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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 4
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Schmidt, Paul Ferdinand: Deutsches Barock und Rokoko
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0150

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Deutsches Barock und Rokoko.

tritt, kristallisiert sich in den römischen Arbeiten von
I. Chr. Reinhart, der in seiner Jugend (vor allem in den
köstlichen Radierungen seiner Meininger -Zeit) ein Pfad-
finder des Realismus war. Dieser Realismus, der aus
dem Studium der Hollander entstand, wachst seit c en
70cr Jahren allcnthalben in Deutschland empor, ui -
beachtct fast und jedenfalls von keiner Fürstengunst ge-
fördert (wenn man das persönliche sehr schöne Verhältnis
Reinharts zu Herzog Georg von Meiningen ausnimmt).
Er hat seine Mittelpunkte am Mittelrhein, wo Ferdinand
Kobell in Mannheim die stille Anmut der Ebene cnt-
deckt und in seinen Nadicrungen festhält, Chr. Georg
Schütz d. A. (der einzig bedeutende der Künstlerfamilie)
in Frankfurt oft überraschend feine und idyllische Töne
in seinen Rheinlandschaften anschlägt („Weisenau bei
Mainz"); in Sachscn, wo schon in der ersten Halfte des
Jahrhunderts der Dresdner Alerander Thiele eine be-
sondere Schwermut und Stimmungskraft in seine dunklen
Landschaften zu legen wußte und Prospekte von der
Saale und Elbe maltc,
und wo spater Klengel in
Dresden ein langsames
Reifen seines feinen Nea-
lisnms erlebte — ähnlich
dem Schlesier Nathe, von
dem es erstaunlich unbe-
fangene Aquarelle gibt.

Rauscher in Koburg kann
man wohl in diese Gruppe
einreihen; er arbeitet mit
feingezeichneten undlicht-
atmendendeutschen Land-
schaften schon den plasti-
schen Realisten vom
Schlage Wagenbauers
und Waldmüllers vor.

Klengel ist insbesondere
auch als Lehrer von
großer Wichtigkeit; so
grundverschiedcne Natu-
ren wie Rcinhart und
C. D. Friedrich vcrdan-
ken ihm wesentliche An-
regungen.

Einen dritten Mittel-
punkt dieser künstleri-
schen Eroberung dcutscher
Landschaft bildet die
Schweiz. Der Lehrer
und Stammvater der
Schule ist der -Züricher Danicl Chodowiccki.

I. H. Wuest, dessen dunkle Landschaften eine Thiele ver-
wandte Kraft düsterer Stimmung auszeichnet. Seine
Schüler aber dringen völlig in den Geist der neuen
Anschauung ein, und ihre Werke gehören zum Frischesten
und Sonnigsten, was das 18. Jahrhundert hervorgebracht
hat: vor allem Aberli und Ludwig Heß, der neben seinen
treuen Alpendarstellungen auch eine romantische Art von
Zdyll pflegt. Birmann steht ihm am nachsten; Huber,
Grimm, Küstcr neigen mehr zur holländisch-malerischen
Auffassung.

Eine besondere Persönlichkeit ist Menken aus Breinen,
neben K. Wilh. Kolbe, deni Berliner, der bedeutendste
Tierdarsteller des 18. Jahrhunderts; zugleich cin Land-
schafter von unbedingter Ehrlichkeit der Anschauung.

Ph. Hackert als Realisten hinzustellen, wie das immer
geschieht, geht nicht gut an. Wir können seine nach
Lorrainschem Rezept gestcllten, aber wie aus Blech aus-
geschnittenen Prospckte hcute unmöglich für Porträts von
bestimmten Gegenden ansehen; sie sind genau so abstrakt

und pseudo - klassizistisch
empfunden wieTischbeins
Griechen. Hackert (und
Tischbein,als Landschafter
scin Schüler) bildet zwar
durch seinen grelten zeich-
nerischen Kolorismus ei-
ncn denkbar scharfen Kon-
trast zu den letzten Barock-
malern der Landschaft, zu
den beiden Brand, von
denen der Sohn, Joh.
Christian Brand, der be--
deutendere ist (f 1795).
Abereristdeshalbdoch nur
ein Klassizist und kein
Realist, welchen Ehren-
titel man den Entdeckern
von Luft, Wahrheit und
Stimmung vorbchalten
nmß, die soeben notdürf-
tig namhaft gemacht wur-
den. Die drei großen
Bahnbrecher der nioder-
nen Landschaft aber be-
ginnen unmittelbar an der
Schwelle des 19. Jahr-
bunderts: Martin v. Roh-
den in Rom, Runge und
C. D. Friedrich in Nord-
deutschland.

Anton Graff (Kohlezcichnung). Paul F. Schmidt.
 
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