Der Deutsche Krieg im Deutschen Gedicht.
Eine solche Betrachtung wird erleichtert durch eine
vortreffliche Sammlung „Der Deutsche Krieg im Deut-
schen Gedicht", die Julius Bab im September 1914 be-
gonnen und bisher in vier Heften fortgeführt hat*
Natürlich ist nicht alles wertvoll, was darin steht, viel-
fach muß die Güte der menschlichen Gesinnung für die
Mängel der künstlerischen Form eintreten; aber die aus-
wählende Hand hat Geschmack genug, daß man ihre Aus-
wahl auch in den geringeren Stücken billigt, weil man
auch da die Werte fühlt, um derentwillen sie in die Reihe
kamen. Sie kann unbedenklich als eines der schönsten
Aeichen dieser Tage empfohlen werden, und so wenig
man wünschen darf, daß sich die geistigen Bedürfnisse
unseres Volkes allein auf den Krieg einstellen — weil
eben etwas anderes als dieser Krieg sür uns im Werden
ist — so ist diese Sammlung doch etwas, das jeder
Deutsche, der sich unserm Volk anders als durch die
Tagesberichte des Hauptquartiers verbunden fühlt, zur
Hand nehmen muß.
Die nachstehende Auswahl möge dazu reizen; auch sie
kann — es ist nun einmal in der Kunst nicht anders —
nicht lauter Vollkommenheiten geben; aber im Ganzen
spricht eben doch ein Klang aus ihr, der die deutsche
Dichtung ungewöhnlich bei der Sache und als Sprache
einer Volksseele zeigt, die weder im Wahn eines macht-
lüsternen „Militarismus" — wie es im Ausland heißt —
noch überhaupt mit irgendeinem aufgereizten nationalen
Haß in diesen ihr vom Schicksal abgeforderten Kampf
mit der ganzen Welt eingetreten ist. Der einzige, un-
gewöhnlich beehrte „Haßgesang gegen England" soll
deshalb nicht unterschlagen werden. Er stellt keine Ver-
anlassung, sondern ein Ergebnis dieses Krieges vor;
jedermann, der die politischen Dinge des letzten Jahr-
zehntes verfolgt hat, weiß, wie wir unserem Vetter mit
Anträgen einer friedlichen Auseinandersetzung bis zur
Demütigung nachgegangen sind: wir fühlen uns von
ihm verraten und haben in ihm den eigentlichen Anstifter
dieses grausamsten aller Kriege erkannt. Also Haß, weil
wir und die Menschheit in dieses Blutvergießen getrieben
worden sind, nicht Krieg, weil ein Haß sich entladen
mußte. Reinhold Treu.
Lied an Alle.
Sei gesegnet, ernste Stunde,
die uns endlich stählern eint;
Frieden war in aller Munde,
Argwohn lähmte Freund wie Feind —
Jetzt kommt der Krieg,
der ehrliche Krieg!
Dumpfe Gier mit stumpfer Kralle
feilschte um Genuß und Pracht;
jetzt auf einmal ahnen alle,
was uns einzig selig macht —
jetzt kommt die Not,
die heilige Not!
Feurig wird nun Klarheit schweben
über Staub und Pulverdampf;
* Verlag Morawe L Scheffelt, Berlin. Jedes Heft mit
48 Seiten gut ausgestattet zum Preise von 50 Pfennigen. (Von
den Cinnahmen, nicht nur vom Reinertrag, gelangen 20 <X> an eme
Jnvalidenstiftung.)
nicht ums Leben, nicht ums Leben
führt der Mensch den Lebenskampf —
stets kommt der Tod,
der göttliche Tod!
Gläubig greifen wir zur Wehre,
für den Geist in unserm Blut;
Volk, tritt ein für deine Ehre,
Mensch, dein Glück heißt Opfermut —
dann kommt der Sieg,
der herrliche Sieg!
Richard Dehmel.
Haßgesang gegen England.
