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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 9
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Schäfer, Wilhelm: Wilhelm Lehmbruck
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0316

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Wilhelm Lehmbruck. Sihendes junges Weib (Bronze).

Daß der Belgier van de Velde, der in dicser Be-
wegung unbestreitbar bis in unsere Tage die Rolle eineö
Anregers gespielt hat, weder in
Brüssel noch in Paris, wo er es
zunächst versuchte, einen Lebens-
boden fand, sagt uns deutlich,
wie die Aufgabe für unser Volk
liegt: Es wäre ein Aberglauben,
zu meinen, daß wir Deutsche
nun als das auserwählte Volk
der wahren Genies Hosianna
rufen könnten; der liebe Gott,
den einige Hitzköpfe auch schon
als einen Deutschen reklamieren,
hat durchaus keine Veranlassung,
uns mit künstlerischen Gaben und
Talenten zu bevorzugen — er
läßt bekanntlich seine Sonne über
Gerechte und Ungerechte schei-
nen — er hat das Auserwahlt-
sein allein in unsere Tüchtigkeit
gelegt, und worin könnte diese
Tüchtigkeit anders bestehen, als
in der Tapferkeit, unser Dasein
in allen Außerungen und Formen
mit der Gesinnung in Einklang
zu bringen, d. h. die Gesinnung
zur obersten Macht unseres Lebens
zu machen? Die Genies und die
Talente sind Geschenke, die wir
weder erbeten noch erzwingen
können, wohl aber sind wir fähig,
aus uns selber den Lebensboden
für sie zu schaffen, und der kann
durch nichts anderes beackert wer-

den als durch den Aufschwung der Lehmbruck. Badendes

Gesinnung, darin sich Kunst und Sittlichkeit in jener
gläubigen Verpflichtung finden, die wir religiös nennen.

Ob diese Gesinnung aber in
den Würdentragern zu finden ist,
die das Wasser des landläufigen
Geschmacks auf ihre Mühlen zu
leiten wissen, oder in den stolzen
Einsamen, die irgendwie an eine
Jdee derKunst ihrHöchstes setzen:
dies darf uns heute weniger als
jemals zweifelhaft sein. Durch
unsern Kaiser ist das Wort des
John Knor wieder in Vieler
Mund gecommen, daß ein Manr,
mit Gott immer in der Majorität
sei; wir wollen abcr die stolze
Demut dieses Wortes nicht ohne
die Erinnerung hinnehmen, daß
auf den Kopf seines Sprechers
ein Preis gesetzt war um seiner
religiösen Überzeugung willen,
und daß es aus der tiefen Not
unausgesetzter Verfolgung ge-
sprochen wurde. Erst im Auf-
schwung für eine Jdee über alles
bürgerliche Wohlbehagen hinweg
ist seine Lebensluft, und in dieser
Lebensluft haben von allenDeut-
schen der letzten Jahrzehnte viel-
leicht die anc glaubigsten gelebt,
die ein billiger Patriotismus
heute als abseits stehend ab-
schnüren möchte.

Das soll beileibe nicht für die
Jongleure der Verblüfsung in
junges Weib (Vg Lebensgr.). Anspruch genommen werden und
 
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