Wilhelm Lehmbruck.
Iunqe Frnu
(Detaih Museum Clberfeld).
nähe bis in die stärkste Übersteigerung zu bewahren, d. h.
also Stil aus diesem Urboden ohne Opfer der Anschauung
zu gewinnen. Diese Verstärkung der stilistischen Absicht
läßt eine Vergleichung von Abb. 1 u. Abb. 2 ebenso
deutlich erkennen wie die von Abb. 2 t>. 3; wer ihr bis
zu der deutlichen Trennung gefolgt ist, die Kopst Brust
tind Leib in dem Torso (Abb. 3) erfahren, der wird ihrer
Übersteigerung in dem „Sinnenden jungen Mädchen"
(Abb. 4) viel eher folgen, als wer die Anschauung davon
direkt erfahrt. Niemand wird sich die Geivaltsamkeit
dieser Übersteigerung verhehlen können, weil in Jedeni die
Korrektur seiner wirklichen oder vermeintlichen Natur-
anschauung sich gegen jede Abweichung auflehnt: aber
dessen sollten >vir uns allntahlich betvußt sein, ivie gerade
diese Auflehnttng im Namen unseres vernteintlichen
Naturgefühls sich inimer wieder als das unaufhör-
liche Hindernis gegen jede neue Wirkung, also als die
Konvention in der Kunst entpuppt hat. Gerade da.
wo wir uns auflehnen möchten, ziemt es uns Laien
gewiß, was Adolf von Menzel als Grundsatz seiner Kunst-
betrachtung ausgesprochen hat, daß er in jedem Werk,
auch dem anscheinend mißlungenen, nach der besonderen
Absicht des Künstlers suche, um es von da aus vielleicht
doch zu verstehen. Als diese Absicht kann uns die Natur-
nähe allein nicht gelten, weil sie nur das Anschauungsmate-
rial vorstellt, dannt der Künstler die geistige und seelische
Wirkung, den Stil seiner Arbeiten erreichen möchte. Daß
das stilistische Aiel Lehmbrucks im architektonischen Auf-
bau liegt, macht die „Kniende" (Abb. 10) überraschend
klar; und wer sich nun der Worte von Hermann Muthesius
über die Einordnung der bildenden Künste in ihre
Mutter, die Baukunst, erinnert, von der wir in dieser
Betrachtung ausgingen, wird die Einstellung Lehmbrucks
in das Arsenal unserer Aukunft vielleicht doch etivaS will-
fähriger als beim ersten Anblick tatigen wollen.
Nicht um die äußere Einordnung der bildenden
Künste in die Baukunst Handelt es sich — damit dies noch
einmal aufs bestimmteste gesagt werde — daran hindert
einen wirklichen Künstler schon allein dies, daß wir den
Stil einer solchcn Baukunst ini Sinn der Antike oder der
Gotik noch garnicht besitzen, sondern daß wir ihn erst
suchen. Daß diese Suche von allen Künsten gleichzeitig
mit höchster Jnbrunst betrieben wird, das erst sichert uns
die Hoffnung, ihn einmal zu besitzen als das Ergebnis
Wilhclm Lehmbruck. Geneigter Frnuenkopf (Lebensgröße).
Iunqe Frnu
(Detaih Museum Clberfeld).
nähe bis in die stärkste Übersteigerung zu bewahren, d. h.
also Stil aus diesem Urboden ohne Opfer der Anschauung
zu gewinnen. Diese Verstärkung der stilistischen Absicht
läßt eine Vergleichung von Abb. 1 u. Abb. 2 ebenso
deutlich erkennen wie die von Abb. 2 t>. 3; wer ihr bis
zu der deutlichen Trennung gefolgt ist, die Kopst Brust
tind Leib in dem Torso (Abb. 3) erfahren, der wird ihrer
Übersteigerung in dem „Sinnenden jungen Mädchen"
(Abb. 4) viel eher folgen, als wer die Anschauung davon
direkt erfahrt. Niemand wird sich die Geivaltsamkeit
dieser Übersteigerung verhehlen können, weil in Jedeni die
Korrektur seiner wirklichen oder vermeintlichen Natur-
anschauung sich gegen jede Abweichung auflehnt: aber
dessen sollten >vir uns allntahlich betvußt sein, ivie gerade
diese Auflehnttng im Namen unseres vernteintlichen
Naturgefühls sich inimer wieder als das unaufhör-
liche Hindernis gegen jede neue Wirkung, also als die
Konvention in der Kunst entpuppt hat. Gerade da.
wo wir uns auflehnen möchten, ziemt es uns Laien
gewiß, was Adolf von Menzel als Grundsatz seiner Kunst-
betrachtung ausgesprochen hat, daß er in jedem Werk,
auch dem anscheinend mißlungenen, nach der besonderen
Absicht des Künstlers suche, um es von da aus vielleicht
doch zu verstehen. Als diese Absicht kann uns die Natur-
nähe allein nicht gelten, weil sie nur das Anschauungsmate-
rial vorstellt, dannt der Künstler die geistige und seelische
Wirkung, den Stil seiner Arbeiten erreichen möchte. Daß
das stilistische Aiel Lehmbrucks im architektonischen Auf-
bau liegt, macht die „Kniende" (Abb. 10) überraschend
klar; und wer sich nun der Worte von Hermann Muthesius
über die Einordnung der bildenden Künste in ihre
Mutter, die Baukunst, erinnert, von der wir in dieser
Betrachtung ausgingen, wird die Einstellung Lehmbrucks
in das Arsenal unserer Aukunft vielleicht doch etivaS will-
fähriger als beim ersten Anblick tatigen wollen.
Nicht um die äußere Einordnung der bildenden
Künste in die Baukunst Handelt es sich — damit dies noch
einmal aufs bestimmteste gesagt werde — daran hindert
einen wirklichen Künstler schon allein dies, daß wir den
Stil einer solchcn Baukunst ini Sinn der Antike oder der
Gotik noch garnicht besitzen, sondern daß wir ihn erst
suchen. Daß diese Suche von allen Künsten gleichzeitig
mit höchster Jnbrunst betrieben wird, das erst sichert uns
die Hoffnung, ihn einmal zu besitzen als das Ergebnis
Wilhclm Lehmbruck. Geneigter Frnuenkopf (Lebensgröße).