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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Guglia, Eugen: Eine Frauengestalt der französischen Reformationszeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0945

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Eine Frauengeſtalt der franzöſiſchen Reformationszeit.

Der Oktober des abgelaufenen Jahres brachte den Proteſtanten einen trau—
rigen Gedenktag: Am 17. dieſes Monats war es 200 Jahre geweſen, daß der
„große König“ zu Fontainebleau die Aufhebungsurkunde des Ediktes von Nantes
unterzeichnete. Die zweite Periode der proteſtantiſchen Leidensgeſchichte hat mit
dieſem Akt erſt recht eigentlich begonnen. Freilich das ganze vorausgehende
Luſtrum war bereits bitter genug für die Reformierten Frankreichs geweſen,
denn ſchon Verordnungen der Jahre 1681 und 1682 hatten mehrere wichtige
Beſtimmungen des Ediktes außer Kraft geſetzt und mit Recht konnte Claude in
der „derniere Reduète des Protestants de France à Louis XN —
Januar 1685 klagen, daß dieſes Edikt nicht mehr jenem Baum der heiligen
Schrift gleiche, der, voll Leben und Kraft, immer neue Triebe anſetze; der, weit—
hin über die Erde ſichtbar, alles mit ſeinem Schatten erfreue und mit ſeinen
Früchten labe. Ihr Glaube ſei vielmehr einem mark- und ſaftloſen Baume
gleich geworden, dem man Blätter und Zweige geraubt, der dem Verſchmachten
nahe und keinen anderen Schatten mehr ſpende, als den, welchen ſein Stamm
noch wirft. Aber erſt durch die vollſtändige und formelle Annullierung des
Ediktes ſind jene Maſſenauswanderungen und jene Maſſenbekehrungen bewirkt
worden, von denen ſo oft erzählt worden iſt. Nicht nur der materielle Wohl—
ſtand Frankreichs wurde aber durch dieſe Maßregel erſchüttert; wir möchten es
nicht geringer achten, daß durch dieſelbe zugleich auch die Axt an die Wurzel des
religisſen Lebens in Frankreich überhaupt gelegt wurde: dem franzöſiſchen.
Katholizismus dachte man zu nützen und ſchadete ihm doch, denn er verdankte
die Blütezeit, die er im 17. Jahrhundert unleugbar erlebt hat, zum großen Teil
dem Gegenſatz, in dem er zum Proteſtantismus ſtand, den er eine Zeitlang mit
geiſtigen Waffen hatte bekämpfen müſſen. Nun da der „böſe Pfahl aus ſeinem
Fleiſche“ geſchnitten war, verfiel er bald in dumpfe Lethargie, und als ſich mit
dem neuen Jahrhundert ſein furchtbarſter Feind, der kritiſche Geiſt, erhob, ver—
mochte er nicht mehr ſich aufzuraffen. Denn der kleinliche Zank zwiſchen Ortho—
doxie und Janſenismus kräftigte nicht, er ſchwächte eher, bewog ſo manchen, von
allen religiöſen Kontroverſen ſich abzuwenden und auf das Gebiet einer bequemen
Gleichgültigkeit ſich zurückzuziehen. Die Aufklärung, inſoweit ſie gegen jede
poſitive Religion gerichtet war, fand ſo ihre beredteſten Gegner nicht mehr im

Züngſt von Puaux in der Revue historique XXVIL S, 68 f. veröffentlicht.
 
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