Adolf Hoelzel. Federzeichnung.
Parole ist. Eigentliche Malschulen im Sinn der Alten
haben wir außer den Nazarenern kaum bescssen, und die
tagten in Rom! Trotzdem, wenn wir bedenken, daß
Rethel, Feuerbach, Böcklin, Marees inrmerhin in einem
mittelbaren Ausammenhang mit ihnen stehen, so haben
wir den starksten Gehalt der deutschen Malerei im neun-
zehnten Jahrhundert beisammen, und also ein Beispiel,
was für eine Lebensgewalt in einer solchen Gemeinschaft
der künstlerische Entwicklungswille haben kann. Und
wenn die Düsseldorfer Akademie in der ersten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts einen Weltruf erlangte,
verdankte sie dies auch nur dem günstigcn Geschick, daß
ihr durch Cornelius und Schadow nacheinander der
Charakter einer wirklichen Schule im Sinn der Alten
gegeben worden war. Nachher hat es einen solchen
Lebensboden gemeinsamen künstlerischen Willens in
Deutschland nicht mehr gegeben, und es ist bezeichnend
genug für die weitere Entwicklung unserer Kunstverhält-
nisse, daß der einzige Kreis, dem man danach noch eine
grundsätzliche Vedeutung zusprechen könnte, die so-
genannte Leiblschule war. Was sich heute mit den
Namen Leibl, Trübner, Schider, Schuch, Alt, Hirth du
Frenes als eine unzweifelhafte Gemeinsamkeit der Ab-
sichten darstellt, war schließlich nichts als ein Freundes-
krcis (zu dem sich durch das Bindeglied Bayersdorffer
auch noch Thoma, Viktor Müller, Steinhausen, selbst
Böcklin zugesellten), der durch den Widerstand gegen den
amtlichen Kunstbetrieb am stärksten zusammengehalten
wurde. Dabei ist es mit der Aeit geblieben: Kunststadt
für Kunststadt in Deutschland erhielt ihre sogenannte
Sezession, d. h. die Gemeinsamkeit wurde in den Wider-
spruch oder, wie der Deutsche sagt, in die Opposition
verlegt.
Daß dies einen höchst ungesunden Austand unserer
Kunstverhältnisse anzeigt, braucht kaum dargelegt zu
werden: Opposition machen hat bis auf unsere Tage
einen staatsgefahrlichen Geruch gehabt und der Deutsche
Künstlerbund kam, trotzdem er ziemlich alle berühmten
Künstlernamen in Deutschland vereinigte, in der öffent-
lichen Meinung nicht über die Geltung einer kunst-
politischen Partei hinaus: Er war gewissermaßen die ver-
einigte Opposition, aber als Kunstgemeinschaft ein baby-
lonischer Turm. Und so ist es ziemlich mit allen Künstler-
vereinigungen bis heute geblieben, ihre Gemeinsamkeit
war wirtschaftlich oder kunstpolitisch; soweit sie sich künst-
lerische Aiele aufstellten, kamen darin doch nur Dinge
zum Ausdruck, die im Ausland entschieden waren. Man
konnte — das soll eine Feststellung, keine Moralisierung
sein — wohl von der Kunst und von Kunstschulen in
Deutschland, aber nicht von einer deutschen Kunst oder
gar einer deutschen Schule sprechen.
