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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 11
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Klein, Rudolf: Zur Psychologie der Mode
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Kuckhoff, Adam: Herbstlieder
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0410

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Zur Psychrlojie der Mode.

Sicherung seines Dienertums seine letzte Freiheit, d. h.
die einer persönlichen Meinung, hingab, die Uniform
herausbildete, als Aeichen, daß er nur das Glied einer
mächtigen, ihren Einfluß in die entlegensten Gebiete
ergießenden Organisation ist, deren Wundertaten wir
heute erleben.

Awischen beiden aber steht das Weib als soziales
Signum nach wie vor im langen Kleide als jener Typen
denkbarster Gegensatz, indem es blieb, was jene anfangs
waren; immer sich selbst gleich, im Kampf und Streit
der Meinungen die unwandelbare Einheit: je strenger
der Mann unter dem Awange der Zeit sein Kleid uni-
formierte, desto reicher übergoß es seinen Schleier mit
Blüten. Rudolf Klein Diepold.

erbftlieder.

Von Adam Kuckhoff.

I.

Himmel der Herbste, du ausgespannt,
ausgespannt um verwelkendes Land,

Herrscher des Reichtums, und leßter Gast,
der du die Milde der Sterbenden hast,

Kröner du am gezeitlichen Bau,

Klarheit der Erde und Klarheit im Blau

und der sterndurchhefteten Nacht,
der uns aufhebt und schwebend macht.

II.

Wenn dieses nun so ist,
daß von den Jahreszeiten,
Herbst, du die reichste bist,
was öffnet das für Weiten!

Vom Knaben, der ich war,
geh ich ins Mannesleben —
Mir bleibt das hohe Jahr
und auch der Herbst gegeben.

III.

Komm, laß uns tiefe Tage
im bunten Herbst erlebems
Noch schwebt des Jahres Wage,
gefüllt mit süßen Reben.

Laß die gefangne Stimme
halblaute Worte finden,
daß sie wie Wolken schwimme
auf kaum bewegten Winden.

IV.

Mach mir dies So dich leben
nur ganz als Stille mein.

Laß es kaum wie ein Heben
von deinem Atmen sein,

ein Wie von Seeen fließen,
lautlos am Grunde her,
weil dies: Uns ganz genießen,
noch viel zu wenig war.

V.

Liebt ich einmal im Blauen die Welt,
schön ist alles ins Graue gestellt.

Lichter und Abend, Hauser und Rhein,
alles umfaßt mich, so fließ ich hinein.

Gerade ausfüllend, ganz gütig und hin,
fühl ich, daß ich das Graue bin,

wie ich einmal das Blaue war:

Segen erntend im reifenden Jahr.

HLcml Scheerbart ch.

Offensichtlich zur Verwunderung des deutschen Volkes ist ihm
in diesem Herbst ein Dichter gestorben, von dem es nicht das ge-
ringste wußte. Soviel Nacbrufe in den großen und selbst in kleineren
Zeitungen den Tod Paul Scheerbarts verkündigten: außerhalb der
literarischen Kreise war er bis dahin überhaupt nicht und auch da
eigentlich mehr als Kuriosität bekannt, über die man sich nur nach-
träqlich erstaunen konnte. Leider sind die Zeiten nicht für solche
Aufenthalte des Gefühls geeignet und so scheint das Schicksal
Scheerbarts sich auch im Tod zu vollenden: unpassend, wie er den
Aeitgenossen lebte, wäblte er auch den Termin seines Todes, als
die verlustreiche Offensive gegen Serbien der europäiscken Welt
die Spannung einer neuen Entscheidung aufzwang, bracbte er in
das Feuilleton der deutschen Blatter die Episode seines Abgangs,
dessen Tragik nur den Wenigen bewußt werden konnte, die das
Werk und die Leidenschaft des Mannes kannten, der da verloren
gmg.

Denn Paul Scheerbart war weder der Exzentrik-Clown des
Kaffeehaufes, wie ihn sich literarische Iünglinge von gestern und
heute vorstellten, noch der weltferne und weltfremde Humorisr,
als der er in den Nachrufen vielfach eine Abschiedsvorstellung gab.
Es gibt eine Stelle bei Niehsche, wo er diesen Dichter als ein not-
wendiges Ergebnis unserer Zeit prophezeit; ihr Gemisch von
romantischen Sehnsüchten und modernen Kaltblütigkeiten mußte
dis gläubigen Gemüter — sofern sie nickt in den Niederungen die
Kühe ihrer besonderen Begnadung weideten — auf den schmalen
Grat drängen, wo der Schritt unsicher und die Luft dünn wird:
kein Wunder, daß sich einer da eines Tages auf den Kopf stellte,
somit gewissermaßen die Unendlichkeit als seinen Lebensboden
unter die Füße brachte und die verzwickte Wirklicbkeit als ein köchst
zufälliges Wolkengebilde über seinem Haupt verspvttete.

Immerhin, die Wolkendecke der Wirklichkeit blieb über dem
selbst- und weltbewußten Gehirn des manchmal seligen Paul
Scheerbart, und er brauchte allen Witz seiner zornigen Seele, um
an dem Druck nicht allzusehr zu leiden, den er nicht abstellen konnte.
Wakrhaftig, er war kein Humorist, der seine Enttäuschung da
weiden ließ, wo die Kübe der andern das nahrhafte Gras fraßen;
er wurde nicht mit der Wirklickkeit fertig, indem er sie melkte: er
verneinte sie, vielmehr er wollte sie verneinen, und weil er das
nicht immer vermochte, haßte er sie und zwar mit der Leidenschaft
einer durckaus nicht humorvollen Seele, die wirklich mit den Füßen
im Weltall stand und nur durch ein fatales Unqlück als eine neue
Art von Prometheus mit dem Kopf gegen diese alberne Erde
genagelt war.

Mit einem Wort, es war ihm tödlich ernst mit seinen kosmiscben
Phantasisn, und wenn ergelegentlich—mitseinengläsernenPalästen
und lenkbaren Lufttorpedos — die Wirklichkeit ernst zu nehmen
schien, geschak es nur, um etwas von seinem in hundert Himmeln
überhellten Dasein in ihre dicke Luft zu bringen. Natürlick gelang
das nicht so okne weiteres, weil eben zwischen büben und drüben
die tiefe Kluft befestigt ist, und weil die Wirklichkeit eigenliebig
genuq ist, derartige kosmische Cinmischungen als unpassend ab-
zuweisen.

Immerhin, nun die Seele Paul Scheerbarts auf einen andern
Stern weitergezogen ist — wenn sie so unvorsichtig war, sich noch
einmal festnageln zu lassen — sind seine Bücher bei uns zurück-
geblieben und der selbstgereckteste Kunstwärter vermag ibre Wirk-
lichkeit nicht damit totzuschlagen, daß er sie als ikin clo siöols, als
 
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