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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 11
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Schaller, Hans Otto: Zu den Bildern von Karl Goll
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0379

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Karl Goll. Steinschleiferei in Solenhofen II.

belanglos, weil der Schüler von allcm Anfang an ein selbständiger Künstler und Könner gewesen ist. Das be-
weisen die Bilder, die er im Sommer und Winter dessclben Jahres gemalt hat. Mit dem Kunstschulproscstor
Fr. Kcller durfte cr, obwohl er nicht in seine Klaste gehörte, an einem Ausflug nach Wildberg an der Nagold
teilnehmcn; später ging Keller mit ihm allcin nach Solcnhofen, wo die bciden in der Steinschleiferei sast ein und
dasselbe Motiv verarbeiteten. Was Goll von ihm unterschcidet, wird gerade dank dieser einmaligen Ubereiustimmung
deö Themas besonderS klar; wo Goll das Jneinanderfließcn zarter Töne mit dünnem Pinscl aufö feinste zu ent-
wickeln und alle Einzelheiten durch die Führung des Lichtes zu einem sestgefügten Ganzen zu verbindeu strcbt, setzt
Keller den so oder so belichtcten Gegenstand jeden sür sich mit schwerem, materiell vcrdicktcm Strich aus die Lein-
wand. Es zeugt für Kellers cinsichtige Bescheidcnheit, daß er in Stuttgart, als die beiden die Resultate ihrcr Arbcit
im Atelier nebcneinander sehen konnten, das eigene Werk mit beschämtcr Geste von dcm des Jüngeren emfernte.

Ein Jahr später begleitete Goll seinen Vater auf einem Schulausflug ins obere Donautal; die Jnnenausichten
der herrlichen Barockkirche zu Iwiefalten, die er damalö heimbrachte, beweisen gleich den Werkcn des Vorjahres,
wie er jenes schöpferische Zusammcnschließcn der Erschcinungen im flächigcn Spicle des Lichteö immer deutlicher als
die höchfte Aufgabe der Malcrei erkannte. Vicl gearbcitet ün äußcren Sinne dcs Wortes hat er schon damalö nicht.
Recht charakteristisch ist die Episode, die cin Kanierad von ihm erzählt: sie waren, eine größcre Gescllschast von
jungen Malern, aufs Land gezogen und hatten alle angesangen, ihre Eindrücke in Form von Studien von der
Natur abzuschreibcn mit AuSnahme unsereS Goll, dcr sür diese ihm stumpfsiunig erschcincnde Methode nicht zu
gewinnen war, der vielmehr wochenlang als Träumcr und Dichter in Fcld und Wald umherftreifte und sich eiulebte
in allc Besonderhciten jener Gegcnd, um dann schließlich, ungefähr am letzten Tage, daö Bild zu malen, daö dan»
von allen neidlos als das beste anerkannt wurde: Es war dies gewiß ein im besten Sinne „expressionistischeö" Bild,
daS cr im Kops so gut wie sertig gcmalt hatte, lange ehe er dcn Pinsel in die Hand nahm, cin Bild, in das er,
wie spätcre Beispiele beweisen, sicher alles hineingelegt hat, was ihn an „innercn Klängen" bcwegte, alleö, waö an
Beseelung deö Gegcnständlichen überhaupt möglich ist.

Aber dieser scin Hang zum Dichten und Träumen sollte dann auch den erften dicken und ganz unvorschrifts-
mäßigen Strich durch die ruhmvolle Entwicklung machen, auf die sein Vatcr uud seinc Frcunde hofficn. Von
Bozen aus, wohin er im Frühjahr 1895 seinen Vater begleüet hatte, durfte er nach Venedig, desscn Zauber ihn
so gesangen nahm, daß cr völlig aufging in allen Herrlichkeiten dicser Stadt und weder ans Malen noch ans
Briefschreibcn, geschweige denn ans Heimfahren dachte. Hatte schon dicscs cinigermaßen unbürgerliche Erlcbnis seine
Angehörigen stutzig gemacht, so mußtcn sie vollcnds verzweifcln übcr dem traurigen Ende einer Ferienfahrt, die der
doch jetzt nicht mehr gar so junge Maler im Herbft deSselbcn Jahrcs mü scinem Landsmann Schäff-Zerweck übcr
den Ammer-, Chiem- und Traunsee nach Salzburg angetreten hatte. Beide hattcn sich cine böse Erkältung geholt
Schäff mußte zurück in ein Spital, der nicht weniger heftig erkrankte Goll dagegen blieb in einer seuchten, kalten.

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