Ha»s Gsell.
und die Landschaft — ursprünglich die Hauptsache —
schließlich als ncbcnsächlich wcggclassen wurde. Ob er
in der Folge Raubvögel oder Raubkatzcn bildetc, diese
Licbe blieb und wurde ftärker in der zunehmendcn Jn-
timität; da war nichts mehr Moliv, allcö wurde Erlcbm'S
einer Naturanschauung, die sich immcr tiefer in die
Wunderwclt dcö unerschöpflichen Formcnspielö verstrickt
sah. Ein Stcinadlcr, cin Sceadlcr, cin Kronadlcr, durch
dcn Namcn und für dcn oberflächlichen Eindruck von
ciner Art, sind in dcr Anschauung Gsclls (Abb.S.228/ZO)
Erscheinungcn von ausgeprägtcr Sondcrart; und so stark
— sast möchte man sagen mcnschlich — ist jcdcsmal
ihr Wesen für sich, daß man ihrem Lebcn und ihrem
Schicksal nachdenkt. Man braucht sie sich nur in Kopen-
hagcner Porzellan dancben vorzuftcllcn, um die Kluft
zu sehen, die hicr zwischcn Kunst und Kunsthandwcrk
befcstigt ist; dorr würde man höchstenfalls den schöncn
Flnß deö Gcficders und die geschmcidige Erscheinung
bcwundcrn, hicr steht man im Bann dcs Naturwcsens,
sodaß man lange braucht, um das Einzelne (dcn
Schnabcl und dic Krallen) als künstlerische Mache zu
prüfen.
Daß eö ziemlich auönahmölos Raublicrc sind, die
Gscll zu formcn versuchte, wird man ebensowohl als
cine Vorlicbe wic cinc bewußte Bcschränkung deuten
können; cö fehlte dcm Künstler offcnsichtlich jcne Frei-
hcit und Breite dcr Anschauung, dic Gaul als eincm
großen und vollkommcncn Meister crstaunlich cigen ist
(sodaß ihm die ganze Arche Noah versügbar scheint),
er mußte sich Stück sür Stück erzwingcn und konnte
dcn Umkrcis seiner Stoffc nur schrittweise crweitcrn;
dafür behieltcn die gelungencn Werke seiner Hand gegen-
jgungcr Lcopcud.
übcr der mcisterhaftcn Vercinfachung Gaulö cincn Rcst
persönlicher Auseinandcrsctzung mit dem gcgcnwärtige»
Modell, der sie auf cine stillc Weise rührend macht.
Und schlicßlich war Gscll, als cr dcn Heldentod starb,
noch im Alter eincs Meisterschülcrö, währcnd Gaul gegcn
die Fünfzig geht. Daß Gsell überhaupt mit ihm ver-
glichen werdcn kann, dcutet jedcnfallS aus cine Künstlcr-
schast von ungcwöhnlicher Reifc, und — da cr niemalö
in Schülerschaft zu dcm Mcistcr stand — aus eine Sclb-
ständigkeit, von dcr noch Bcdcutendcs zu crhoffen gc-
wcscn wäre.
Diese Hoffnungcn hat dcr Krieg nun in dcn Wurzcln
abgcschnitten; daö Schicksal hat gcwollt, daß HanS
Gsell als Drcißigjähriger zu dcn Fahnen und allc Ieichen
scincr Bcgabung in cin Jahrzehnt zusammendrängen
mußte. Es wäre sinnloö, dcr Traucr um ihn dic Klagc
oder gar die Anklage um ihn nnd andcre künstlcrischc
und gcistige Kräftc bcizumischcn, dic daö dcutschc Vollo-
tum in dicsem grausamcn Kricg hingeben muß. Mcnsch-
lich opferten sie nicht mehr als dic anderen, ihr cinzigcs
Lebcn; die Kunst, auf den Zufall der Bcgabungcn imd
auf die Zufälligkciten ihrcr Entwicklung gcstcllt, kann
nicht anders alö mit dcn Resultatcn rechncn; ob Raffael
jung starb und Tizian uralt wurde, ist für dcn Wcrt und
die Wirkung ihrer Schöpfungcn gleichgültig. Wohl abcr
kann dcr srühe Tod cincS Künstlers seincr Kunst zum
Schicksal werdcn, indem seine Begabung sich mit dcn
Jahren von selbcr durchgesetzt Hätte, nun aber für die
meistcn noch ungekannt dahin mußtc und ihren Werkcn
nicht die Sichcrung gegen Vergcffenhcit und Vcrschleude-
rung geben kvnnte, die sie vcrdicnen. Eö ist fraglich, ob
irgendeins der Werkc von HanS Gscll schon in eine Galerie
