Eine Reichsſtadt im vorigen Jahrhundert.
Eine Stadt, die aus eigener Kraft emporgewachſen, ein eigenes Staats⸗
weſen mit landeshoheitlichen Rechten bildete, gleich den Landesherren nur dem
Kaiſer und dem Reiche unterthan, von den Reichsſteuern befreit, auf dem Reichs—
tage Sitz und Stimme hatte, das war eine fr eie Reichsſtadt.
Im äußeren Leben verrieten die zahlreichen deutſchen Reichsſtädte eine ge—
wiſſe Familienähnlichkeit, nur Hamburg, Lübeck, Bremen, Augsburg, Nürnberg
und Frankfurt, mit ihrem verhältnismäßig großen Gebiete, hatten Gelegenheit.
zur Ausbildung von auffallenden. Beſonderheiten.
Da gab es aber doch noch eine, die in ihrer äußeren Phyſiognomie gar
mannigfaltige und eigenartige Linien zeigte. Auch ſie nagte an. den Knochen—
reſten alter Herrlichkeit, hatte aber aus dem 17. Jahrhundert ein Heiligtum mit
herübergenommen, und das eben war dazumal die merkwürdigſte Merkwürdigkeit
im ganzen heiligen römiſchen Reiche deutſcher Nation. Es war wohl eine alternde
Schöne, die zweifellos viel Aventüren erlebt, aber wenn ſie im Abendrot erglühte
oder zitternder Mondſchimmer ſie umſpielte, noch von wunderbar ſeltſamem Reiz.
Es iſt Regensburg.
In einer Beſchreibung der „Reiſe durch den bayeriſchen Kreis (1784)“
heißt es wörtlich: „Die Stadtwache, die Kleidertracht, das Pflaſter, die Mund—
art, die Manieren, alles ſpricht laut, daß da Reichsbürger wohnen. Die engen.
Gaſſen, die Unregelmäßigkeiten und der Ruß an den Häuſern beurkunden das
hohe Alter der Stadt“. Im Jahre 1786 ſchrieb Goethe in ſeiner italieniſchen
Reiſe: „Regensburg liegt gar ſchön: die Gegend müßte eine Stadt herbeilocken“.
Das wäre aͤber doch nuk die eine geweſen. Regensburg aber, Stadt und Staat
für ſich, umſchloß noch andere ſelbſtändige Staatengebilde. Außer zwei kleinen
Inſeln auf der Donau beſaß ſie nur wenig Aecker, Wieſen und Gärten vor den
Thoren, weder Gebiet noch Territorium, gleichwohl lagen in ihrer Mitte vier
katholiſche Reichsſtände: der Biſchof, der Fürſtabt von St. Emmeram und die
adeligen Fräuleinſtifte Nieder- und Obermünſter — wovon die drei letzteren,
ihrer Reichsſtandſchaft unbeſchadet, nicht einen Finger breit Land beſaßen. Alſo
geiſtliche und weltliche Herrſchaft nebeneinander, jede eine kleine Welt für ſich,
in jedem Stadtteil, in jeder Straße anders geſtaltet.
Von welchem Geſichtspunkte immer wir dieſe Stadt ins Auge faſſen, wir
ſchauen da überall tief in die deutſche Kulturgeſchichte hinein. So weit das
Eine Stadt, die aus eigener Kraft emporgewachſen, ein eigenes Staats⸗
weſen mit landeshoheitlichen Rechten bildete, gleich den Landesherren nur dem
Kaiſer und dem Reiche unterthan, von den Reichsſteuern befreit, auf dem Reichs—
tage Sitz und Stimme hatte, das war eine fr eie Reichsſtadt.
Im äußeren Leben verrieten die zahlreichen deutſchen Reichsſtädte eine ge—
wiſſe Familienähnlichkeit, nur Hamburg, Lübeck, Bremen, Augsburg, Nürnberg
und Frankfurt, mit ihrem verhältnismäßig großen Gebiete, hatten Gelegenheit.
zur Ausbildung von auffallenden. Beſonderheiten.
Da gab es aber doch noch eine, die in ihrer äußeren Phyſiognomie gar
mannigfaltige und eigenartige Linien zeigte. Auch ſie nagte an. den Knochen—
reſten alter Herrlichkeit, hatte aber aus dem 17. Jahrhundert ein Heiligtum mit
herübergenommen, und das eben war dazumal die merkwürdigſte Merkwürdigkeit
im ganzen heiligen römiſchen Reiche deutſcher Nation. Es war wohl eine alternde
Schöne, die zweifellos viel Aventüren erlebt, aber wenn ſie im Abendrot erglühte
oder zitternder Mondſchimmer ſie umſpielte, noch von wunderbar ſeltſamem Reiz.
Es iſt Regensburg.
In einer Beſchreibung der „Reiſe durch den bayeriſchen Kreis (1784)“
heißt es wörtlich: „Die Stadtwache, die Kleidertracht, das Pflaſter, die Mund—
art, die Manieren, alles ſpricht laut, daß da Reichsbürger wohnen. Die engen.
Gaſſen, die Unregelmäßigkeiten und der Ruß an den Häuſern beurkunden das
hohe Alter der Stadt“. Im Jahre 1786 ſchrieb Goethe in ſeiner italieniſchen
Reiſe: „Regensburg liegt gar ſchön: die Gegend müßte eine Stadt herbeilocken“.
Das wäre aͤber doch nuk die eine geweſen. Regensburg aber, Stadt und Staat
für ſich, umſchloß noch andere ſelbſtändige Staatengebilde. Außer zwei kleinen
Inſeln auf der Donau beſaß ſie nur wenig Aecker, Wieſen und Gärten vor den
Thoren, weder Gebiet noch Territorium, gleichwohl lagen in ihrer Mitte vier
katholiſche Reichsſtände: der Biſchof, der Fürſtabt von St. Emmeram und die
adeligen Fräuleinſtifte Nieder- und Obermünſter — wovon die drei letzteren,
ihrer Reichsſtandſchaft unbeſchadet, nicht einen Finger breit Land beſaßen. Alſo
geiſtliche und weltliche Herrſchaft nebeneinander, jede eine kleine Welt für ſich,
in jedem Stadtteil, in jeder Straße anders geſtaltet.
Von welchem Geſichtspunkte immer wir dieſe Stadt ins Auge faſſen, wir
ſchauen da überall tief in die deutſche Kulturgeſchichte hinein. So weit das