Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 25.1915
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Heft 3
DOI Artikel:Gischler, W.: Gregor von Bochmann der Jüngere †
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Abb. 7. Sandalenbinderin.
heißung hat. Hier ist ihm offenbar die reelle Grundlage
seines Studiums zugute gekommen, das naive Ablesen der
Form; aber der Leser war selbstandig geworden und so
kam eine Figur zustande, dic anscheinend eine absichts-
lose Modellstudie, in der Wirkung aber ein entzückendes
Kunstwerk von geschlossener Wirkung ist. Jeder Teil
des Körpers, die Gliedmaßen und der Leib stehen in
glücklicher Einheit nüt dem Köpfchen, wie Mund und
Augen spricht jeder Muskel das heiterste Selbstgefühl
dieser jungen Frau aus, die weder in der flackernden
Unruhe der Abschiedsgruppe noch in der dumpfen Ruhe
der Sandalenbinderin dasteht und innere Bewegung
mit statuarischer Haltring merkwürdig vereint. Aber was
an sich so naiv aussieht, ist trotzdem stilistisch mehr geworden:
namlich ein Stück deutscher Bildnerkunst. Jedermann,
der die alten Buchs- und Elfenbeinfigürchen kennt, wird
von denr Iusammenhang überrascht sein: es ist die selbe
Rasse und zwar — dies ist eben das Schöne und Ver-
heißungsvolle daran — ohne die außere Anlehnung, von
der die Sandalenbinderin ebensowenig frei geworden ist,
wie ziemlich alles andere, was in dieser Richtung ge-
arbeitet wurde.
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heißung hat. Hier ist ihm offenbar die reelle Grundlage
seines Studiums zugute gekommen, das naive Ablesen der
Form; aber der Leser war selbstandig geworden und so
kam eine Figur zustande, dic anscheinend eine absichts-
lose Modellstudie, in der Wirkung aber ein entzückendes
Kunstwerk von geschlossener Wirkung ist. Jeder Teil
des Körpers, die Gliedmaßen und der Leib stehen in
glücklicher Einheit nüt dem Köpfchen, wie Mund und
Augen spricht jeder Muskel das heiterste Selbstgefühl
dieser jungen Frau aus, die weder in der flackernden
Unruhe der Abschiedsgruppe noch in der dumpfen Ruhe
der Sandalenbinderin dasteht und innere Bewegung
mit statuarischer Haltring merkwürdig vereint. Aber was
an sich so naiv aussieht, ist trotzdem stilistisch mehr geworden:
namlich ein Stück deutscher Bildnerkunst. Jedermann,
der die alten Buchs- und Elfenbeinfigürchen kennt, wird
von denr Iusammenhang überrascht sein: es ist die selbe
Rasse und zwar — dies ist eben das Schöne und Ver-
heißungsvolle daran — ohne die außere Anlehnung, von
der die Sandalenbinderin ebensowenig frei geworden ist,
wie ziemlich alles andere, was in dieser Richtung ge-
arbeitet wurde.
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