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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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I. Lieferung (März 1913)
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Malen, Gemälde und Gemäldekunde, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0013

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MALEN, GEMÄLDE UND GEMÄLDEKUNDE.
Eine »Definition« des Malens ist nicht zn erreichen, ebenso wenig ais
die von anderen Tätigkeiten. Mit einer sorgfäitig überdachten Umschreibung
des »Begriffes« wird man sich zufrieden geben müssen. Wie woiien weit
ausschauen, was alles »Malen« genannt wird, und daraus besonders hervor-
suchen, was dem gewöhnlichen Sprachgebrauch angehört. Wenn Schiller
in der »Bürgschaft« höchst anschaulich, dichterisch vollkommen, im Zu-
sammenhang geradewegs packend sagt:
»Und die Sonne blickt durch der Zweige Grün
Und malt auf den glänzenden Matten
Der Bäume gigantische Schatten,«
so wissen wir, daß dieses »Malen« in übertragenem Sinn zu nehmen ist.
Durch das Elinwerfen (die Projektion) von langen Schatten entsteht ja
kein »Gemälde«. Wir wissen, daß diese »Malerei« ihre Formen und Farben
mit dem Sonnenstand fortwährend wechselt. Eine halbe Stunde später oder
früher macht schon höchst auffallende Unterschiede im Anblick. Die dich-
terische Anwendung des »Malens« sei also lieber von den begrifflichen
Erörterungen ausgeschlossen. Denn der gewöhnliche Sprachgebrauch will
es, daß das Malen eine menschliche Tätigkeit sei. Und diese Tätigkeit
führt zu Etwas, dem in viel höherem Grade der Charakter des Bleiben-
den anhaftet, als er den fortrückenden Schatten von wechselnder Tönung
auf den grünen Matten zukommt. Wir nennen auch die ruhige Spiegelung
auf einer glatten Wasserfläche kein Malen, kein Gemälde. Ein geringer
Windhauch bläst sie weg. Auch das ruhige und viel standhafter verweilende
Reflexbild aus einem festen Spiegel wird immer noch nicht ein Gemälde
und sein Herstellen noch immer nicht: »Malen« genannt, obwohl hier die
geforderte Eigenschaft der menschlichen Tätigkeit schon andeutungsweise
vorhanden ist, indem die spiegelnde Fläche von Menschenhänden geschaffen
ist und indem sie Menschenhände so hingestellt haben, daß sie für uns
Spiegel Wirkung ausübt. Die gewöhnliche Rede verlangt für das Herstellen
eines Gemäldes durchaus ein menschliches, allmähliches Tätigsein, das noch
sonst in mancher gebräuchlichen Weise eingeengt wird. Entfernt jemand
die Blendung vom Scheinwerfer und läßt er uns auf dem Schirm ein Auto-
chrombild sehen, so sagt kein Mensch, daß dies ein Malen sei. Auch wer
ein Abziehbild herstellt, gilt nirgends als Maler, auch wenn er allmählich tätig
war und schließlich etwas bleibendes Bildartiges vorweisen kann. Entwickelt
und fertigt jemand auf der lichtempfindlichen Platte eine Aufnahme, so wird
er damit kein Maler, ebenso wenig als der Meßner, der von einem Altar-
bild vielleicht mit Mühe allmählich den Vorhang wegzieht, obwohl das
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