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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — Wien, 1.1913

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Frimmel, Theodor von: Die vier apokalyptischen Reiter in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.20638#0238

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dargestellt hat.*) Als üppiges Weib gebildet, sitzt die Nacht aut einem zwei-
räderigen Wagen, der eilends über Wolken dahintährt. Sie hält je einen
nackten Knaben, den Schlaf und den Tod, vor und neben sich. Die Attri-
bute der Kinder lassen keinen Zweifel über ihre Deutung zu, denn der eine
trägt zwei Mohnstenge!, der andere die umgekehrte Fackel. Diese scheint
seinen ermattenden Händen zu entfallen. Also wieder kein Skelett. Und
wieder war Cornelius dem eigentlichen Skelett aus dem Weg gegangen in
der Todesdarstellung auf einem der Kartons für die Loggien der alten Pina-
kothek in München.*') Es ist die Lünette der 18. Loggia, in welcher auch
Holbein dargestellt ist. Zum Zwecke der Anspielung auf die Todesfiguren
des älteren Meisters mußte ja wenigstens der Kopf der neuen Todesgestalt
etwas schädelartig gebildet werden. Der Körper ist nicht skelettiert. Denn
Cornelius wollte das Skelett in der Kunst nicht gelten lassen. Dieses anzu-
nehmen sind wir wohl nach einen! unzweideutigen Ausspruch des Meisters
berechtigt. Im Jahre 1865 wurden ihm Zeichnungen von Barth vorgelegt,
auf denen der Tod als Skelett gebildet war. Cornelius ließ darauf dem
jungen Zeichner durch H. Riegel***) Folgendes schreiben: „Auf dem einen
der Bilder und seinen Randzeichnungen haben Sie den Tod als Gerippe
aufgefaßt. Hiergegen erhebt der Direktor [NB. Cornelius] auf das aller-
entschiedenste Verwahrung. Die Kunst soll erheitern, erfreuen und er-
heben, aber nicht abschrecken .... Von einer solchen Richtung müßten Sie
sich also unter allen Umständen lossagen." Zum apokalyptischen Reiter
zurückkehrend, ist noch Einiges zu sagen. Zwar ließ, wie uns Riegelt) be-
richtet, Cornelius dieses Werk, das er „mit so viel Ernst und Studium" ge-
zeichnet hat, nicht gern kritisieren, aber wir wollen uns heute doch unter-
stehen, es mit anderen, fast gleichzeitigen Darstellungen der apokalyptischen
Reiter abwägend zu vergleichen. Ein Verstoß, der in Anbetracht der Groß-
artigkeit der ganzen Anlage kaum schwer wiegen kann, wird dabei zum
Vorschein kommen. Lebte Cornelius, der Eigensinnige, noch, so wäre es
allerdings sehr gewagt, auf diesen Verstoß hinzuweisen. Man lese folgende
Stelle aus einem Gespräch zwischen Riegel und Cornelius, das am 28. Mai
1865 stattgehabt hat: „Cornelius erzählte unter anderem, wie der ehemalige,
jetzt verstorbene Minister v. F. bei ihm gewesen sei, als der Karton der
apokalyptischen Reiter zuerst ausgestellt war. Er habe ihn eine Weile an-
gesehen und endlich gesagt: „Der Tod hält die Sense auf der falschen Seite."
Als Cornelius dies erzählte, fuhr er fort: „Ich war von dieser Dummheit so
überrascht, — und dann ist es doch auch stark, solchem Werk gegenüber
kein anderes Wort zu haben — daß ich stille schwieg; aber ich hätte ihm
sagen sollen: Der versteht's auch von der Seite, nehmen Sie sich in Acht."
Was für ein Verstoß aber ist es, auf den oben angespielt wurde? —
Cornelius ist von der im Text der Apokalypse vorgeschriebenen Reihenfolge
der vier Reiter abgewichen. Ich weiß nicht aus welchem Grunde, hat er

*) Gestochen von Eugen Eduard Schaffer. Cornelius schätzte diesen Stich außer-
ordentlich, wie uns das Herrn. Riegel in der Cornelius-Festschrift (S. 43) überliefert
hat. Eine Nachbildung des Stiches findet sich im Novemberheft der „Zeitschrift für
bildende Kunst" von 1883.
**) Diese Kartons befinden sich im Rudolfinum zu Prag.
***) Vgl. die Festschrift, S. 58.
f) ln der Festschrift.
 
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