Der Zug nach Verſailles in den Oktobertagen 1789. 61
der Verfaſſungsartikel verkündigte, ſtellten die Frauen die naive
Frage, ob das den Pariſern Brot verſchaffen werde. Die Abge—
ordneten hatten ſich größtenteils zerſtreut, und Mounier mußte
ſie durch Trommelſchlag von Straße zu Straße einladen laſſen,
ſich zu verſammeln. Hierauf begann man die Diskuſſion über
die Kriminalgeſetze — zu wenig geeigneter Stunde und unter
wenig geeigneten Verhältniſſen für einen Gegenſtand, der ruhige
Ueberlegung verlangte. Mounier erſuchte Deschamps, den Ab-
geordneten für Lyon, die Tribüne zu beſteigen und die Sitzung
bis zur Ankunft Lafayettes zu verlängern. Bald wurde Deschamps
durch die Rufe der Frauen nach Brot unterbrochen. Da erhob
ſich Mirabeau und ſchleuderte ihnen im Tone des Diktators die
Worte! zu, er möchte doch wiſſen, wie man die Stirne haben könne,
ihnen hier Geſetze zu diktieren. Solche Sprache der Mannhaftig—
keit imponierte der Menge, die ſchon auf ſo viel Zaghaftigkeit ge—
ſtoßen war, und Händeklatſchen und Bravos folgten Mirabeaus
Worten.
In dem Sitzungsſaale angekommen, verſicherte Lafayette den
Präſidenten, daß ſeitens der Nationalgarde nichts zu fürchten ſei.
Dieſelbe hätte geſchworen, keine Gewaltthat auszuüben noch zuzu—
laſſen. Man möge nur die Unzufriedenheit des Volkes dadurch
beſchwichtigen, daß man den König bitte, das flandriſche Regiment
zu entfernen und einige Worte zu Gunſten der Nationalkokarde
zu ſagen. Gegen 1 Uhr? ging er mit den ihm beigegebenen
zwei Kommiſſären der Kommune nach dem Schloſſe, deſſen Hof
er mit Schweizergardiſten beſetzt fand; nicht ohne Umſtände wurde
ihm das Gitter des Hofes geöffnet. Hierauf begab er ſich zum
Könige. Dieſem ſagte er, daß er, um nicht auf dem Greveplatze
umzukommen, es vorgezogen habe, ſich ihm mit 20000 Mann zu
Füßen zu legen. Paris verhalte ſich ruhig, und ſeine Truppen
und er ſeien gekommen, um über die Sicherheit der königlichen
Familie zu wachen. Während einer längeren Unterredung, die
ſich zwiſchen dem Könige und Lafayette entſpann, erſchien Mounier
mit einem Gefolge von Abgeordneten. Wie ſehr ſich der König
durch Lafayettes Mitteilungen beruhigt fühlte, zeigen ſeine Worte
an die Abgeordneten. „Ich hatte gewünſcht“, ſagte er, „in den
Verhältniſſen, in denen ich mich befinde, von den Vertretern der
1 Die Verſion der Quellen ſchwankt bezüglich des Wortlautes, wodurch aber
der Sinn kaum alteriert wird. Zu riskieren hatte Mirabeau kaum etwas dabei.
Ein Mounier oder ein Biſchof von Langres hätte ſich ſo leicht nicht dasſelbe er—
lauben dürfen.
2 Wie Clermont-Gallerande ſagt und wie ſich aus Rivarol ſchließen läßt.
der Verfaſſungsartikel verkündigte, ſtellten die Frauen die naive
Frage, ob das den Pariſern Brot verſchaffen werde. Die Abge—
ordneten hatten ſich größtenteils zerſtreut, und Mounier mußte
ſie durch Trommelſchlag von Straße zu Straße einladen laſſen,
ſich zu verſammeln. Hierauf begann man die Diskuſſion über
die Kriminalgeſetze — zu wenig geeigneter Stunde und unter
wenig geeigneten Verhältniſſen für einen Gegenſtand, der ruhige
Ueberlegung verlangte. Mounier erſuchte Deschamps, den Ab-
geordneten für Lyon, die Tribüne zu beſteigen und die Sitzung
bis zur Ankunft Lafayettes zu verlängern. Bald wurde Deschamps
durch die Rufe der Frauen nach Brot unterbrochen. Da erhob
ſich Mirabeau und ſchleuderte ihnen im Tone des Diktators die
Worte! zu, er möchte doch wiſſen, wie man die Stirne haben könne,
ihnen hier Geſetze zu diktieren. Solche Sprache der Mannhaftig—
keit imponierte der Menge, die ſchon auf ſo viel Zaghaftigkeit ge—
ſtoßen war, und Händeklatſchen und Bravos folgten Mirabeaus
Worten.
In dem Sitzungsſaale angekommen, verſicherte Lafayette den
Präſidenten, daß ſeitens der Nationalgarde nichts zu fürchten ſei.
Dieſelbe hätte geſchworen, keine Gewaltthat auszuüben noch zuzu—
laſſen. Man möge nur die Unzufriedenheit des Volkes dadurch
beſchwichtigen, daß man den König bitte, das flandriſche Regiment
zu entfernen und einige Worte zu Gunſten der Nationalkokarde
zu ſagen. Gegen 1 Uhr? ging er mit den ihm beigegebenen
zwei Kommiſſären der Kommune nach dem Schloſſe, deſſen Hof
er mit Schweizergardiſten beſetzt fand; nicht ohne Umſtände wurde
ihm das Gitter des Hofes geöffnet. Hierauf begab er ſich zum
Könige. Dieſem ſagte er, daß er, um nicht auf dem Greveplatze
umzukommen, es vorgezogen habe, ſich ihm mit 20000 Mann zu
Füßen zu legen. Paris verhalte ſich ruhig, und ſeine Truppen
und er ſeien gekommen, um über die Sicherheit der königlichen
Familie zu wachen. Während einer längeren Unterredung, die
ſich zwiſchen dem Könige und Lafayette entſpann, erſchien Mounier
mit einem Gefolge von Abgeordneten. Wie ſehr ſich der König
durch Lafayettes Mitteilungen beruhigt fühlte, zeigen ſeine Worte
an die Abgeordneten. „Ich hatte gewünſcht“, ſagte er, „in den
Verhältniſſen, in denen ich mich befinde, von den Vertretern der
1 Die Verſion der Quellen ſchwankt bezüglich des Wortlautes, wodurch aber
der Sinn kaum alteriert wird. Zu riskieren hatte Mirabeau kaum etwas dabei.
Ein Mounier oder ein Biſchof von Langres hätte ſich ſo leicht nicht dasſelbe er—
lauben dürfen.
2 Wie Clermont-Gallerande ſagt und wie ſich aus Rivarol ſchließen läßt.