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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0455

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Schärpe gesagt werden, an der der Verlag wohl schuldiger ist als die
Autorin. Jst wirklich das deutsche Lesepublikum so weit, daß man
ihm den „ersten Zeitroman großen Stils" in dieser Verfassnng an-
bietet? „Großer Stil und erster Zeitroman", das ist wie „prima
allererste Qualität", aber die Superlative, von denen man erst
subtrahieren muß, sind schon anrüchig geworden im Handel nit
Lebensmitteln, sollten sie vielleicht im Buchhandel jeht üblich
werde»? Dann müßten wir uns vor unseren Heeresberichten
schämen, die uns zeigen, wie vorsichtig der Superlativ abzuwägen
ist, wenn es einmal an wirkliche Leistungen geht.

Daß der Roman ein Aeitroman heißen will, ist nur dann zu
verstehen, wenn man annimmt, daß die Autorin es eben für an
der Zeit hielt, ihn jeht zu vollenden; daß er ebenfogut ein paar
Jahre früher oder einige später hätte fertiggemacht werden können,
ist gewiß als Zeitroman sein schärfstes Urteil. Doch sollte e§ einem
Verlag vom Rufe Albert Langens eigentlich nrcht begegnen, daß
er wie ein Krawattenhändler der neuesten Novität ein verkehrtes
Etikett aufsteckt. Oder verlangt es ihn nach einem Götz-Kraft-
schen Ramscherfolg? L. S.

Pferd.

Von Karl Loewenbcrg.

Die Wolken ziehen ihre Leiber zusammen über der Stadt.
Jhre abendlichblaucn Leiber. Drunten in der Stadt lärmen sie
in de» engen und breiten Straßen, den steincrnsten Häusern, an
dcn griinlichblassen Bäumen, den leise erwachenden Lichtern. Da
rennen sie, hohe Iünglingsgestalten mit ausgesuchten Farbem
kleidungen, blasse Maler mit den Spitzen eines Bartes. Gesichter
des Kaufmanns, des Studenten. Gesichter des Lebens und des
Todes, Dirnen, so die Feuerspitzen ihrer Augen weithin werfen.
Wohlgerüche wälzen sich in dem Staub. Dazwischen Hunde,
klein wie Sterne und weiß wie der Mond. Mancher geht ein-
sam und läßt die wilde Glutmusik des Lebens wie Cis in sich
cinziehen. Andere untergefaßt wie zwei Blumen dessclben Ge-
wächscs. Jrrend trabcnde Pferde, dencn der Schwciß auf dcm
Fell einen roten Glanz gibt. Dort die Wagen, die leise wie
Blätter rollen- Beladcne Karren. Alles Bewegung — Spiel —
Drehen — Staub.

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Seligkeit gewinnen, belohnt sie hundertfach dafür: wohl aber be-
drückt es die Stimmung des Lesers, mit welchen romanhaften
Mitteln der Dichter zu diesem Cnde kommt, wenigstens soweit es
den Mann betrifft. Denn Elfriede vvn Maggen, dies sei ihm gern
und dankbarcnHerzens zugestanden, geht einen wirklichen Schicksals-
weg, den man herzklopfend begleitet; und manchmal willes scheinen,
als ob die Karten des Mannes nur so bunt gemischt würden, damit
für sie Herz-As übrig blieb. Leider aber nimmt nicht sie, sondern
er den Hauptraum des Buches ein, und so kommt man bci aller
Achtung vor dem Dichter nicht darüber hinweg, daß cr es sich leicht,
ja zu leicht macht; denn alles Romanhafte an dem Geschick Cmerichs
von Butenhusen hingenommen: in seiner geistigen Fassung bleibt
bis zur lehten Cntwicklung ein Manko, das ihn nicht zum Sinnbild
fähig macht.

Dies aber müßte er bei dem hochgespannten Willen des Buches
wohl sein, sein Du müßte zum Jch des Lesers werden; gerade das
geschieht nicht, vielmehr wächst die Kritik an seinem Tun sich all-
mählich zu einem Kopfschütteln aus, das cine deutliche Ablehnung
in sich trägt. Das ist, um es zweimal zu sagen, deshalb nicht zu
übersehen, weil seine Persönlichkcit in ein Ziel eingespannt wird,
das überpersönlich gestellt ist; er schrumpft eher ein an seinem Ge-
schick, als daß cr daran zerbricht, oder gar wächst. Darüber vermag
auch der legendäre Schluß nicht hinwegzutäuschen, ja gerade,
indem man ihn als eine dichterische Darstellung von Rang genießt,
stellt sich die schmerzliche Cnttäuschung am stärksten ein, auch dies-
mal — wenn schon in einer ungewöhnlichen Art — um das A
und das O betrogen zu sein. Man hat ein nachdenkliches Buch
gelesen, aber man denkt ihm nicht gern nach, wcil man auf stärkere
Weise dazu genötigt zu werden hoffte. R. T.