Was schiert uns Russe und Franzos',
Schuß wider Schuß und Stoß um Stoß,
wir lieben sie nicht,
wir hassen sie nicht,
wir schützen Weichsel und Wasgaupaß, —
wir haben nur einen einzigen Haß,
wir lieben vereint, wir hassen vereint,
wir haben nur einen einzigen Feind:
Den ihr alle wißt, den ihr alle wißt,
er sitzt geduckt hinter der grauen Flut,
voll Neid, voll Wut, voll Schläue, voll Lisi.
Durch Wasser getrennt, die sind dicker als Blut,
wir wollen treten in ein Gericht,
einen Schwur zu schwören, Gesicht in Gesicht,
einen Schwur von Erz, den verbläst kein Wind,
einen Schwur für Kind und für Kindeskind,
vernehmt das Wort, sagt nach das Wort,
es wälze sich durch ganz Deutschland fort:
Wir wollen nicht lassen von unserem Haß,
wir haben alle nur einen Haß,
wir lieben vereint, wir hassen vereint,
wir haben alle nur einen Feind:
Engeland!
Nimm du die Völker der Erde in Sold,
baue Wälle aus Barren von Gold,
bedecke die Meerflut mit Bug bei Bug,
vu rechnest klug, doch nicht klug genug.
Was schiert uns Russe und Franzos'!
Schuß wider Schuß und Stoß um Stoß.
Wir kämpfen den Kampf mit Bronze und
und schließen Frieden irgend einmal,
vich werden wir hassen mit langem Haß,
wir werden nicht lassen von unserem Haß,
Haß zu Wasser und Haß zu Land,
Haß der Hämmer und Haß der Kronen,
vrosselnder Haß von siebzig Millionen,
ste lieben vereint, sie hassen vereint,
ste haben alle nur einen Feind:
Engeland!
Stahl,
Weinlese 1914.
Der Herr der Ernte ging durchs Rebgelände
und wog die vollen Trauben mit der Hand:
vom Safte schwer, durchglüht vom Sonnenbrand,
reif schwollen sie am Hang der Felsenwände.
Eine solche Betrachtung wird erleichtert durch eine
vortreffliche Sammlung „Der Deutsche Krieg im Deut-
schen Gedicht", die Julius Bab im September 1914 be-
gonnen und bisher in vier Heften fortgeführt hat*
Natürlich ist nicht alles wertvoll, was darin steht, viel-
fach muß die Güte der menschlichen Gesinnung für die
Mängel der künstlerischen Form eintreten; aber die aus-
wählende Hand hat Geschmack genug, daß man ihre Aus-
wahl auch in den geringeren Stücken billigt, weil man
auch da die Werte fühlt, um derentwillen sie in die Reihe
kamen. Sie kann unbedenklich als eines der schönsten
Aeichen dieser Tage empfohlen werden, und so wenig
man wünschen darf, daß sich die geistigen Bedürfnisse
unseres Volkes allein auf den Krieg einstellen — weil
eben etwas anderes als dieser Krieg sür uns im Werden
ist — so ist diese Sammlung doch etwas, das jeder
Deutsche, der sich unserm Volk anders als durch die
Tagesberichte des Hauptquartiers verbunden fühlt, zur
Hand nehmen muß.
Die nachstehende Auswahl möge dazu reizen; auch sie
kann — es ist nun einmal in der Kunst nicht anders —
nicht lauter Vollkommenheiten geben; aber im Ganzen
spricht eben doch ein Klang aus ihr, der die deutsche
Dichtung ungewöhnlich bei der Sache und als Sprache
einer Volksseele zeigt, die weder im Wahn eines macht-
lüsternen „Militarismus" — wie es im Ausland heißt —
noch überhaupt mit irgendeinem aufgereizten nationalen
Haß in diesen ihr vom Schicksal abgeforderten Kampf
mit der ganzen Welt eingetreten ist. Der einzige, un-
gewöhnlich beehrte „Haßgesang gegen England" soll
deshalb nicht unterschlagen werden. Er stellt keine Ver-
anlassung, sondern ein Ergebnis dieses Krieges vor;
jedermann, der die politischen Dinge des letzten Jahr-
zehntes verfolgt hat, weiß, wie wir unserem Vetter mit
Anträgen einer friedlichen Auseinandersetzung bis zur
Demütigung nachgegangen sind: wir fühlen uns von
ihm verraten und haben in ihm den eigentlichen Anstifter
dieses grausamsten aller Kriege erkannt. Also Haß, weil
wir und die Menschheit in dieses Blutvergießen getrieben
worden sind, nicht Krieg, weil ein Haß sich entladen
mußte. Reinhold Treu.
