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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 6
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Häuselmann, Johann Friedrich: Kriegerisches Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0210

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Kriegensches Kunsigewerbe.

kunst fehlen würde. Die Erfahrungen und Einflüsse des
Krieges können spatcr bei friedlichen künstlerischen
Außerungen verwertet werden, und für die Klarheit
kriegerischer Schöpfungen ist das Vorhandensein eines
zeitlichen Abstandes sicherlich nur von Vorteil. Möge
somit unsere zeitgemaße Kriegskunst ein loses, enthalt-
sam zu genießendes Aeitbild bleiben.

Eine Bestätigung dieser Gedanken finde ich in der
gewiß nicht zufalligen Erscheiinmg, daß eigene Künstler-
arbeiten durch
die Gewalt
des Ereignisses
zwar in außer-
ordentlicher
Anzahl ent-
stehen, daß sie
aber nur bei
einfacher Ver-
vielfaltigung
einegroßeVeo
breitung fin-
den, bei kost-
spieligerer Er-
zeugung da-
gegen zunachst
liegen bleiben.

Man wird dies
in allen Kunst-
gebieten, na-
mentlich aber
im Kunstge-
werbe, fest-
stellen können.

Früher war
daskriegerische
Kunstgewerbe
ein Hauptbe-
standteil der
fürstl. .Kunst-
pflege, heute
fällt es in den
Bereicb deS
freien Gewer-
bes, dessen Er-
zeugung sich
nach der Nach-
frage richtet.

Bei der in den
guten Kunst- Abb. 6.
gcwcrbebetrie-

bcn gewohnten genauen Prüfung dicser Nachfrage er-
gab sich anfangs keine große Neigung zur Erzeugung
kunstgewerblicher Kriegögegenstande. Die mangelnde
Nachfrage beweist die Ratlosigkeit der Käufer zur Ge-
nüge. Trotz der prachtvollen Kriegsbegeisterung war
die Sehnsucht nach entsprechender künstlerischer Um-
gebung noch nicht erwacht. Der künsilerisch ganz un-
geklärte Teil der Bevölkerung dagegen hat sich hungrig
auf den Kitsch gestürzt, der nun einmal eine ständige
Nebenerscheinung großer Ereignisse zu sein scheint. Jn
dem Augenblicke aber, da noch fast tastend Absatz für gutes

kriegerisches Kunstgewerbe gesucht wird, auf der andern
Seite jedoch haushoch sich der Kitsch auftürmt, ist unserer
anitlichen Kunstpflege, die sich nach derzeitigen Verhält-
nissen hauptsächlich auf die Förderung geschaffener Werte
beschränkt, die Aufgabe gestellt. Einmal liegt sie eben in
der Beihilfe zur Verbreitung guter Erzeugnisse, zum
andern besteht sie rein belehrend im Einfluß auf die Ge-
schmacksbildung der Bevölkerung. Damit verbunden ist
ein eingehender stofflicher Unterricht. Für diese doppel-

te Geschmacks-
bildung sind
kunstgewerbli-
cheSammlun-
geninfolgeder
ÄrtundGröße
ihrer Bestand-
teile sehr vor-
teilhaft, so daß
der Gedanke
dieser Kunst-
erziehung erst-
malsinnerhalb
eines Kunst-
gewerbe-Mu-
seums zur
Durchführung
kam.

Bekanntlich
ist den vorzüg-
lichgeordneten
Sammlungen
des Kgl. Lan-
des-Gewerbe-
museums in
Stuttgart be-
reits seit eini-
gen Jahren
eine Kitschab-
teilung mit
Geschmacks-
verirrungenal-
ler Art ange-
gliedert. Jni
iveiteren Ver-
folg dieser Un-
ternehmung
hat der Vor-
stand des Mu-
seums, Pro-
fessor Dr. G.

E. Pazaurek, bald nach Kriegsausbruch initgeteilt, daß
diesclbe mit den guten und bösen Erzeugnissen dergewerb-
lichen Kriegskunst eine Fortsctzung findcn soll. DerGedanke
ist nun in Form einer mehrwöchigen AuSstellung, die am
1. Mai eröffnet ivurde, zur Durchführung gekommcn.
Bei den vielseitigen Beziehungen, welche dcm Vorstand
des Museumü zur Verfügung stehen, durfte eine reiche
Auslese erivartet werden, und diese Hoffnung hat nicht
getrügt. Da im Landesgewerbcmuseum zu Stuttgart
auch die vielfach dem Kunstgewerbe dienende Graphik
seit langem eine Heimstätte hat, finden wir auch ihre

Glasierte Tonfiguren (Jda Schwetz-Lehmann, Wisn).

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