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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 2
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Schäfer, Wilhelm: Adolf Hoelzel: ein deutscher Meister der Malkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0054

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Adolf Hoelzel.

Federzeichnung.

und hatte eigentlich nur den überlegenen Spott dasür,
der bis vor kurzem den Mann von Welt in Deutschland
auszeichnete.

Nun hat der Krieg über Nacht fertig gebracht, was
tausend Predigten nicht vermochten, er hat unsere Welt-
bürger in die deutsche Volksgemeinschaft zurückgestellt,
hat das vorlaute und anspruchsvolle Jch, in dessen Pflege
sich unsere Bildung zu verlieren schien, in die harte Aucht
der vaterländischen Pflicht genommen, wo es seinen
Wert und sein Glück im Volkstum finden muß, statt auf
eigene Faust in der Welt danach zu suchen. Kein Aweifel,
er wird unserm geistigen Leben eine volkstümlichere
Grundlage hinterlassen, als wir sie bisher besaßen, und
auch unsere Kunst wird die deutsche Frage deutlich
beantworten müssen. Freilich anders als mit der hand-
greiflichen Tendenz, wie sie gegenwartig in Aufsätzen
und Schriften zum Ausdruck kommt, ncm endlich Schluß
zu machen mit der Einfuhr ausländischer Bilder. Das
ist an sich natürlich konsequent gedacht: was an Mitteln
für die Kunst nach dem Krieg frei sein wird, braucht
ficher nicht in die Taschen Pariser Kunsthändler zu fließen,
und es wäre nicht nur wirtfchaftlich ein Jdeal, wenn wir
unser Kunstbedürfnis aus dem Jnland bestreiten könnten.
Aber es trifft nicht den Kern der Frage und läßt überdies
außer acht, daß ein ziemlicher Prozentsatz der deutschen
Künstler den starken Maßstab der nächsten -Zukunft nicht
aushalten wird. Es isi nicht das alte Deutschland, das
diesen Krieg führt, sondern ein neues, das wir erst
schaffen wollen; wie alles Gleichgültige, dürfte darin

auch die gleichgültige Kunst überflüssig sein: nur daS
Kräftige wird Geltung haben können und — dies eben
ist unsere Hoffnung — das, was wirklich volkstümlich,
d. h. aus unserem Volkstum gewachsen ist.

Hierüber zu entscheiden ist schon heikler, und die Er-
fahrung hat gezeigt, daß wir es nicht der Mehrheit, auch
der Künstler nicht, überlassen können. Als wir unsern
letzten Krieg mit Frankreich hatten, wurde ein junger
Maler aus Köln namens Wilhelm Leibl genötigt, aus
Paris heimzukehren, das ihm, dem Fünfundzwanzig-
jährigen, schon die große goldene Medaille gegeben hatte,
die er in Berlin erst sechsundzwanzig Jahre später erhielt.
Er hat danach sein Glück wieder in München versucht,
wo er auch unter Piloty studiert hatte; aber man darf
wohl sagen, daß es ihm nicht blühte: was damals in
München unter dem Eindruck der Reichsgründung — also
aus einer ähnlichen Situation — Mode wurde, war
Atelierkunst, und Lenbachs Urteil über das Kirchenbild
Leibls — als Malerei das vollendetste Bild der neuen
deutschen Kunst — lautete: „Auchthausarbeit". Leibl
hat seine Verehrung fürCourbet, den großen französischen
Meister, ebensowenig verleugnet, wie er mit seiner Ver-
bitterung über die deutschen Kunstverhältnisse zurück-
hielt, und doch ist gerade das genannte Bild mehr als
irgend eins seiner Aeit aus dem Geist der alten deutschen
Meister geschaffen, während das meiste, was damals
unter dem Hochdruck nationaler Begeisterung gepriesen
wurde, sich als altertümelnder Jmport oder gar als Un-
kunst erwies.

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