Es wurde schon angedeutet, daß eine grundsatzliche
Befreiung aus diesem unwürdigen Durcheinander nicht
etwa von der Parole „Heimatkunst" erwartet werden
kann; die Kunst ist eine Sache der Menschheit, der die
Völker dienen müssen, nicht umgekehrt. Jetzt etwa das
Programm eines neuen Deutschlands aufstellen und
darin der Kunst einen Arbeitsplatz anweisen, wäre
Schildbürgerei. Wie wir uns keinen privaten Herrgott
und keine private Sittlichkeit anschaffen können, so auch
52
Parole ist. Eigentliche Malschulen im Sinn der Alten
haben wir außer den Nazarenern kaum bescssen, und die
tagten in Rom! Trotzdem, wenn wir bedenken, daß
Rethel, Feuerbach, Böcklin, Marees inrmerhin in einem
mittelbaren Ausammenhang mit ihnen stehen, so haben
wir den starksten Gehalt der deutschen Malerei im neun-
zehnten Jahrhundert beisammen, und also ein Beispiel,
was für eine Lebensgewalt in einer solchen Gemeinschaft
der künstlerische Entwicklungswille haben kann. Und
wenn die Düsseldorfer Akademie in der ersten Hälfte
des neunzehnten Jahrhunderts einen Weltruf erlangte,
verdankte sie dies auch nur dem günstigcn Geschick, daß
ihr durch Cornelius und Schadow nacheinander der
Charakter einer wirklichen Schule im Sinn der Alten
gegeben worden war. Nachher hat es einen solchen
Lebensboden gemeinsamen künstlerischen Willens in
Deutschland nicht mehr gegeben, und es ist bezeichnend
genug für die weitere Entwicklung unserer Kunstverhält-
nisse, daß der einzige Kreis, dem man danach noch eine
grundsätzliche Vedeutung zusprechen könnte, die so-
genannte Leiblschule war. Was sich heute mit den
Namen Leibl, Trübner, Schider, Schuch, Alt, Hirth du
Frenes als eine unzweifelhafte Gemeinsamkeit der Ab-
sichten darstellt, war schließlich nichts als ein Freundes-
krcis (zu dem sich durch das Bindeglied Bayersdorffer
auch noch Thoma, Viktor Müller, Steinhausen, selbst
Böcklin zugesellten), der durch den Widerstand gegen den
amtlichen Kunstbetrieb am stärksten zusammengehalten
wurde. Dabei ist es mit der Aeit geblieben: Kunststadt
für Kunststadt in Deutschland erhielt ihre sogenannte
Sezession, d. h. die Gemeinsamkeit wurde in den Wider-
spruch oder, wie der Deutsche sagt, in die Opposition
verlegt.
Daß dies einen höchst ungesunden Austand unserer
Kunstverhältnisse anzeigt, braucht kaum dargelegt zu
werden: Opposition machen hat bis auf unsere Tage
einen staatsgefahrlichen Geruch gehabt und der Deutsche
Künstlerbund kam, trotzdem er ziemlich alle berühmten
Künstlernamen in Deutschland vereinigte, in der öffent-
lichen Meinung nicht über die Geltung einer kunst-
politischen Partei hinaus: Er war gewissermaßen die ver-
einigte Opposition, aber als Kunstgemeinschaft ein baby-
lonischer Turm. Und so ist es ziemlich mit allen Künstler-
vereinigungen bis heute geblieben, ihre Gemeinsamkeit
war wirtschaftlich oder kunstpolitisch; soweit sie sich künst-
lerische Aiele aufstellten, kamen darin doch nur Dinge
zum Ausdruck, die im Ausland entschieden waren. Man
konnte — das soll eine Feststellung, keine Moralisierung
sein — wohl von der Kunst und von Kunstschulen in
Deutschland, aber nicht von einer deutschen Kunst oder
gar einer deutschen Schule sprechen.
Es wurde schon angedeutet, daß eine grundsatzliche
Befreiung aus diesem unwürdigen Durcheinander nicht
etwa von der Parole „Heimatkunst" erwartet werden
kann; die Kunst ist eine Sache der Menschheit, der die
Völker dienen müssen, nicht umgekehrt. Jetzt etwa das
Programm eines neuen Deutschlands aufstellen und
darin der Kunst einen Arbeitsplatz anweisen, wäre
Schildbürgerei. Wie wir uns keinen privaten Herrgott
und keine private Sittlichkeit anschaffen können, so auch
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