Gian-Francesco Poggio Brattiolini.
Ein Lebensbild aus dem 15. Jahrhundert
von
Otto Eduard Ichmidt.
Für die Geſchichte der Renaiſſance in Italien beſitzen wir
zwei klaſſiſche Werke, die ſich einander in wunderbarer Weiſe er—
gänzen: Georg Voigt, „Die Wiederbelebung des klaſſiſchen Alter—
tums“ und Jakob Burckhardt, „Die Kultur der Renaiſſance in
Italien.“ Während Burckhardt die geſamten Lebensäußerungen
des italieniſchen Volkes in Staat und Familie, Religion und
Sitte, Wiſſenſchaft und Kunſt beobachtet und in ſyſtematiſch ge—
gliederten Abſchnitten zur Darſtellung bringt, treten bei Voigt die
einzelnen Perſonen, welche bei der Neugeſtaltung des Lebens be—
ſonders hervorragend mitgewirkt haben, mehr in den Vordergrund.
Und doch hat Voigt mit feinem Gefühl für das Bedürfnis des
Leſers das Individuum nicht ſo ſehr betont, daß ſein Werk in eine
Anzahl Biographien auseinandergefallen wäre, ſondern die großen,
allgemeinen und ſachlichen Geſichtspunkte ſtehen auch bei Voigt
mit Recht höher als das Intereſſe an den einzelnen Perſönlich—
keiten. Daher kommt es, daß Voigt, obwohl er kürzere Lebens—
bilder aller bedeutenden Humaniſten an geeigneten Orten vorführte,
doch einen großen Teil des biographiſchen Stoffes in die verſchieden—
ſten Abſchnitte zertragen mußte. Es iſt vielleicht ſchon aus dieſem
Grunde nicht unnütz, eine zuſammenfaſſende Skizze vom Leben und
der Bedeutung eines der bedeutendſten italieniſchen Humaniſten zu
entwerfen. Ich habe Poggio gewählt, erſtens, weil gerade ſein
vielbewegtes und von den mannigfachſten Beziehungen durchwebtes
Leben Gelegenheit geben wird, den Leſer auch mit einigen anderen
Koryphäen der Renaiſſance bekannt zu machen, zweitens, weil er
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 2c. 1886. Heft VI. 26
Ein Lebensbild aus dem 15. Jahrhundert
von
Otto Eduard Ichmidt.
Für die Geſchichte der Renaiſſance in Italien beſitzen wir
zwei klaſſiſche Werke, die ſich einander in wunderbarer Weiſe er—
gänzen: Georg Voigt, „Die Wiederbelebung des klaſſiſchen Alter—
tums“ und Jakob Burckhardt, „Die Kultur der Renaiſſance in
Italien.“ Während Burckhardt die geſamten Lebensäußerungen
des italieniſchen Volkes in Staat und Familie, Religion und
Sitte, Wiſſenſchaft und Kunſt beobachtet und in ſyſtematiſch ge—
gliederten Abſchnitten zur Darſtellung bringt, treten bei Voigt die
einzelnen Perſonen, welche bei der Neugeſtaltung des Lebens be—
ſonders hervorragend mitgewirkt haben, mehr in den Vordergrund.
Und doch hat Voigt mit feinem Gefühl für das Bedürfnis des
Leſers das Individuum nicht ſo ſehr betont, daß ſein Werk in eine
Anzahl Biographien auseinandergefallen wäre, ſondern die großen,
allgemeinen und ſachlichen Geſichtspunkte ſtehen auch bei Voigt
mit Recht höher als das Intereſſe an den einzelnen Perſönlich—
keiten. Daher kommt es, daß Voigt, obwohl er kürzere Lebens—
bilder aller bedeutenden Humaniſten an geeigneten Orten vorführte,
doch einen großen Teil des biographiſchen Stoffes in die verſchieden—
ſten Abſchnitte zertragen mußte. Es iſt vielleicht ſchon aus dieſem
Grunde nicht unnütz, eine zuſammenfaſſende Skizze vom Leben und
der Bedeutung eines der bedeutendſten italieniſchen Humaniſten zu
entwerfen. Ich habe Poggio gewählt, erſtens, weil gerade ſein
vielbewegtes und von den mannigfachſten Beziehungen durchwebtes
Leben Gelegenheit geben wird, den Leſer auch mit einigen anderen
Koryphäen der Renaiſſance bekannt zu machen, zweitens, weil er
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 2c. 1886. Heft VI. 26