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und die Landschaft — ursprünglich die Hauptsache —
schließlich als ncbcnsächlich wcggclassen wurde. Ob er
in der Folge Raubvögel oder Raubkatzcn bildetc, diese
Licbe blieb und wurde ftärker in der zunehmendcn Jn-
timität; da war nichts mehr Moliv, allcö wurde Erlcbm'S
einer Naturanschauung, die sich immcr tiefer in die
Wunderwclt dcö unerschöpflichen Formcnspielö verstrickt
sah. Ein Stcinadlcr, cin Sceadlcr, cin Kronadlcr, durch
dcn Namcn und für dcn oberflächlichen Eindruck von
ciner Art, sind in dcr Anschauung Gsclls (Abb.S.228/ZO)
Erscheinungcn von ausgeprägtcr Sondcrart; und so stark
— sast möchte man sagen mcnschlich — ist jcdcsmal
ihr Wesen für sich, daß man ihrem Lebcn und ihrem
Schicksal nachdenkt. Man braucht sie sich nur in Kopen-
hagcner Porzellan dancben vorzuftcllcn, um die Kluft
zu sehen, die hicr zwischcn Kunst und Kunsthandwcrk
befcstigt ist; dorr würde man höchstenfalls den schöncn
Flnß deö Gcficders und die geschmcidige Erscheinung
bcwundcrn, hicr steht man im Bann dcs Naturwcsens,
sodaß man lange braucht, um das Einzelne (dcn
Schnabcl und dic Krallen) als künstlerische Mache zu
prüfen.
Daß eö ziemlich auönahmölos Raublicrc sind, die
Gscll zu formcn versuchte, wird man ebensowohl als
cine Vorlicbe wic cinc bewußte Bcschränkung deuten
können; cö fehlte dcm Künstler offcnsichtlich jcne Frei-
hcit und Breite dcr Anschauung, dic Gaul als eincm
großen und vollkommcncn Meister crstaunlich cigen ist
(sodaß ihm die ganze Arche Noah versügbar scheint),
er mußte sich Stück sür Stück erzwingcn und konnte
dcn Umkrcis seiner Stoffc nur schrittweise crweitcrn;
dafür behieltcn die gelungencn Werke seiner Hand gegen-
jgungcr Lcopcud.
übcr der mcisterhaftcn Vercinfachung Gaulö cincn Rcst
persönlicher Auseinandcrsctzung mit dem gcgcnwärtige»
Modell, der sie auf cine stillc Weise rührend macht.
Und schlicßlich war Gscll, als cr dcn Heldentod starb,
noch im Alter eincs Meisterschülcrö, währcnd Gaul gegcn
die Fünfzig geht. Daß Gsell überhaupt mit ihm ver-
glichen werdcn kann, dcutet jedcnfallS aus cine Künstlcr-
schast von ungcwöhnlicher Reifc, und — da cr niemalö
in Schülerschaft zu dcm Mcistcr stand — aus eine Sclb-
ständigkeit, von dcr noch Bcdcutendcs zu crhoffen gc-
wcscn wäre.
Diese Hoffnungcn hat dcr Krieg nun in dcn Wurzcln
abgcschnitten; daö Schicksal hat gcwollt, daß HanS
Gsell als Drcißigjähriger zu dcn Fahnen und allc Ieichen
scincr Bcgabung in cin Jahrzehnt zusammendrängen
mußte. Es wäre sinnloö, dcr Traucr um ihn dic Klagc
oder gar die Anklage um ihn nnd andcre künstlcrischc
und gcistige Kräftc bcizumischcn, dic daö dcutschc Vollo-
tum in dicsem grausamcn Kricg hingeben muß. Mcnsch-
lich opferten sie nicht mehr als dic anderen, ihr cinzigcs
Lebcn; die Kunst, auf den Zufall der Bcgabungcn imd
auf die Zufälligkciten ihrcr Entwicklung gcstcllt, kann
nicht anders alö mit dcn Resultatcn rechncn; ob Raffael
jung starb und Tizian uralt wurde, ist für dcn Wcrt und
die Wirkung ihrer Schöpfungcn gleichgültig. Wohl abcr
kann dcr srühe Tod cincS Künstlers seincr Kunst zum
Schicksal werdcn, indem seine Begabung sich mit dcn
Jahren von selbcr durchgesetzt Hätte, nun aber für die
meistcn noch ungekannt dahin mußtc und ihren Werkcn
nicht die Sichcrung gegen Vergcffenhcit und Vcrschleude-
rung geben kvnnte, die sie vcrdicnen. Eö ist fraglich, ob
irgendeins der Werkc von HanS Gscll schon in eine Galerie
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