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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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2. Heft
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Kekulé von Stradonitz, Stephan: Das Turnier zu Brüssel im Sommer 1905
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0049

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2. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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Lande der Festaufführung und der Gelegenheit
hierzu, insbondere die Träger solcher Namen aus-
gewählt worden, welche heute noch in Belgien
blühen, oder besonders berühmte Namen aus dem
burgundisch-belgischen Adel überhaupt.
Sorglich konnte in der erwähnten Einleitung
versichert werden, dafs alles, was der Zuschauer
hören und sehen würde, jeder Lanzenstich und
jeder Schwertschlag', jeder Beilhieb und jeder
Dolchstofs, jedes Wort, welches innerhalb des
Turnierplatzes gesprochen würde, tatsächlich im
Laufe des 15. Jahrhunderts in den burgundisch-
belgischen Landen so, wie vorgeführt, geschehen
und gesprochen sein konnte.
Zwei Fremdworte kennzeichnen daher auf
das treffendste das Sachverhältnis bei der Fest-



Abb. 1. Johann von Lannov.
aufführung vom Juli-August 1905: in der ersten
Abteilung dieser Festaufführung handelte es sich
um eine Reproduktion; in den Abteilungen
zwei bis fünf wurde dageg'en eine Rekonstruk-
tion geboten.
Für das „Wie“ der Darstellung ist kein Wort
des Lobes übertrieben. Was hier in bezug auf
geschichtliche Richtigkeit und Treue erreicht wor-
den ist, war einfach mustergültig. Die Anlage
und Einrichtung des Turnierplatzes, die Schranken,
die Tribüne Philipps des Gütigen und seiner Um-
gebung und der Schiedsrichter, die Tracht, die
Bewaffnung, die Musik, die ITandlung: alles ver-
dient uneingeschränkt das gleiche Lob. Schon
in dem Augenblicke, da der junge Graf von
Charolais mit seinem Gefolge in den Kampfplatz
einritt, hatte man das Gefühl, die Darstellung
seiner Person in dem erwähnten Armorial de la

Toison d’or zur lebendigen Gestalt geworden zu
sehen, und als die ersten Kämpfer, wieder mit
ihren Gefolg'en, ihm nachfolgten, mufste dieser
erste Eindruck bei jedem Kenner sich bis zum
Entzücken steigern.
Diese freudige Stimmung hielt ununter-
brochen während der ganzen mehrstündigen Auf-
führung an, was viel besagen will, da sie sich
aus einer ganzen Reihe von Einzelhandlungen
zusammensetzte.
Wohin man den staunenden Blick auch rich-
tete: auf Philipp den Gütigen und sein Rofs, auf
die Kopfputze der Damen, die Anzüge des Bi-
schofs von Lüttich und des Marschalls des Turnier-
platzes, den Rock des Wappenkönigs Lefevre
de Saint-Remy, die Hofnarren, die Musikanten


Abb. 2. Friedrich von Renesse.

und Menestrels, die Pagen, die heraldischen
Decken der Rosse, die Wiederholung'en der Helm-
kleinode der Ritter auf den Stirnstücken der Rofs-
panzer2), die Rüstungen, die Waffen, die Stech-
lanzen: nirgends ein Anlafs zum Tadel. Überall
richtige und gute Form und gutes Material.

" 2) Als ein solches Rofs Stirn-Kleinod mufs, meiner
Ansicht nach, auch die sog. „Schwarzenbergsche Helm-
zier“, aus dem 16. Jahrhundert stammend, angesprochen
werden, welche sich im Königlichen Historischen Museum
zu Dresden befindet. Näheres darüber und Abbildung im
„Deutschen Herold“, Jahrgang 1904, S. 196. Die a. a. O.
geäufserte Annahme, es handle sich um einen Teil eines
Totenschildes, halte ich nicht für haltbar. Für das Helm-
kleinod eines Mannes endlich ist das Stück zu klein. Von
einem zweiten Stück dieser Art, den Spitzhut desHerzogtums
Sachsen, überragt von dem bärtigen Haupte der Markgraf-
schaft Meifsen, zeigend, welches sich ebenda befindet, gilt
das gleiche.

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