Von Henriette Marie Kuckhoff.

Garten.

2" einem Garten war ein Kind bei seiner Mutter. Es hattc
viele schöne Schmetterlinge; die saßen ihm auf Kopf und Schultern
und Händen. Es war kein Windhauch im Garten und die Schmetter-
linge flogen nie fort.

An einem Tag sagte das Kind^zur Mutter: „Mutter, was ist
hinter der Mauer unseres Gartens?" „D Welt," sagte die Mutter.
„Mutter,?laß mich in die Welt!" Die T.utter sagte leise: „Jst es
schon so spät? So geh, Kind,", und ließ es hinaus. — Am Abend
kam das Kind und weinte: „Mutter, in der Welt ist Wind! Da flog
mir ein Schmetterling fort." Die Mutter saß still. „Warum sagst
du nichts, Mutter? Warum bist du so still? Sieh, mir blieben noch
viele Schmetterlinge!" „Dir blieben noch viele," sagte die Mutter. —
Am andern Abend kam das Kind wieder und weinte: „Mutter, mir
flog wieder ein Schmetterling fort!" Die Mutter blieb still. „Mir
bliebcn noch viele!" „Drr blieben noch viele," sagte die Mutter. —
Und jeden Abend kam das Kind weinend und erzählte, wie ihm wieder
ein Schmetterling fortgeflogen wäre; doch immer blieben ihm viele.
An einem Abend weinte es mehr. „Mutter, wieder flog einer
fort! Doch bleiben mir zwei." „Zwei bleiben dir noch," sagte die
Mutter. — Wieder kam es: „Mutter, der zweitlehte flog fort. Aber
der lehte bleibt mir, und er ist der schönste." Die Mutter sagte:
„Der letzte bleibt dir noch, und er ist der schönste." — Am nächsten
Abend kam das Kind und weinte nicht und sehte sich stumm zur
Mutter. Die sah es an und sprach: „Flog dir der letzte fort, der der
schönste war, mein Kind?" Das Kind nickte.

Auf einmal schrie es: „Mutter, was ist das für ein dunkler
Vogel, der über^uns schwebt, immer tiefer?" „Sei still, er wird
seine Flügel über dich breiten, lange." Der dunkle Vogel senkte sich
über das Kind und cs saß still, einen Tag und Abend, und noch cinen
Tag und Abend und viele, bis es ein Jahr war.

Da rührte sich das Kind und der dunkle Vogel flog fort. „Mutter,
wohin fliegt er?" „Zu andern Kindern, denen der letzte Schmetter-
ling fortflog." — „Mutter, hattest du auch Schmetterlinge?" „Ja."
„Mutter, was tust du, da deine Schmetterlinge nicht mehr da sind?"
„Jch pflege diesen Baum," sagte die Mutter, „gieße ihn, schneide
ihn, bin um ihn von früh bis spät." „Gib mir auch einen Baum,
Mutter." „Cs sind viele da. Geh und suche dir einen." — Da kam
es gelaufen: „Mutter, und wenn einer dir den Baum ausgräbt und
wegnirmnt?" „Dann versuche ich ihn wiederzuholen." „Und geht
das nicht?" „Dann suche ich einen andern und pflege ihn." „Mutter,
und wcnn der Baum dir stirbt?" „Dann suche ich einen andern und
pflege ihn; gieße ihn, schneide ihn und bin um ihn von früh bis spät."

„2st das alles^" fragte das Kind. „Das ist alles," sagte die
Mutter. Und sie lächelte.-Da ging das Kind zu seinem Baum.

iVerlag: A. Bagel, Düsseldorf. — Kunstdruckpapjer: 2> W. Zanders, B.-Gladbach.
rann - Steinbergschen Farbenfabriken, G. m. b. H., Celle (Hannover).
an den Hcrausgcber Wilhelm Schäfer in Vallendar a. Rh. erbeten.
tsexemplare wird keine Berpflichtung übernommen. Rückporto ist beizulegen.

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