen die Persönlichkeit nachhaltiger als alle späterc, bewußte Bildung.
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