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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Werner, Richard Maria: Frau Aja
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0205

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frau Aia.
Von

Nichard Waria Verner.

Wer an die beiden letzten Träger des Namens Goethe dachte,
dem fiel gewiß der Vers ein: „Weh dir, daß du ein Enkel biſt!“
Der in ganz Deutſchland, in der ganzen gebildeten Welt ſo hoch—
verehrte Name war ihnen eher ein Fluch als ein Segen. Einem
Wolfgang Goethe gegenüber gebraucht man ein anderes Maß,
als einem Müller oder Meier entgegengebracht wird; als der
Unglückſelige mit Gedichten hervortrat, da ſcheuchte man ihn vom
Parnaß mit Hohn und Härte, während maͤn ſonſt vielleicht den
anders genannten Dichter der „Erlinde“ mit aufmunterndem Zu—
rufe begrüßt hätte. Verſchüchtert zogen ſich die beiden Enkel
Wolfgang und Walter zurück und vermieden es ſorgfältig, irgend—
wie in die Oeffentlichkeit zu treten. Sie wohnten im Weimarer
Goethehauſe, hüteten mit rührender Sorgfalt die vom Großvater
überkommenen Schätze, aber — weh dir, daß du ein Enkel biſt!
Während man ſonſt das ſorgfältige Bewahren der Familien—
Ueberlieferungen Pietät nennt und rühmend hervorhebt, brachte den
beiden Goethe auch dies nur Tadel und Anfeindung. Man wollte
den Enkeln nicht zugeſtehen, daß ſie ſich als Erben ihres Groß—
vaters fühlten, ganz Deutfchland hielt ſich für den Erben und
verlangte dringend, oft ſogar unverſchämt, daß die beiden das
Foethehaus öffnen und alle Schätze zugänglich machen ſollten.
Und die beiden? Wollte man ſie aus ihrem Familienhauſe ver—
treiben oder verlangte man von ihnen, daß ſie zu Kuſtoden in
ihrem Eigentum herabſinken ſollten? Oder hätten ſie Kiſten und
Kaſten öffnen und jedem Anklopfenden reichlich ſpenden ſollen?
Sie hatten einen Vertrauten von lange her, den auch ſchon ver—
ſtorbenen Krakauer Univerſitätsprofeſſor Bratranek, welcher viel—
 
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