Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

DOI Heft:
Heft 11
DOI Artikel:
Lüthgen, Eugen: Spätgotik und Frührenaissance in der niederrheinischen Bildnerei
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0390

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wb. 2. Aus dem Maricnaltar Mecster Arnolds, Calcar, Pfarrkirche.

Abb. 3.

Aus Douvermanns Siebenschmerzenaltar, Calcar> Pfarrkirche.

die Spätgotik um so weniger
stcmdhalten, als ihre innere
formbildende Kraft zu schwinden
begann.

Die eigentlich spätgotischen
Formen verloren seit der Wende
des Jahrhunderts mehr und
mehr an Ausdruckskraft. Zu-
nächst zwar sollten Künstelei und
die geistreiche Sucht, groß und
prunkvoll zu lvirken, das Ver-
lorene ersetzen. Die Fahigkeit,
hastige Bewegtheit, zerrissene
Massen zur Einheit zufammen-
zusafsen, steigert sich zwar noch.
Eine unangenehme Glätte der
Formen aber nimmt den un-
regelmaßig umrissenen Gestal-
ten, den irr ausladenden,
verrenkten Bewegungen des
15. Jahrhunderts die innere
Spannkraft.

Jm 16. Jahrhundert bringt
die Spätgotik keine neuen
Formen hervor; sie besitzt den
Willen nicht mehr, die alten
zu vertiefen. Sie gibt den
ilberlieferungen des 15. Jahr-
hunderts nur eine, der neuen
Geschmacksrichtung angepaßte
äußerliche Formwandlung. Die
Eigenart der Bewegung und
das seltsam Absonderliche ein-
zelner Formen wird infolge
geschärfter Naturbeobachtung
gesteigert. Wie der neue Ge-
fchmack mit den alten Formen
im Kampfe liegt, wie sich daraus
feine, anders geartete Stilfor-
men hervorringen, das bedingt
die Vielgestaltigkeit der Nach-
blüte der Spatgotik im 16.Jahr-
hundert. Denn in die erregte
Geziertheit spätgotischer Den-
kungsweise sind die ersten Keime
der beginncnden Renaissance
verwoben.^

Der Reichtum der Formen,
den das 15. Jahrhundert zu
erringen vernwchte, bewirkt in
der verandertcn Geschmacksrich-
tung des 16. Jahrhunderts eine
Steigerung und Entfaltung, er-
zeugt aber nicht eigentlich einen
neuen Stil. Statt der schlanken
Gestalt der dünnen eingeschnür-
ten Körper, statt spitzer Schuhe

* G. C. Lüthgen: Die Plastik
der Spätgotik in Salzburg. Mitt.
der Gesellschaft für Salzburger Lan-
deskunde, B. 50. Salzburg 1910.
 
Annotationen