Yittorio Alfieri.
Von
B. Srdmannsdörffer.!
In der Kirche Santa Croce zu Florenz, nicht weit von den
Denkmälern Dantes, Machiavells, Michelangelos und Galileis,
ſteht das Monument eines Mannes, der ſeiner Herkunft nach wie
ein Fremdling erſcheint in dieſem toskaniſch-florentiniſchen Ruhmes—
tempel. Das Denkmal iſt von der Hand Canovas, die Inſchrift
beſagt: Vittorio Alfieri, gebürtig aus Aſti.
Ein Piemonteſe mitten unter dieſen Geſtirnen des toskaniſchen
Himmels. Es iſt, könnte man verſucht ſein zu ſagen, als ob auf
der Akropolis zu Athen man das Standbild eines Böotiers fände.
Denn ſoweit wir zurückblicken mögen in der Geſchichte
italieniſcher Kunſt und Litteratur, nirgends gewahren wir die
Spur eines hervorragenden, ſchöpferiſchen Anteils, den dieſe
Landſchaft in dem weſtlichen Winkel von Oberitalien an dem
reichen Kulturleben der Nation gehabt hätte. Die Ufer der Dora
und des Tanaro haben nur einen ſchwachen Abglanz von dem
Leuchten jener Sonnen erblickt, welche die Gelände am Arno und
Tiber ſo hell beſtrahlten. Von den Abhängen der Alpen bis zu
dem letzten Vorgebirge Siciliens war einſt Italien gleichſam ein—
getaucht geweſen in die Herrlichkeit der Renaiſſancekultur; aber
von allen Stämmen der Halbinſel hat dieſer eine faſt keinen An—
teil an jenen glorreichen Erinnerungen. Von den großen Namen
der Renaiſſance im 15. und 16. Jahrhundert iſt keiner, welcher
Piemont angehört; wir wiſſen von keiner piemonteſiſchen Kunſt—
ſchule, keiner von den Dichtern und Denkern des Zeitalters hat
dort ſeine Heimat oder ſeinen hauptſächlichen Wirkungskreis gehabt.
Nach einem im Jahr 1884 gehaltenen öffentlichen Vortrag.
Von
B. Srdmannsdörffer.!
In der Kirche Santa Croce zu Florenz, nicht weit von den
Denkmälern Dantes, Machiavells, Michelangelos und Galileis,
ſteht das Monument eines Mannes, der ſeiner Herkunft nach wie
ein Fremdling erſcheint in dieſem toskaniſch-florentiniſchen Ruhmes—
tempel. Das Denkmal iſt von der Hand Canovas, die Inſchrift
beſagt: Vittorio Alfieri, gebürtig aus Aſti.
Ein Piemonteſe mitten unter dieſen Geſtirnen des toskaniſchen
Himmels. Es iſt, könnte man verſucht ſein zu ſagen, als ob auf
der Akropolis zu Athen man das Standbild eines Böotiers fände.
Denn ſoweit wir zurückblicken mögen in der Geſchichte
italieniſcher Kunſt und Litteratur, nirgends gewahren wir die
Spur eines hervorragenden, ſchöpferiſchen Anteils, den dieſe
Landſchaft in dem weſtlichen Winkel von Oberitalien an dem
reichen Kulturleben der Nation gehabt hätte. Die Ufer der Dora
und des Tanaro haben nur einen ſchwachen Abglanz von dem
Leuchten jener Sonnen erblickt, welche die Gelände am Arno und
Tiber ſo hell beſtrahlten. Von den Abhängen der Alpen bis zu
dem letzten Vorgebirge Siciliens war einſt Italien gleichſam ein—
getaucht geweſen in die Herrlichkeit der Renaiſſancekultur; aber
von allen Stämmen der Halbinſel hat dieſer eine faſt keinen An—
teil an jenen glorreichen Erinnerungen. Von den großen Namen
der Renaiſſance im 15. und 16. Jahrhundert iſt keiner, welcher
Piemont angehört; wir wiſſen von keiner piemonteſiſchen Kunſt—
ſchule, keiner von den Dichtern und Denkern des Zeitalters hat
dort ſeine Heimat oder ſeinen hauptſächlichen Wirkungskreis gehabt.
Nach einem im Jahr 1884 gehaltenen öffentlichen Vortrag.