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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 3
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Back, Friedrich: Richard Hoelscher
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0096

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Richard Hoelscher.

Jugend und Alter.

Hoelscher ist I88Z, mit sechzehn Iahren, zur Akademie in Kassel gekommen, in der er bis 1887
blieb. Eifrig ging er dort auch bei den alten Niederlandern der Galerie in die Lehre. Eine leb-
hafte Phantaste drängte zum AuSdruck. Die vielen Arbeiten der Kasseler Zeit zeigen außer eincr ent-
schieden malerischen Haltung bereitS eine merkwurdige Bildkraft.

In safrigeS WachStum hincin warf das dritte Iahrzehnt seines LebenS einen Frost. Er trat
daö Amt eines Zeichenlehrers an. Die Anregungen, die er sich etwa noch in München oder Paris
von Lehrmeiftern eigener Wahl hätte holen können, waren jetzt abgeschnitten. Er nahm das Lehr-
amt sehr ernft: eö verlangte mehr Kraft, als er wohl geahnt hatte. Zaudern, Unsicherheit und
Zweisel ergriffen den in scinem künstlerischen Schaffen Vereinsamten. Da schaltete er den kühnen,
freischöpferischen Drang einmal aus »nd setzte sich die Natur zur Herrin. Mit sirengfter Selbstzucht
faßte er nun die Aufgaben an, zu denen Form, Licht und stoffliche Erscheinung der Dinge heraus-
fordern. Die Farbe hält sich in den Gemälden dieser Iahre in sehr einheitlicher, meist kühler Tönung.

Um die Iahrhundertwende begann daS Vollbewußtsein der eigenen Persönlichkeit die Zweifel zu
zerstreuen. In der Klarheit des ZieleS sammeln sich alle Kräftc, auch die zurückgehaltenen. Die
Phantasie tritt wiedcr in ihr Recht, den Bildausdruck vorbeftimmend, die Massen zu sesterem Gefüge
meifternd; gefteigertes Lebensgefühl läßt warme, leuchtende Farben erklingen.

Dann kam auch im Äußeren eine entscheidende Wendung. Sein LandeShcrr, der Großherzog
von Hessen-Darmstadt, entzog ihn durch einen längeren Urlaub dem Druck des LehramtS.

Nach drei Iahren unbehinderten Schaffenö entschloß sich Hoelscher, die Sicherheit des Staats-
dienfteS gegen die volle Freiheit einzutauschen. Die langjährige Arbeir im Leben hat die Fruchtbarkeit
seiner Kunft beeinträchtigt, aber sein menschlichcs Wesen gestählt. Und es ist der AuSdruck einer ftarken
Persönlichkeit, den wir in seinen reifsten Werkcn neben allen artistischen Vorzügen besonders schätzen.

Hoelscher hat Ehrfurcht vor dem Wirklichen. Die ist etwas sehr Deutsches. Die deutsche Mystik,
eine der eigenartigsten Erscheinungen unseres geiftigen LebenS, hat die Wirklichkeit zur Würde deS
GotteSreichS erhoben. Bei solcher Gesinnung verlangen die räumlichen und die stofflichen Wcrte der Er-
scheinungswelt einen beftimmteren künstlerischen AuSdruck, als einen rein malerischen, der sie nur andeutet.

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