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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 4
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Schmidt, Paul Ferdinand: Deutsches Barock und Rokoko
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0141

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nicht zu den auf Porträt, sondern
auf Kirchenfresko erzogenen Malern.

Sein gewandter Eklektizismus, der
von Rembrandt bis Boucher reicht,
scheint ihm keine Handhabe für die
ungewöhnliche Aufgabe dargeboten
zu haben, 18 Personen so gut wie
lebensgroß in einem Iimmer zu
malen. Wenigstens verschmaht cr
naheliegende Muster aus Holland
vollkommen und bildet sich seinen
Stil mit einer merkivürdigen Eigen-
willigkeit: ganz plastisch, auf harten
Umriß und Herausarbeiten jeder
Einzelfigur bedacht, dabei als Kom-
position von rührender Naivitat und
im ganzen mit ausfallend herber
und archaischer Wirkung. Es ist im
höchsten Grade bemerkenswert, daß
ein technisch so geschickter Maler
wie Aick eine derartige Anfangs-
lösung unternimmt. Es deutet auf
eine tiefe und notmendige Grund-
strömung in der itschen Kunst;
ein Jahr vor der Kurt Runges
werden mitten m dem Nokoko
heraus Probleme aufgeworfen, die
rcin deutscher Herkunft sind. Und
daß dieses mächtige Familienbild
kein isoliertes Erzeugnis darstellt,
beweist das ganze Auftreten von
Aiesenis.

Jn weit höherem Grade als
Graff ist Ziesenis der Realist des
Rokoko, der Deutsch-Eigenwillige.

Obwohl von Geburt Dane (er war
1717 in Kopenhagen geboren), kam
er doch früh genug nach Deutsch-
land, um der stärkste Vertrcter der
deutschen Auffassung im 18. Jahr-
hundert vor Carstens und Schadow zu werdcn. Das
Merkwürdigste ist, daß er fast auSschließlich Fürstlich-
keiten und Hofleute gemalt hat, also in den Kreis der
Jnternationalen gehören müßte. Aber es gibt kaum
einen größeren Gradunterschied als den zwischen ihm
und jenen; selbst Graff steht Mengs oder Mentens sehr
viel naher als Ziesenis, und man kann nur Öelenheinz
und nüt Einschrankungen Edlinger als seine Gesinnungs-
genossen von künstlerischem Rang anführen. Es ist aber
nicht allein das Unbefangene, fast bürgerlich Realistische
seiner Auffassungsweise und dic wunderbare Klarhcit
des Seelenbildes, die ihn hoch über alle Hofportratisten
seiner Ieit und auch jenseits der besten Franzosen
stellen: das bedeutet einen rein künstlerischen Faktor,
der ihn allerdings als einen wahren Schöpfer und
Menschenbildner neben die größten Deutschen des
18. Jahrhundert. "hebt, nänüich Carstens und Schadow.
Aber entwicklungögeschichtlich bedeutet er das Verbin-
dungsglied zwischen den Meistern des 17. Jahrhunderts
wie Stech und Schultz zu den romantischen Realisten
von der Art Runges, Wasmanns, Schnorr von Carols-

Januarius Aick (1732—97).

Selbstbildnis.

feld, des Berliner und Münchner Realismus. Nicht als
ob er diese beeinflußt haben könnte (seine Portrats
waren ja nahezu unzuganglich in Fürstenbesitz): aber
es genügt die Eristenz eines in so andersartiger Um-
gebung schaffenden Realisten vom Holbeinschem Iu-
schnitt, um das Bewußtsein der innner vorhandenen
Gegenströnmng zu erhalten. Diese Gegenströmung
wurzelt — man kann das nicht genug betonen — in dem
zeichnerischen und koloristischen Grundelement der deut-
schen Auffassung, und sie findet in Iiesenis deshalb
einen so besonders auffallenden Vertreter, weil das
Porträt ini 18. Jahrhundert die ausschließliche Do-
mane der Nokokomalerei zu sein schien. Davon ist bei
Iiesenis gar keine Rede; leuchtende Flächen von Lokal-
farben bestinimen, ganz ahnlich wie bei Stech, das
Kolorit und geben jedem Bild eine besondere Note,
und die sehr deutlichen und den Eindruck bestinimen-
den Konturen, welche sie unischreiben, müssen wohl
auch deni Farbenblinden zu verstehen geben, daß hier
ein von Pesne und Lampi grundverschiedenes, plastiscb
empfindendes Temperament wie ein Wunder im
 
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