Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 25.1915
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Heft 2
DOI Artikel:Schäfer, Wilhelm: Adolf Hoelzel: ein deutscher Meister der Malkunst
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I.
Adolf Hoelzel. Cntwurf.
abzugeben. Und sollte es nur ein Aufall sein, daß wir
eine solche Persönlichkeit in Adolf Hoelzel besitzen? Daß
er nicht als ein Einsamer, sondern heute schon als Lehrer
der merkwürdigsten deutschen Malschule dasteht?
Als Adolf Hoelzel vor einem Jahrzehnt zur Leitung
eines Meisterateliers an die Stuttgarter Akademie be-
rufen wurde, war er (geb. 13. Mai 1853 zu Olmütz) schon
über die Fünfzig, also in einem Alter, wo bei andern die
Ernte zu beginnen pflegt — falls sie etwas gesät und
nicht gleich bei der Ernte angefangen haben. Er hatte
das Glück, in dem hinterlassenen Schülerkreis Kalckrcuths
eine für große Aufgaben der Kunst angeregte Gemein-
schaft zu finden, und dies mag wohl die ungewöhnliche
Steigerung seiner Lehrerschaft beeinflußt haben: schon
im Jahre 1907 konnte er durch seine Schüler (unter
denen Brühlmann war) die Pfullinger Hallen ausmalen,
und seitdem weiß jeder Kunstfreund in Deutschland, daß
die monumentale Kunst von der Hoelzelschule etwaö Be-
sonderes zu hosfen hat.
Dieser Ausgang vom Wandbild hat sicher auf die
Scharfe und den Gang seiner Entwicklung bestimmend
gewirkt: der Schein von Ungebundenheit, der dem
Tafelbild anhaftet, sieht sich im Wandbild in die Aucht
dekorativer Verpflichtungen genommen, die sich nicht
mißachten lassen. Ein Bild im Rahmen ist eine Welt
für sich, ein Bild an der Wand ist ein Teil des Bau-
körpers, der sich seinen räumlichen Gesetzen einfügen
muß. Alle Künstler, die sich wirklich nüt monumentalen
Bildaufgaben beschästigten, haben erkennen müssen, daß
hicr eine vergrößerte Übertragung eines Tafelbildes un-
zureichend ist. Die Form der Wandflache, ihre Stellung
und ihr Wert im Raum, ihre durch die Räumlichkeit fest-
gelegte Beleuchtung, ihre Distanz vom Beschauer: alles
das stellt absolute Forderungen auf, die erfüllt werden
müssen. Sich mit Wandmalerei ernstlich beschäftigen,
heißt auch in der Malkunst Baumeister werden, heißt die
Möglichkeiten der künstlerischen Wirkung studieren, heißt
Gesetze erkennen und mit Bewußtsein anwenden, heißt
den Kontrapunkt im Bild studieren und anwenden statt
Eindrücke instrumentieren: Weil Adolf Hoelzel das Wand-
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Adolf Hoelzel. Cntwurf.
abzugeben. Und sollte es nur ein Aufall sein, daß wir
eine solche Persönlichkeit in Adolf Hoelzel besitzen? Daß
er nicht als ein Einsamer, sondern heute schon als Lehrer
der merkwürdigsten deutschen Malschule dasteht?
Als Adolf Hoelzel vor einem Jahrzehnt zur Leitung
eines Meisterateliers an die Stuttgarter Akademie be-
rufen wurde, war er (geb. 13. Mai 1853 zu Olmütz) schon
über die Fünfzig, also in einem Alter, wo bei andern die
Ernte zu beginnen pflegt — falls sie etwas gesät und
nicht gleich bei der Ernte angefangen haben. Er hatte
das Glück, in dem hinterlassenen Schülerkreis Kalckrcuths
eine für große Aufgaben der Kunst angeregte Gemein-
schaft zu finden, und dies mag wohl die ungewöhnliche
Steigerung seiner Lehrerschaft beeinflußt haben: schon
im Jahre 1907 konnte er durch seine Schüler (unter
denen Brühlmann war) die Pfullinger Hallen ausmalen,
und seitdem weiß jeder Kunstfreund in Deutschland, daß
die monumentale Kunst von der Hoelzelschule etwaö Be-
sonderes zu hosfen hat.
Dieser Ausgang vom Wandbild hat sicher auf die
Scharfe und den Gang seiner Entwicklung bestimmend
gewirkt: der Schein von Ungebundenheit, der dem
Tafelbild anhaftet, sieht sich im Wandbild in die Aucht
dekorativer Verpflichtungen genommen, die sich nicht
mißachten lassen. Ein Bild im Rahmen ist eine Welt
für sich, ein Bild an der Wand ist ein Teil des Bau-
körpers, der sich seinen räumlichen Gesetzen einfügen
muß. Alle Künstler, die sich wirklich nüt monumentalen
Bildaufgaben beschästigten, haben erkennen müssen, daß
hicr eine vergrößerte Übertragung eines Tafelbildes un-
zureichend ist. Die Form der Wandflache, ihre Stellung
und ihr Wert im Raum, ihre durch die Räumlichkeit fest-
gelegte Beleuchtung, ihre Distanz vom Beschauer: alles
das stellt absolute Forderungen auf, die erfüllt werden
müssen. Sich mit Wandmalerei ernstlich beschäftigen,
heißt auch in der Malkunst Baumeister werden, heißt die
Möglichkeiten der künstlerischen Wirkung studieren, heißt
Gesetze erkennen und mit Bewußtsein anwenden, heißt
den Kontrapunkt im Bild studieren und anwenden statt
Eindrücke instrumentieren: Weil Adolf Hoelzel das Wand-
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