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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 7
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Schäfer, Wilhelm: Hans Gsell †
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0243

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Hans Gsell.

L'öwin (Bronzc).

Hans

m ZO. April d. I. fiel bei SavonniörcS als Leut-
nant der Landwehr der clsassische Bildhauer Hanö
Gsell. Er war zu Hagcnau i. E. am 19. Fe-
bruar 1884 geboren und stand also noch im Ausstieg
scines Lebcns, als er es dem Vaterland zum Opser
brachte; daß wir trotzdem mehr alö eine Hoffnung, daß
wir einen zum eigenen Stil gcreiftcn Künstlcr an ihm
verlieren, sagen jedcm gcschulten Auge die Abbildungen,
die wir diescm Nachruf bcigeben können*. Schon iui
Januarhest I9l2 dcr „Rhcinlande" wurde cine crstc
Würdigung dcö Künstlers vcrsucht, dic alS Anregung
für den damals Achtundzwanzigjährigen gedacht war;
sie konnte außcr der licgenden Löwin in Gips (heutc
ist das Relief als Bronzeguß vorhanden) nur Majolikcn
zeigen; also sogcnanntc Klcinplastil) unter der scin Edcl-
falke sich nicht allein durch daö Material (versilberte
Bronze auf Marmorsockel) alö ein besondereö Stück
abhob. Es kann heute nicht mehr zwciselhaft sein, daß
dies für seine Tierbildnerci daö gecigncte Format war
und daß er sich als Klcinplastiker am eigcnsten auö-
gesprochen hat.

Natürlich ist daö nicht im Sinn der verkauflichen
Gegenstände gemcint, die in den Schaufenstern unserer
„Galanteriewarcngeschäfte" ihrc Bronze spiegeln laffen.
Durch die vorbildliche Arbcit von August Gaul sind auch
dcm Laicn die Augen gcöffnet wordcn, daß dic monu-
mentale Form nicht an dcn Umfang gcbundcn ist; wie
dessen Schafc, Gänse und Fischottcrn monumcntaler sind
als die meistcn Reiterstandbildcr in unserm Vaterlanch

'' Wir verdankrn die vortrefflichen Aufnahmen cincm Freund
des Künstlers, dem Maler Ernst Hayman» in München.

Gsell f.

so zeigen auch die Arbcitcn von Hans Gsell ausnahms-
loö die crnste Absicht, große Form im kleinen Umfang
zu bewahren. Er hat mit Majoliken angefangen, deren
glasierte Oberfläche keine Tändelei dcr Einzelhciten ge-
stattct, und die Schulung dicser Technik ist für scine
Anschauung bestimmend geblicbcn. Freilich nur als
stilistische Grundlage, nicht alö Bcqucmlichkeit: wie die
bckannten Tierfigurcn der Kopeuhagener Porzellan-
Manufaktur dartun, läßt sich mit dcr glasicrtcn Ober-
fläche reizvolles „Kunstgcwcrbe" trcibcn, und tatsächlich
liegt eine große Verfübrung darin, in der kunstgewerb-
lichen Auöbildung zu beharrcn. Jhre grundsätzliche Untcr-
schcidung von der reincn bildendcn Kunst — und also
ihr Mangcl — liegt darin, daß sie vom Material und
der ihm gcmäßen handwerklichcn Technik abhängig blcibt,
während der bildende Künstler z>var matcrialgerecht ar-
bciten, aber dcn Auödruck seiner Schöpfungen zu eincr
Formcnsprache stcigern will, in dcr die Natur — trotz
aller Gcbundenheit der Technik — allcin von dcr künst-
lerischen Anschauung bcherrschl wird.

Man wird also die Bildung und wachscndc Mcistcr-
schaft cineö Künstlcrs nic in dcr zunehmcndcn technischen
Bravour, sondern in dcr Steigerung seincr Natur-
anschauung suchen müsscn, und crst, wer hierauf sein
Augenmcrk richtet, wird cine künstlerischc Kraft wie die
von Hans Gsell richtig cinschätzcn. Er hattc als Maler
bcgonncn und war erst als Zügclschülcr durch eiudring-
liche Bctrachtung der Tiere zum Bildhauer gewordcn;
cine Art Liebc also trieb ihn zu diescm Berufswechsel,
bei dem das Ticr mit dcr festcn Gcbundenhcit sciner
Formcn aus dcm Lichtspiel dcr Landschaft hcrauögelöst
 
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