Lied an Alle.
Sei gesegnet, ernste Stunde,
die uns endlich stählern eint;
Frieden war in aller Munde,
Argwohn lähmte Freund wie Feind —
Jetzt kommt der Krieg,
der ehrliche Krieg!
Dumpfe Gier mit stumpfer Kralle
feilschte um Genuß und Pracht;
jetzt auf einmal ahnen alle,
was uns einzig selig macht —
jetzt kommt die Not,
die heilige Not!
Feurig wird nun Klarheit schweben
über Staub und Pulverdampf;
* Verlag Morawe L Scheffelt, Berlin. Jedes Heft mit
48 Seiten gut ausgestattet zum Preise von 50 Pfennigen. (Von
den Cinnahmen, nicht nur vom Reinertrag, gelangen 20 <X> an eme
Jnvalidenstiftung.)
nicht ums Leben, nicht ums Leben
führt der Mensch den Lebenskampf —
stets kommt der Tod,
der göttliche Tod!
Gläubig greifen wir zur Wehre,
für den Geist in unserm Blut;
Volk, tritt ein für deine Ehre,
Mensch, dein Glück heißt Opfermut —
dann kommt der Sieg,
der herrliche Sieg!
Richard Dehmel.
Haßgesang gegen England.
Was schiert uns Russe und Franzos',
Schuß wider Schuß und Stoß um Stoß,
wir lieben sie nicht,
wir hassen sie nicht,
wir schützen Weichsel und Wasgaupaß, —
wir haben nur einen einzigen Haß,
wir lieben vereint, wir hassen vereint,
wir haben nur einen einzigen Feind:
Den ihr alle wißt, den ihr alle wißt,
er sitzt geduckt hinter der grauen Flut,
voll Neid, voll Wut, voll Schläue, voll Lisi.
Durch Wasser getrennt, die sind dicker als Blut,
wir wollen treten in ein Gericht,
einen Schwur zu schwören, Gesicht in Gesicht,
einen Schwur von Erz, den verbläst kein Wind,
einen Schwur für Kind und für Kindeskind,
vernehmt das Wort, sagt nach das Wort,
es wälze sich durch ganz Deutschland fort:
Wir wollen nicht lassen von unserem Haß,
wir haben alle nur einen Haß,
wir lieben vereint, wir hassen vereint,
wir haben alle nur einen Feind:
Engeland!
Nimm du die Völker der Erde in Sold,
baue Wälle aus Barren von Gold,
bedecke die Meerflut mit Bug bei Bug,
vu rechnest klug, doch nicht klug genug.
Was schiert uns Russe und Franzos'!
Schuß wider Schuß und Stoß um Stoß.
Wir kämpfen den Kampf mit Bronze und
und schließen Frieden irgend einmal,
vich werden wir hassen mit langem Haß,
wir werden nicht lassen von unserem Haß,
Haß zu Wasser und Haß zu Land,
Haß der Hämmer und Haß der Kronen,
vrosselnder Haß von siebzig Millionen,
ste lieben vereint, sie hassen vereint,
ste haben alle nur einen Feind:
Engeland!
Stahl,
Weinlese 1914.
Der Herr der Ernte ging durchs Rebgelände
und wog die vollen Trauben mit der Hand:
vom Safte schwer, durchglüht vom Sonnenbrand,
reif schwollen sie am Hang der Felsenwände.